Community fragt Oracle

Ist Java noch zu retten?

23.01.2011
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Wie weiß ist Googles Weste?

Doch in den Chor derer, die Oracle als "Patent-Troll", "Achse des Bösen" und "Darth Vader der IT-Branche" diffamieren, mischen sich auch Stimmen, die die Rolle Googles kritisch hinterfragen. Demnach hat beispielsweise Josh Bloch, Chief Java Architect von Google, erst Mitte April 2010 auf einer Red-Hat-Konferenz im kalifornischen Santa Clara moniert, dass Java unter Sun Microsystems mehr oder weniger führerlos dahingeschlingert sei und er große Hoffnungen auf Oracle setze, die Plattform wieder auf Kurs zu bringen. Außerdem hat Google bereits mit Sun Microsystems über eine Lizenzierung von Java für Android verhandelt. Als diese Verhandlungen gescheitert waren, hat Google offenbar sein eigenes Java-Süppchen gekocht. Vertreter der Free Software Foundation weisen darauf hin, dass Google auf eine Java-Implementierung unter der Apache-2.0-Lizenz setzt, statt die offizielle GPL-Version zu nutzen. Es gehöre offenbar zur Strategie, alle GPL-Bestandteile in Android so weit wie möglich zu vermeiden, um die Entwicklung proprietärer Software für Android zu erleichtern, kritisieren die Open-Source-Protagonisten. Zudem hätten die Google-Verantwortlichen bis heute noch keine klare Position in Sachen Softwarepatente bezogen.

Derzeit ist nicht abzusehen, wie das Ringen zwischen Oracle und Google ausgeht. Es ist gut möglich, dass beide Parteien im Hintergrund bereits um eine Lösung im Lizenzstreit feilschen. Allerdings können sich Marktbeobachter auch vorstellen, dass Google das Verfahren als Präzendenzfall vor dem Kadi durchfechten möchte. Der Streit ist indes für beide Seiten riskant, warnt IDC-Analyst Spies. Google sollte sich keine Unruhe im derzeit explodierenden Android-Markt leisten.

Die Konkurrenten warten nur darauf, dass Google Schwierigkeiten bekommt, sagt Spies. Profitieren könnte in erster Linie Microsoft mit seinem mobilen Betriebssystem "Windows Phone 7". Tatsächlich konnte es sich der ranghohe Microsoft-Manager Tivanka Ellawala, Chief Financial Officer (CFO) für das Mobile Communications Business, nicht verkneifen, gegen die Konkurrenz zu keilen. Die Streitigkeiten rund um Android würden Probleme und Kosten verursachen. Steigende Lizenzgebühren würden zudem dafür sorgen, dass es mit der Kostenlos-Kultur rund um die konkurrierende mobile Plattform Android schnell vorbei sein werde.

Das könne nun aber nicht im Interesse Oracles sein, meint IDC-Experte Spies. Damit wäre auch die Position Javas als Plattform im lukrativen mobilen Geschäft gefährdet. Wenn Oracle die Android-Welle ersticke, schade sich der Konzern am Ende selbst. "Es ist eine Gratwanderung." Darüber hinaus müsse Oracle auch aufpassen, sich nicht selbst ein Bein zu stellen, wenn der Konzern allzu eifrig prozessiere. Alle Softwareprodukte außer der Datenbank hingen im Grunde mehr oder weniger stark an Java. "Wenn sich die Entwicklergemeinde von Java abwendet, dann hat Oracle ein massives Problem."

Erste Anzeichen dafür sind schon spürbar. Oracles neue Java-Politik hinterlasse im Markt bereits Spuren, verlautet aus den Reihen der Community. Java-Entwickler berichteten vermehrt über Projekte, in deren Rahmen der Einsatz von Java sinnvoll gewesen wäre, dieser aber aus verschiedenen Gründen gescheitert sei und sich die jeweils Verantwortlichen für andere Techniken entschieden hätten, heißt es beim Dachverband iJUG.

Stimmen zum Streit um Java

Vishal Sikka, Chief Technology Officer (CTO) bei SAP: "Java ist größer als Sun und auch größer als Oracle. Wir alle sind die Zukunft von Java. Das Java-Ökosystem braucht offene Lösungen."

Foto: IDC

IDC-Analyst Rüdiger Spies: "Alle Softwareprodukte Oracles außer der Datenbank hängen im Grunde mehr oder weniger stark an Java. Wenn sich die Entwicklergemeinde von Java abwendet, dann hat Oracle ein massives Problem."

Fried Saacke, Vorstandsvorsitzender des Interessensverbunds der Java User Groups (iJUG): "Es besteht große Unsicherheit hinsichtlich der Frage, wie Oracle mit Java Geld verdienen will. Außerdem ist noch unklar, welche Rolle die Community künftig spielen wird."

Thomas Kurian, Executive Vice President für die Produktentwicklung bei Oracle: "Man sollte nicht unsere Fähigkeiten unterschätzen, eine neue Java-Plattform auf die Beine zu stellen."

Java-Erfinder James Gosling: "Bei Oracle geht es immer nur ums Geld. Das ist die einzige Metrik, die sie verstehen."