Outsourcing

IT-Auslagerung ist nach wie vor kein Kinderspiel

26.03.1999
Das IT-Management hat sich verändert, Client-Server-Systeme sind auf dem Vormarsch. Nun weicht auch das große Re-Organisationsmodell IT-Outsourcing einer fein abgestimmten Teil-Verantwortung. Statt der Komplettauslagerung sind heutzutage nach Auffassung von Harald Lindlar* "Managed-Services" gefragt. Der Autor schildert Outsourcing-Trends aus dem Blickwinkel der Anbieterseite.

Jede Unternehmensleistung gehört regelmäßig auf den Prüfstand: Sind die Arbeitsschritte für den Betriebsprozeß notwendig? Gehören sie zum Kerngeschäft? Werden sie mit der geforderten Qualität und Professionalität erfüllt? Oder können Dienste durch die Einbeziehung von Dritten in ihrer Qualität erhöht und die Kosten gesenkt werden? Das sind die typischen Fragen der Organisationsberatung. Und die Antwort ist in vielen Fällen die gleiche: Outsourcing. Hauptmotiv dieser Stoßrichtung: Das Unternehmen soll von unwirtschaftlichem Balast befreit werden.

Damit sind aber in aller Regel die Probleme nicht gelöst beziehungsweise man hat sich andere geschaffen. Etwas neutraler gesagt: Die hohe "Veränderungsdichte" in der IT, also die immer schnelleren Produkt- und Anwendungszyklen, werfen neue Fragen auf: Wer übernimmt die Verantwortung für die reibungslose Funktion der IT-Infrastruktur? Wer kann deren Wirtschaftlichkeit garantieren? Wer sichert, plakativ formuliert, der IT im Unternehmen die Zukunft? Gerade auf der Suche nach Lösungen für verteilte Systemumgebungen treten dabei immer häufiger abgegrenzte Einzelleistungen an die Stelle des bisher vorwiegend praktizierten klassischen Komplett-Outsourcings. Zum Beispiel in der Form, daß das Tagesgeschäft des PC- und Server-Betriebs an Dritte übertragen wird. Im Rahmen solcher "Managed-Services", oft auch mit "Outtasking" umschrieben, übernimmt ein externer Dienstleister die Verantwortung für die jeweils zu erfüllenden Aufgaben und liefert Leistung(en) nach vertraglichen Vereinbarungen, den sogenannten Service-Level-Agreements. Die Leistungsabrechnung erfolgt nach Aufwand, etwa je "Call", wenn eine Helpdesk-Leistung eingekauft wird.

Daß das Outtasking umfangreicher denn je nachgefragt wird, liegt einerseits an der Globalisierung der Märkte. Denn diese erzeugt bekanntlich einen großen Kostendruck. Aufgaben können weltweit verteilt werden, jeweils dorthin, wo ihre Lösung am wirtschaftlichsten ist. Andererseits gewinnt die IT selbst kontinuierlich an Bedeutung. Wer heute beispielsweise im Internet präsent ist und dadurch einen Mehrwert für seine Kunden generieren kann, hat die besten Chancen für unternehmerischen Erfolg. Gerade der Erfolg des Web-basierten Electronic Commerce zeigt: Immer wieder werden neue Ideen in den Markt getragen. Dafür müssen Kernprozesse in den Unternehmen neu definiert werden. Flexibilität ist - auch und gerade von der IT - gefordert.

Bei Herausforderungen dieser Art stößt aber das klassische Outsourcing aus den geschilderten Gründen an seine Grenzen. Konsequenz: Die "Ergebnisverantwortung" für definierte und etablierte IT-Betriebsabläufe wird am besten so aufgeteilt, daß unternehmensspezifische Kernaufgaben und nach außen zu vergebende Dienstleistungen getrennt werden.

