Outsourcing/Insourcing, Outtasking und Global Sourcing verändern die Branche

IT-Auslagerung: Ein Markt im Umbruch

02.04.2004
Kosteneinsparungen, Transparenz und die Konzentration auf Kernkompetenzen sind nach wie vor die wichtigsten Treiber für Outsourcing-Vorhaben in Deutschland. Aus ähnlichen Gründen etabliert sich auch eine spezielle Form des Insourcing: Die Kapselung der internen IT-Dienstleister in eigenständige Organisationseinheiten. Der Trend zum Global Sourcing erhöht den Kostendruck auf die Anbieter und wird die Branche nachhaltig verändern.Von Peter Dück*

Outsourcing in Deutschland hat sich etabliert, zumindest was das Ausgabevolumen im IT-Outsourcing (ITO) betrifft. Mit 9,6 Milliarden Euro gab Deutschland 2003 wie in den Vorjahren etwa drei Viertel dessen aus, was der Vorreiter Großbritannien in ITO investierte. Betrachtet man neue Trends, dann scheinen die Zahlen zu belegen, dass Deutschland nach wie vor ein "Follower" ist. So beträgt beispielsweise das Ausgabevolumen beim Auslagern von Geschäftsprozessen (BPO = Business Process Outsourcing) 3,6 Milliarden Euro. Das ist gerade mal ein Drittel der Summe, die im Vereinigten Königreich ausgegeben wird.

Noch deutlicher werden die Unterschiede beim zweiten großen Trend, dem Offshoring. Entsprechend den verhaltenen Prognosen für das gesamtwirtschaftliche Wachstum bleibt Deutschland bis 2007 bei den Wachstumsprognosen für ITO und BPO mit 3,0 und 6,1 Prozent leicht unter dem Durchschnitt in Westeuropa (3,1 Prozent und 6,8 Prozent) zurück. Hier setzt sich Großbritannien mit 4,0 Prozent und 8,1 Prozent etwas deutlicher ab, ohne zu einer euphorischen Stimmung Anlass zu geben.

Insourcing weltweit verbreitet

Doch Statistiken beleuchten nur unzureichend, was sich in der deutschen Sourcing-Szene abspielt. Von den üblichen Marktbetrachtungen nicht erfasst, hat sich hier eine "Schattenwirtschaft" aufgebaut, allerdings ohne den geringsten Hauch von Illegalität. Die Rede ist vom Insourcing, worunter Gartner nicht in erster Linie das Zurückholen von Leistungen - also die Umkehr von Outsourcing - versteht, sondern die Kapselung der internen IT-Dienstleister in eine eigene, oft auch rechtlich eigenständige Organisationseinheit. Dieses Modell ist nicht nur in Deutschland anzutreffen, sondern weltweit, vor allem in Großkonzernen. Aber es erfreut sich hierzulande einer stark wachsenden Beliebtheit.

Sparen und kontrollieren

Kosteneinsparungen und -transparenz sind nach wie vor die Treiber für Outsourcing-Vorhaben. Gleich dahinter rangiert in Umfrageergebnissen die Konzentration auf das Kerngeschäft und auf Kernkompetenzen. Beide Ziele kann das Insourcing-Modell durchaus erfüllen, ohne dass gleich alles an einen externen Anbieter abgegeben werden muss. Auch sonst können bei diesem Modell die Unternehmen vieles üben, was das solide Handwerk des Sourcing fordert und was die Einbindung von externen Anbietern als künftigen Schritt erleichtert: Definition von Services und Service-Levels, Aufbau der unverzichtbaren IT-Kernmannschaft, Vertragsgestaltung und Beziehungs-Management, um nur einige Disziplinen anzuführen. Insgesamt wird das Insourcing-Modell mit seinen vielfältigen Varianten die Outsourcing-Szene hierzulande weiter beleben.

Selektives Outsourcing

In Deutschland wird Outsourcing vorwiegend taktisch eingesetzt: Um Kosten zu sparen, um gewisse Investitionen, beispielsweise für den Aufbau eines Rund-um-die-Uhr-Supports, zu umgehen, oder um Routinearbeiten auszulagern. Selektives Outsourcing oder Outtasking ist deshalb die beliebteste Variante, und das wird auf längere Sicht so bleiben. Darüber darf auch die Welle der Megadeals mit Vertragswerten über einer Milliarde Dollar nicht hinwegtäuschen, die Europa im Jahr 2003 erfasst und auch in Deutschland ihre Spuren hinterlassen hat.

