Ist VoIP ein heimlicher Stromfresser?

30.05.2008
Die Internet-Telefonie kann teurer kommen, als viele Nutzer denken.

Voice over IP (VoIP) wurde von den einschlägigen Herstellern lange Zeit als Mittel zur Kostensenkung im Unternehmen verkauft. Nun dokumentiert der VAF - Bundesverband Telekommunikation e.V., ein Zusammenschluss von über 250 mittelständischen Systemintegratoren, dass im laufenden VoIP-Betrieb Kostenfallen lauern: Ein entsprechendes System verbrauche immer wesentlich mehr Strom als eine herkömmliche TK-Anlage in Kombination mit einem separaten Datennetz.

Im Rahmen seiner Vergleichsanalyse überprüfte der Verband anhand von vier Szenarien (klassisches Festnetz, hybrid mit VoIP-Telefonen, reines VoIP und VoIP mit Softphones) die Energiekosten für drei beispielhafte Unternehmensgrößen (100 Mitarbeiter in einem Gebäude, 500 in zwei Gebäuden und 1000 in vier Gebäuden). Laut VAF-Berechnungen kletterte bei einer kleinen Firma mit 100 Mitarbeitern/Telefonen der Verbrauch beim Wechsel auf eine VoIP-Anlage um über 50 Prozent auf 77 800 Kilowattstunden. Die entsprechenden Stromkosten wuchsen von 6100 auf über 9300 Euro. Unternehmen mit 1000 Mitarbeitern müssen laut VAF-Report immerhin mit einem Anstieg der Stromkosten um fast 30 Prozent auf 66 250 Euro kalkulieren. Etwas besser ist die Energiebilanz der vor allem während der Migration genutzten hybriden TK-Systeme, die je zur Hälfte mit klassischen Apparaten und mit VoIP-Telefonen betrieben werden.

Preis der besseren Verfügbarkeit

Als Grund für die ungewohnt saftigen Stromrechnungen verweist der Verband auf den hohen Aufwand, der nötig ist, um bei einem VoIP-System eine ähnliche Verfügbarkeit sicherzustellen wie bei klassischen TK-Anlagen. So seien mehr Koppelkomponenten (Switches, Bridges etc.) notwendig, welche zwar zu einer hervorragenden Redundanz im Datennetz führten, den Energieverbrauch aber drastisch in die Höhe schnellen ließen. Besonders stark steigen dabei die Energiekosten, wenn der Nutzer am Schreibtisch von der neuen Technik nichts merken soll oder will, also weiterhin herkömmliche Tischtelefone einsetzen möchte, so der VAF.

Basis für die Berechnungen waren "Hipath"-TK-Anlagen von Siemens (für den Ausgangszustand), Ciscos "Catalyst"-Switches sowie handelsübliche Server. Wie realitätsnah der Betrieb der IP-PBX auf einem dedizierten Server (mit 580 Watt!) ist, ist freilich unklar, ebenso, ob die Systeme wie im VAF-Szenario 24 Stunden laufen müssen.

Einsparpotenziale bietet der Untersuchung zufolge vor allem eine PC-Telefonielösung, bei der das VoIP-Telefon durch ein Softphone samt Headset ersetzt wird. Bei dieser Lösung fallen die Stromkosten nur geringfügig höher aus, weil keine zusätzlichen Ports und damit auch keine mit Power-over-Ethernet-Technik ausgestatteten Switches benötigt werden. Weiterhin empfiehlt der VAF, dass Unternehmen beim Einkauf vonKomponenten auf deren Stromverbrauch achten und, so weit möglich, Server und Anwendungen virtualisieren sollten. (mb)