Community fragt Oracle

Ist Java noch zu retten?

23.01.2011
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Oracle will Java weiterentwickeln

Die Botschaft der Oracle-Verantwortlichen, die Java-Technik weiterentwickeln zu wollen, dürfte daran wenig ändern. Thomas Kurian, als Executive Vice President verantwortlich für die Produktentwicklung bei Oracle, präsentierte auf der Java-One-Konferenz, die parallel zur Open World stattfand, eine Roadmap für die weitere Java-Entwicklung. Demnach will der Konzern die Produktivität für die Entwickler verbessern, die Java Virtual Machine stärker modularisieren sowie die Sprachunterstützung ausbauen. Darüber hinaus soll die Integration von Javascript und HTML5 vorangetrieben werden.

Nachdem sich die kommenden Versionen des Java Developer Kits (JDK) unter anderem wegen der Übernahme von Sun Microsystems verzögert hatten, stellte Kurian nun einen neuen Zeitplan vor. Danach soll im kommenden Jahr Version 7 des JDK erscheinen. Allerdings könnten einige Funktionen nicht rechtzeitig fertiggestellt werden, schränkte der Oracle-Manager ein. Diese würden dann mit Release 8 im Jahr 2012 nachgereicht. Der Konzern versichert, am bestehenden Lizenzmodell nichts verändern zu wollen. JDK werde auch in Zukunft unter der GPL v2 erscheinen und kostenlos für die Entwicklergemeinde verfügbar sein.

Auch wenn Kurian damit einer der zentralen Forderungen der Community nach einer Roadmap nachkam, sind die Fronten weitgehend verhärtet. Beobachtern zufolge hat Oracle Java noch nicht in den Kreis der Konzernfamilie aufgenommen. Firmenchef Lawrence Ellison, der ursprünglich auch auf der Java One erwartet wurde, glänzte mit Abwesenheit, und die großzügig für die Oracle-Manager reservierten Plätze blieben während der Keynote Kurians weitgehend leer, berichtet iJUG-Pressesprecher Wolfgang Taschner. "Die Java-Community fühlte sich nicht richtig ernst genommen", ergänzt der iJUG-Vorstandsvorsitzende Saacke.

Vishal Sikka, Chief Technology Officer beim Oracle-Konkurrenten SAP, äußerte sich dagegen grundsätzlich zufrieden über die Ankündigung Kurians, Java mit neuen Techniken auszubauen. Speziell eine verbesserte Unterstützung von dynamischen Programmierumgebungen sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. "Wir begrüßen diese Investitionen in die Java-Plattform", schrieb der SAP-Manager in seinem Blog. Allerdings, so schränkte Sikka ein, gebe es auch eine Reihe von Entwicklungen, die als bedenklich einzustufen seien. So habe Kurian in seiner Keynote auf der Oracle-Konferenz abwertend über proprietäre Frameworks von Drittanbietern gesprochen. Der SAP-Manager warnte deshalb den Konkurrenten, weit verbreitete Frameworks wie "Spring" als irrelevant einzustufen. Darüber hinaus spreche Kurian im Rahmen der Entwicklung von JavaFX-Applikationen nur von dem Tool NetBeans, habe aber Eclipse mit keinem Wort erwähnt. "Wir hoffen, dass Oracle künftig die Eclipse-Entwickler in gleicher Weise unterstützt."

Vishal Sikka, CTO von SAP: "Das Java-Ökosystem braucht offene Lösungen. Wir alle sind die Zukunft von Java."
Vishal Sikka, CTO von SAP: "Das Java-Ökosystem braucht offene Lösungen. Wir alle sind die Zukunft von Java."

"Das Java-Ökosystem braucht offene Lösungen", fordert Sikka. Java müsse ein offener Standard werden. Um dies zu gewährleisten, sei es der beste Weg, den Java Community Process (JCP) zu einer offenen und unabhängigen Organisation zu machen. "Java ist größer als Sun und auch größer als Oracle", sagt der SAP-Manager. "Wir alle sind die Zukunft von Java."

Die Forderungen des SAP-Managers machen deutlich, dass die Plattform für viele Branchengrößen eine zentrale Rolle spielt. Im vergangenen Herbst bezeichnete Sikka den Schritt, Java in die Kernprodukte von SAP zu integrieren, als eine wichtige Entscheidung. Damit sei Java zu einem essenziellen Bestandteil der Netweaver-Plattform geworden. Auch für andere Hersteller wie Tibco, Red Hat, die Software AG und vor allem IBM bildet Java ein entscheidendes Element in der Produktentwicklung.

Aus Sicht des IDC-Experten Spies hat IBM derzeit die beste Position. Der Konzern verfüge über eine Zehn-Jahres-Lizenz für Java. Außerdem dürfe man davon ausgehen, dass sich der Patentexperte IBM seine Position im Java-Umfeld gesichert hat. "Wenn jemand weiß, wie man im IT-Markt mit Patenten hantieren muss, dann ist das IBM." Zu den aktuellen Entwicklungen sowie dem eigenen Java-Einsatz wollten die IBM-Verantwortlichen allerdings nicht Stellung beziehen. "Wir äußern uns grundsätzlich nicht zu Wettbewerbern", lässt der weltweit zweitgrößte IT-Konzern lapidar verlauten.

Verteilungskämpfe um Mobile

Der Streit zwischen Oracle und Google macht auch deutlich, mit welcher Vehemenz derzeit die Verteilungskämpfe um den Zukunftsmarkt der mobilen Systeme toben. Patentklagen scheinen dabei ein probates Mittel zu sein, sich ein möglichst großes Stück vom Kuchen zu sichern:

  • Oracle wirft Google vor, mit dem Smartphone-Betriebssystem Android Java-Patente zu verletzen. Die Folgen des Streits sind derzeit noch nicht absehbar.

  • Apple und Nokia liefern sich derzeit eine Schlacht um Smartphone-Patente und haben sich gegenseitig mit einer Reihe von Patentklagen überschüttet. Die Finnen werfen Apple vor, mit iPhone und iPad ihre Patentrechte zu verletzen. Steve Jobs konterte mit einer Gegenklage, wonach Nokia widerrechtlich mehr als zehn Apple-Patente nutze.

  • Apple beschuldigt den Handy- und Smartphone-Hersteller HTC, Ideen geklaut zu haben. Angeblich verstoße HTC gegen 20 Patente, mit denen Bedienung, Konstruktion und Hardware des iPhone geschützt seien. HTC konterte mit einer Gegenklage und forderte ein Einfuhrverbot der in Fernost gefertigten Apple-Geräte in den USA.

  • Research in Motion (RIM) zahlte über 600 Millionen Euro, um einen Streit mit der Patentrechte-Firma NTP rund um die in den Blackberry-Geräten verwendete E-Mail-Übermittlungstechnik aus der Welt zu schaffen.

  • NTP klagt darüber hinaus auch gegen die Smartphone-Hersteller Apple, Google, Microsoft, HTC, LG und Motorola. Angeblich benutzen die Konzerne widerrechtlich eine Technik zur Weiterleitung von E-Mails.

  • RIM einigte sich Mitte dieses Jahres mit Motorola auf eine nicht näher bezifferte Einmalzahlung sowie regelmäßig Lizenzgebühren, um Motorola-Patente nutzen zu dürfen.

  • Die frühere Apple-Tochter Flashpoint Technology hat die wichtigsten Handy-Hersteller verklagt. Nokia, RIM, HTC und LG sollen mit ihren Geräten Patente verletzt haben.