Dem Abkommen der Deutschen Bank mit der IBM wurde Signalwirkung für die ganze Branche zugesprochen. So deutlich ist das Signal dann doch nicht ausgefallen, nachdem sich mittlerweile kritische Stimmen mehren und die Commerzbank als weiterer großer Kandidat nicht dem Beispiel folgen konnte oder wollte. Die Finanz- und Versicherungsbranche bietet aber auch in den nächsten Jahren ein viel versprechendes Wachstumspotenzial in Deutschland. Und auch hier spielen Insourcer einer besonderen Art mit: Unternehmen wie die Finanz IT, bei der Banken und Sparkassen sowohl Eigner als auch Kunden sind. Ähnlich wachstumsträchtig in Bezug auf Outsourcing ist das weite, aber komplexe Feld der öffentlichen Hand. Auch hier soll der Megadeal der Bundeswehr ein Zeichen setzen, kommt aber nur schwerfällig voran und wird sich hoffentlich nicht zu einem zweiten Toll Collect entwickeln.

Serviceaggregatoren gefragt

Die jüngsten Großaufträge in Europa haben nichts mehr mit dem Full-Outsourcing der früheren Jahre zu tun. Da immer weniger Anbieter in der Lage sind, das komplette Leistungsspektrum global anzubieten, treten in den neuen Megadeals Charakteristika eines Trends zu Tage, den Gartner schon seit mehr als zwei Jahren vorhergesagt hat: Die Leistungserbringung über Wertschöpfungsketten, bei denen ein Anbieter als Serviceaggregator oder Allianz-Manager für die Integration sorgt. Diese neue Rolle ist im Markt noch wenig verstanden und bleibt oft noch dem Endkunden überlassen. Hier könnten Insourcer ebenfalls eine wertvolle Aufgabe als letztes und internes Glied einer externen Leistungskette übernehmen. In Deutschland gibt es eine Reihe von Beispielen, wo dies bereits ansatzweise funktioniert.

Die einzige Langfristperspektive für den Insourcer ist vielleicht der Zukauf ganzer Leistungspaletten auf dem Drittmarkt und die Rolle eines Serviceaggregators. Nach Gartner-Beobachtungen sind Insourcer aber auf Dauer instabil. Meist sind deren Optimierungspotenziale nach zwei bis vier Jahren ausgeschöpft. Sich weitere Größenvorteile (Economies of Scale) über den externen Markt zu beschaffen und vor allem der nächste Schritt, ein externer Dienstleister mit substanziellem Neugeschäft zu werden, ist selten von Erfolg gekrönt. Ein Mitnahmegeschäft mit weniger als zehn Prozent Beitrag zum Umsatz ist oft das Einzige, was übrig bleibt.

Es gibt eine lange Liste von Beispielen in Deutschland, die zwar den Outsourcing-Markt mit vielen kleineren und mittleren Anbietern anreichert. Die Unternehmen verbrauchen aber viel Energie, wenn sie den Ausbau des Drittmarktgeschäfts mit ungeeigneten Strategien angehen. Oft werden der Investitionsbedarf und der Zeitrahmen für eine Externalisierung aus eigener Kraft maßlos unterschätzt. Die Insourcer werden dann zu begehrten Zielobjekten für etablierte Anbieter. Dabei unterläuft den Muttergesellschaften häufig ein weiterer gravierender Fehler: Sie konzentrieren sich zu stark auf den Verkauf ihrer IT-Tochter und darauf, damit einen guten Preis zu erzielen. Häufig wird dieser mit langjährig garantiertem Geschäftsvolumen als Gegenleistung teuer erkauft. Die Unternehmen übersehen dabei, dass es sich bei solchen Deals eigentlich um normales Outsourcing handelt und dass es vor allem auf den Rückkauf hochwertiger Leistungen ankommt, zu einem vernünftigen Preis über mehrere Jahre hinweg. Mit solch leichtfertigen Vertragsabschlüssen ist bei einer Reihe von Unternehmen der Misserfolg im Outsourcing in den nächsten zwei Jahren programmiert.

Asymmetrie im IT-Servicemarkt

Insourcer und daraus erwachsene externe Anbieter spielen gewissermaßen als freie Radikale, wie der Chemiker sagen würde, eine Schlüsselrolle bei den Eroberungsversuchen ausländischer Outsoucing-Anbieter. Es ist eine seit vielen Jahren faszinierende Asymmetrie des deutschen IT-Dienstleistungsmarkts: Die etablierten deutschen Anbieter wie T-Systems und Siemens Business Services tun sich schwer, außerhalb der deutschsprachigen Region oder gar außerhalb Europas eine vergleichbar gute Marktposition aufzubauen. Umgekehrt gelang es ausländischen Anbietern wie Accenture, Cap Gemini Ernst & Young (CGEY) und Atos Origin bislang nicht, eine Präsenz in Deutschland zu erreichen, die ihrer Rolle im übrigen Markt gleichkommt.