Ruf nach weltweiten Support-Strukturen

Überdies läßt besagte globale Orientierung vieler Unternehmen den Ruf nach weltweiten Support-Strukturen lauter werden. Ein einmal erfolgreich integrierter beziehungsweise implentierter Service muß überall auf der Welt den gleichen Standard bieten, nur so läßt sich die erforderliche Effizienz gewährleisten. Nur wenige IT-Dienstleister halten derzeit diesen strengen Auswahlkriterien für die Partnerwahl stand, können quasi Teile der unternehmerischen Verantwortung für die IT zu fest vereinbarten Preisen übernehmen. Grundsätzlich werden, wie erwähnt, alle zu erbringenden Service-Leistungen durch die festgeschriebenen Service-Level-Agreements genau definiert. Im Kern geht es da um Dinge wie Betriebsleistungen, Support-Services oder das Prozeßmanagement. Das wichtigste aber ist: Eine Orientierung an den Service-Levels macht die IT-"Fremdleistung" gegenüber dem Anwender meßbar und damit optimierbar. Gleichzeitig werden die Betriebskosten, zumindest in einem funktionierenden Outsourcing-Projekt, durch effiziente Nutzung der richtigen Skills reduziert.

Was sind nun typische Outsourcing-Bereiche? Die Bandbreite der mittlerweile "industrialisierten" IT-Services ist groß und beginnt ganz allgemein bei der Standardisierung von Applikationen und Infrastruktur, etwa der Normierung von Bürokommunikations-Lösungen, einem entsprechend striktem "Warenkorbmanagement", geht weiter über die Einführung von R/3, der Homogenisierung von Client-Server-Welten bis hin zur Automatisierung von IT-Prozessen, beispielsweise die Einführung eines System-Managements inklusive Fernwartung, Remote-Steuerung und/oder Softwareverteilung. Genauso gut kann es aber auch um die Zentralisierung von IT-Services, beispielsweise die Etablierung eines zentralen Helpdesk, Serverfarming oder zentrales Netzmonitoring gehen oder um "politische" Fragen in Form einer Optimierung der Wertschöpfungstiefe, etwa "Make-or-buy"-Entscheidungen wie das Auslagern von unkritischen IT-Serviceleistungen.

Innovationszyklen müssen abgefedert werden

Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Definition geeigneter Prozesse und Verfahren. Ein Dienstleister, der die IT-Verantwortung übernimmt, sollte in jedem Fall die gewünschte Servicequalität erreichen, halten oder sogar steigern können. Dazu muß er die Prozesse und Verfahren für die Leistungserbringung entwickeln, testen, dokumentieren und gegebenenfalls kontinuierlich anpassen. Darin liegt für den Anbieter der Schlüssel zum Erfolg. Schließlich erleichtert eine durchdachte Verfahrensstruktur die Service-Erbringung und garantiert dem Auftraggeber kontinuierlichen Nutzen und Erfolg. Dinge, die selbstverständlich klingen, aber bekanntlich in der Praxis oft ihre Tücken im Detail haben - aufgrund von Versäumnissen auf beiden Seiten.

Von großer Bedeutung ist ferner das übergreifende Projekt- und Prozeßmanagement. Fast immer haben die Deals zwischen Kunde und Dienstleister eine Laufzeit von mehr als einem Jahr. Etwas anderes wäre auch - klasssisches Outsourcing hin, Outtasking her - unpraktikabel. Diese Langfristigkeit stellt das Projekt- und Prozeßmanagement vor besondere Herausforderungen. Denn eine anfangs definierte Leistung muß kontinuierlich weiterentwickelt werden, um mit den technologischen und auf Seiten des Kunden bedingten organisatorischen Veränderungen Schritt zu halten. Mit anderen Worten: Das Auslagern der IT muß Innovationszyklen im Hard- und Softwarebereich sowie etwaige neue Herausforderungen, vor denen das Anwenderunternehmen in seinem Kerngeschäft steht, abfedern können.

Zusammengefaßt sind die Vorteile für die Kunden, die sich durch das Outtasking von IT-Bereichen ergeben, groß - und sie wissen es (in den meisten Fällen) zu schätzen:

- Konzentration auf das eigentliche Kerngeschäft,

- stabile Leistungsqualität durch Service-Level-Agreements,

- Erhöhung der Kostentransparenz,

- erhöhte Flexibilität durch größere Ressourcen,

- schnellere Umsetzung laufender Projekte,

- Vermeidung von Investitionsrisiken,

- Bündelung komplexer, kundenspezifischer Dienstleistungen im Desktop, Networking- und Server- und Rechenzentrumsbetrieb sowie

- definierte Ergebnisverantwortung als Beitrag zur Wertschöpfungskette des Kerngeschäfts.

