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IT-Abteilungen halten dem Druck kaum noch stand

19.07.1996

Interne Kunden nagen mit ihren immer höheren Anforderungen ebenso an der Substanz der IT-Abteilungen wie der zunehmende Wettbewerbsdruck von seiten professioneller Dienstleister. Das belegt eine Marktuntersuchung der MC-Team Management Consulting GmbH, Eschborn, die rund 40 ausgewählte Großunternehmen näher untersuchte. Demnach verschärft sich die Situation dort am meisten, wo die IT-Verantwortlichen auf eine Abnahmepflicht ihrer Muttergesellschaft bauen oder bei Ausschreibungen das Recht genießen, stets ein letztes Angebot zu unterbreiten.

Zu diesem Ergebnis kommen Experten, die es wissen müssen: MC-Team besteht ausschließlich aus ehemaligen Mitarbeitern der Diebold Deutschland GmbH, Eschborn. Sie hatten sich selbständig gemacht, nachdem Diebold so eng in das Geschäft der Muttergesellschaft Debis Systemhaus eingebunden worden war, daß die Consultants fürchteten, nicht mehr neutral beraten zu können.

Wie MC-Team herausfand, dominiert in den Unternehmen noch immer ein Verhalten, das von Synergieüberlegungen, Abnahmezwang und der Verrechnung der Kosten nach Aufwand oder über Gemeinkostenumlage geprägt ist. Die IT-Verantwortlichen arbeiten technikorientiert und setzen ihre Prioritäten weniger nach dem Kundenbedarf als den verfügbaren Kapazitäten. Budgetüberschreitungen und Terminverzögerungen bei Neuentwicklungen sind an der Tagesordnung. Veränderungsprozesse lassen sich kaum anstoßen, weil die Altsysteme Sachzwänge erzeugen.

Allerorten sind DV-Systeme installiert, die unter der Prämisse entwickelt wurden, Synergien für unterschiedliche Geschäftseinheiten auszuschöpfen. Dadurch entstand ein nahezu unüberschaubares Geflecht an DV-Systemen, das den Kunden heute als teuer, inflexibel und nicht anforderungsgerecht erscheint. Wie die Analysten feststellen, wird dieses Problem in der Regel auch nicht mit dem Austausch veralteter Systeme durch neue Standardsoftware gelöst.

Unternehmensleitungen beurteilen die wachsenden Probleme der IT- Abteilungen um so kritischer, je mehr die Erkenntnis um sich greift, daß die DV-Systeme nur einer von vielen Faktoren sind, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Zudem erliegen sie immer häufiger den Verlockungen eines rasant wachsenden Servicemarktes, dessen Offerten transparent und vergleichsweise kostengünstig erscheinen. Diese Anbieter schnüren Dienstleistungspakete zu Festpreisen oder rechnen nach der Nutzungsintensität im späteren Praxiseinsatz ab.

"Bisher hat sich das Outsourcing-Geschäft noch relativ langsam entwickelt", beobachtet MC-Team-Vorstand Wolfgang Dernbach. Schon bald werde es sich jedoch wie ein "Flächenbrand" ausdehnen, da sich die Firmen immer mehr auf ihr Kerngeschäft konzentrierten. Um ein Rechenzentrum oder ein Netzwerk betreiben zu können, bedürfe es keiner eigenen Abteilung mehr. Auch die Anwendungsentwicklung sei keine heilige Kuh nur die wirklich geschäftskritischen Programme müßten mittelfristig noch im eigenen Haus entwickelt werden.

Laut Dernbach ist es dabei keineswegs so, daß die Datenverarbeitung in den Unternehmen an Bedeutung verliert. Diskutiert wird nur, wer diese Leistungen erbringen soll. "Die zentralen DV-Abteilungen erledigen heute ohnehin nur noch einen kleinen Teil dessen, was sie vor zehn oder 15 Jahren gemacht haben", erklärt der MC-Team-Vorstand. Software werde nicht mehr entwickelt, sondern in der Regel auf Basis von Fertigware konfiguriert und angepaßt. Auch die Netzdienstleistungen würden immer häufiger am Markt eingekauft. "Draußen entsteht ein Markt mit immer mehr Spezialisten. Die können oft viel mehr als die eigene DV, die alles bewältigen will und dabei ein zunehmend diffuses Bild abgibt", urteilt der Berater.