Ausnahmen sind hier einzig die IBM, die seit mehr als 30 Jahren wie ein deutsches Unternehmen akzeptiert ist, und EDS durch seine massiven Zukäufe in den letzten Jahren. Ein prominenter Versuch, diese Asymmetrie auszugleichen, ist die Veräußerung von Triaton. Dabei traten zwar einige der oben Genannten als potenzielle Käufer an, den Zuschlag erhielt aber HP. Weitere Übernahmen ähnlicher Art sind zu erwarten, aber auch Partnerschaften im Sinne der Wertschöpfungskette.

Insgesamt befindet sich der IT-Dienstleistungsmarkt im Umbruch. Es hat eine starke Polarisierung eingesetzt in einerseits wenige große Anbieter, die durch Verschmelzungen entstehen oder in Form von Serviceaggregatoren einer Wertschöpfungskette auftreten. Andererseits positionieren sich Nischenanbieter, die durchaus substanzielle Größe haben können, aber doch gezwungen sind, sich auf gewisse Zielgruppen zu fokussieren. Damit wird eine stärkere Branchenausprägung einhergehen. Entsprechend müssen sich die Geschäftsmodelle drastisch wandeln, weg vom Competence Selling zur Entwicklung zielgruppenorientierter Geschäftslösungen.

Der Weg zum Global Sourcing

Ein weiterer Reifeprozess, den die IT-Dienstleistungsbranche in den nächsten Jahren durchleben wird, ist die Abwanderung der Arbeit in Billiglohnländer, anders ausgedrückt, der Weg zum Global Sourcing. Damit wird im Wettbewerb ein Kostendruck entstehen, der letztlich Outsourcing für die Käufer attraktiv werden lässt. Konkurrenz entsteht aber auch durch neue Fullservice-Anbieter, die aus den Billiglohnländern in den deutschen Markt drängen. Vorboten wie Infosys, Wipro und Tata Consultancy Services sind schon hier.

Ein Artikel über Outsourcing darf heutzutage nicht schließen, ohne den Begriff On Demand erwähnt zu haben. Das breit angelegte Marketing-Konzept der IBM, das vom Utility Computing bis zum Realtime-Enterprise eine große Palette von Technologien und Dienstleistungen umfasst, wird zunehmend mit Leben gefüllt. Das geht manchem, der darunter sehr eng nur die völlige Flexibilisierung und Skalierbarkeit von Servicepreisen verstehen will, sicher viel zu langsam. Aber der Weg zur Standardisierung, Flexibilisierung und Skalierbarkeit von Lösungen ist unaufhaltsam und von den Kunden gewünscht. Das zeigen alle Gartner-Untersuchungen. Natürlich darf man nicht übersehen, dass auch On Demand dem Hype Cycle unterliegt und noch nicht über den "Gipfel der überzogenen Erwartungen" hinweggekommen ist. Deshalb stehen erst noch einige Ernüchterungen ins Haus, bevor sich das Konzept etablieren wird.

"Tektonische Verwerfungen"

Gartner hat vor mehr als vier Jahren ein einfaches Modell des IT-Dienstleistungsmarkts entworfen. In diesem können die gelieferten Lösungen auf ein Unternehmen zugeschnitten oder aber in standardisierter Form vielen Unternehmen zugänglich sein. Die erzielten Ergebnisse können dabei von reiner IT-Effizienz bis zu vollem Geschäftsnutzen reichen. In dem Modell, das von diesen beiden Achsen aufgespannt wird, hat Gartner zwei Megatrends identifiziert: zum einen in Richtung Geschäftsnutzen, zum anderen in Richtung Standardisierung. Dabei prognostizierten die Experten, dass diese Bewegungen nicht etwa evolutionären Entwicklungen entsprechen, sondern zu "tektonischen Verwerfungen" im Markt führen werden. Den Anfang dieser Turbulenzen erleben wir gerade, und es wird weiter stürmisch bleiben. (wh)

*Peter Dück ist Vice President bei Gartner.

Abb.1: IT-Outsourcing

In Sachen Outsourcing ist Großbritannien europaweit Vorreiter. Quelle: Gartner

Abb.2: Prozess-Outsourcing

Deutsche Unternehmen tun sich schwer mit der Auslagerung von Prozessen. Quelle: Gartner