International agierende Unternehmen fordern heute beispielsweise User-Helpdesk-Services und IT-Betriebs-Services rund um die Uhr an allen sieben Tagen der Woche. Sie wollen für ihr Mail- und Messaging-System einen Service-Level, das den Empfang elektronischer Post innerhalb von wenigen Minuten auf der ganzen Welt garantiert. Bei Termingeschäften haben die Anwender dabei oft sogar den Anspruch, ihre E-Mails in Sekundenschnelle zu empfangen. Auch bei der Nutzung von R/3 beträgt die gewünschte Online-Zeit heutzutage immer häufiger 24 Stunden pro Tag. Für das Outtasking haben sich aus solchen Anforderungen einige Schwerpunkte herauskristallisiert:

- Betrieb von Server-Farmen,

- Betrieb der Mail- und Messaging-Infrastruktur,

- Betrieb der Groupware-Funktionalitäten,

- Applikations-Services für SAP, MS-Office oder CAD/PPS etc.,

- Netzservices,

- Netzmanagement,

- User-Helpdesk-Services,

- Asset-Management sowie

- Verantwortung für den Betrieb von Standardanwendungen wie R/3, Lotus Notes oder MS-Exchange, Oracle- und IBM-Lösungen.

Was ist nun abschließend festzuhalten? Der Aufbau und Erhalt eines professionellen IT-Betriebs war aufgrund kurzer Innvovationszyklen, großer Innovationssprünge und zum Teil entsprechend hoher Komplexität der Anwendungen lange Zeit nur mit großem Aufwand möglich - intern durch den jeweiligen "IT-Shop", extern durch einen Dienstleister. Die neue Dominanz heterogener IT-Infrastrukturen schürt nun aber geradezu die Nachfrage nach einem sicheren Client-Server-Betrieb auf der Basis festgelegter Service-Level. Viele Anwenderunternehmen wollen und werden diesen Weg gehen (müssen). Outsourcing oder Outtasking ist nach wie vor kein Kinderspiel, aber es ist transparenter und damit effektiver geworden.

Die Iduna-Nova-Gruppe hat, um mit einem plakativen Anwendungsbeispiel aufzuhören, diesen Schritt schon getan. Der Versicherungskonzern hat Compunet als Service-Provider mit dem Betrieb seiner R/3-Umgebung betraut. Unser Unternehmen verantwortet dabei die Einhaltung definierter Service-Levels mit garantierten Leistungen. Die entsprechenden R/3-Server für Personalwirtschaft, Rechnungswesen/Controlling und Finanzen stehen im Kerpener Rechenzentrum des Dienstleisters. Test- und Entwicklungssystem, Integrations- und Produktionssystem werden unter Windows NT betrieben. Die IT-Infrastruktur der Iduna Nova ist mit dem Rechenzentrum über eine ISDN-Standleitung und über ISDN-Backup verbunden. Alle Systeme werden rund um die Uhr an allen sieben Tagen der Woche überwacht - strengste Auflagen in Sachen Schutz und Vertraulichkeit sämtlicher Kundendaten inklusive.

So weit zu den "Facts" dieses Outsourcing-Projekts. Welche Philosophie dahintersteckt, ist im Zweifel aber wichtiger. Die IT-Spezialisten der Versicherung müssen sich nicht mehr um die tägliche Datensicherung oder um den Release-Wechsel kümmern. Und auch für die Administration von Betriebssystemen und Datenbanken sorgt ihr Dienstleister. Mag sein, daß das banal klingt. Für die Iduna Nova ist der ausgelagerte SAP-Betrieb indes mehr als eine technologische Rückversicherung. Sie erhält R/3 so gut wie aus der Steckdose.

*Harald Lindlar ist Leiter Corporate Communications bei CE Capital Information Technology Solutions (Compunet) Deutschland in München.