Flexibilität wird für Großunternehmen und ihre IT-Organisation zum entscheidenden Faktor. Die zugespitzte Wettbewerbssituation, so argumentiert MC-Team, zwingt die Firmen dazu, ihre Wertschöpfungskette radikal umzubauen. Nur so lassen sich kürzere Reaktionszeiten und geringere Kosten erreichen. Außerdem stellt der Zwang zur europaweiten und globalen Vermarktung die Unternehmensstrukturen und -strategien auf den Kopf. Neue Produktkonzepte und die Zerschlagung von Konzernen in eigenständige Einheiten führen ebenfalls dazu, daß sich die Anforderungen sehr schnell ändern.

In vielen Fällen muß daher die installierte Software zu einem Großteil abgelöst werden. Andererseits sind die vorhandenen DV- Systeme zu einem standortübergreifenden Rückgrat für die gesamte Geschäftsabwicklung umzubauen - in vielen Unternehmen ist noch offen, ob sie sich den Ausbau einer solchen Infrastruktur leisten wollen oder die Outsourcing-Alternative wählen.

MC-Team berichtet von Firmen, die den Wandel vollzogen und sich vom "Hoflieferanten" zu einem konkurrenzfähigen Dienstleister entwickelt hätten. In solchen Fällen ist es meistens nicht der IT- Servicebereich, sondern die Unternehmensleitung selbst, die für Art, Umfang und Wirtschaftlichkeit des DV-Einsatzes verantwortlich zeichnet. Sie beurteilt, welche DV-Unterstützung benötigt wird, um eine Unternehmensstrategie umzusetzen.

Der Servicepartner stellt lediglich entsprechende Dienstleistungen zur Verfügung - das aber so effizient wie möglich. Minimale Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit einer solchen Organisation ist die kategorische Trennung der IT-Abteilung von anderen Geschäftseinheiten - so, als wären die Abteilungen in unterschiedlichen Märkten tätig.

Wie externe Servicebetreiber bieten moderne IT-Bereiche bestimmte Leistungen zu Pauschalpreisen an, Zusatzleistungen werden extra berechnet. Die Leistungen werden so gebündelt, daß spezifische Stärken voll zum Tragen kommen. Lösungen, von deren Qualität das IT-Team überzeugt ist, sollte es offensiv vermarkten. In anderen Bereichen sind qualifizierte Partner hinzuzuziehen.

"Wenn sich die internen IT-Servicebereiche nicht so verhalten wie externe Anbieter, sind sie gefährdet", urteilt Dernbach. Bei der Bereitstellung der Infrastruktur wie bei der Anpassung von Anwendungen sei das Konkurrenzverhältnis ausgeprägter als je zuvor.

Der "Hoflieferant" ist out

Wollen konzerngebundene Dienstleister überleben, müssen sie dem Vergleich mit freien Wettbewerbern standhalten. Die Kunden stehen heute unter einem derartig hohen Wettbewerbsdruck, daß sie sich den leistungsfähigsten Lieferanten auswählen müssen - unabhängig davon, ob er zum Konzern gehört. Um Reaktionszeiten und Kosten zu reduzieren, bauen Unternehmen ihre Wertschöpfungsketten ständig um. Das führt oft zum Austausch eines Großteils der DV-Systeme. Gleichzeitig entwickelt sich die IT zum standortübergreifenden Infrastruktur-Rückgrat für die Geschäftsabwicklung.

Die Anforderungen an die IT-Servicelieferanten steigen also permanent, doch nur wenige Anbieter sind ihnen gewachsen. Die Mentalität des "Hoflieferanten" ist noch häufig anzutreffen, die internen Anbieter verstehen sich als Sachwalter ihrer Kunden und legen nur wenig Wert auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit. Folgerichtig hat sich der Servicemarkt rasant entwickelt, es gibt jede Menge Alternativen zu einer eigenen Inhouse-DV. Unabhängige Servicegiganten wie EDS oder CSC sowie Hardware-Anbieter, die ihr traditionelles Geschäft absichern wollen, drängen in diesen Markt und haben einen erheblichen Vorteil: die internationale Präsenz.

Die organisatorische Trennung der DV-Organisation von anderen Geschäftseinheiten ist unabdingbare Voraussetzung, wenn diese Abteilung dem externen Wettbewerb trotzen will. Gleichzeitig muß sie sich zu einem Spezialisten für ausgewählte Dienstleistungen entwickeln - dazu ist in der Regel ein Veränderungsprozeß nötig. Dieser darf sich nicht nur auf Verfahren, Richtlinien und Werkzeuge beziehen, er muß sich auch auf das Verhalten der Abteilung erstrecken. Wichtig ist außerdem, daß die IT- Verantwortlichen in der Lage sind, ihre Leistungsfähigkeit zu beurteilen, und schwierige oder zu umfangreiche Aufgaben an externe Spezialisten abgeben.