Ist IT-Deutschland konkurrenzfähig?

07.05.2006
Studien stellen Deutschland keine guten Noten aus, wenn es um die Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) geht.

Sehr positiv las sich das nicht, was das World Economic Forum (WEF) Ende März 2006 in seinem gemeinsam mit der Wirtschaftsschule Insead erarbeiteten "Global Information Technology Report 2005/06" über Deutschland zu sagen hatte: Die im Jahr 2005 nach dem Bruttosozialprodukt drittgrößte Industrienation der Welt nach den USA und Japan rutschte im "Networked Readiness Index 2005" (NRI) unter 115 Nationen vom 14. auf den 17. Platz ab. Mit dem Index definieren die Ausrichter der Studie den Grad der Fähigkeit einer Nation, an IKT-Entwicklungen teilzuhaben und von ihnen zu profitieren. Festgestellt wird also, wie wettbewerbsfähig ein Land bezüglich seiner IKT-Nutzung ist.

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Wo Deutschland schwächelt - und stark ist

Nach Einschätzung des WEF hat Deutschland Nachholbedarf bei

• den Investitionen in Bürger/Techniken zur Produktivitätssteigerung;

• den Subventionen in die IKT;

• der vorrangigen Behandlung der IKT durch die Politik.

Hinderlich ist laut WEF auch

• der Regulierungseifer/Bürokratismus,

• die Besteuerungspraktiken und

• die Dauer von Unternehmensgründungen.

Demgegenüber stuft das Marktforschungsinstitut IDC Deutschland herausragend ein in Bezug auf

• die Nutzung des Internet und den Anteil von E-Commerce in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). Das Web optimiere via E-Commerce den ungehinderten Fluss von Kapital, Waren und Dienstleistungen. Und hier ist Deutschland bis auf Taiwan und Singapur weltweit führend.

In seinem Report schreibt das WEF, im internationalen Wettbewerb seien solche Länder am erfolgreichsten, in denen "Regierung, Wirtschaft und die Bürger Mechanismen entwickelt haben, leichter miteinander zu kooperieren und zu kommunizieren und in denen die Betonung auf Erziehung und Ausbildung hohe Priorität genießt". Um solche Entwicklungsprozesse zu verwirklichen, sei es von zentraler Bedeutung, die IKT-Potenziale zu nutzen. Der zukünftige Wohlstand einer Nation hänge immer deutlicher davon ab, wie viel ein Land in seine Bürger und in Techniken zur Produktivitätssteigerung investiere.

Nach Einschätzung des WEF hat Deutschland hier Nachholbedarf. Die Defizite beginnen bei der Regierung: Die amtierenden Politiker in Berlin würden die IKT zu wenig subventionieren. Außerdem räume die schwarz-rote Führungsriege der Branche eine zu geringe Priorität ein.

Die Abwertung Deutschlands im internationalen Ländervergleich hängt jedoch nicht zuletzt mit der Einführung neuer Beurteilungskriterien zusammen. Dazu zählen Bewertungskategorien wie Regulierungseifer, Besteuerungspraktiken oder auch die Dauer von Unternehmensgründungen. Diesbezüglich wird Deutschland seit Jahren von allen Seiten gescholten, nicht zuletzt auch von Investoren.

Das WEF hält es für erwiesen, dass Produktivitätssteigerungen im direkten Zusammenhang mit der Nutzung von IKT stehen. So hätten etwa John Van Reenen und Raffaella Sadun von der London School of Economics zeigen können, dass durch den intelligenten Gebrauch von IT höhere Produktivitätssteigerungen erreicht worden seien. Die beiden bewiesen diese Aussage an Branchen, die IT für ihre Geschäftsmodelle besonders stark nutzen wie etwa der Handel, Großhandel und die Finanzbranche. Gerade hier, so die Forscher weiter, hätten amerikanische Konzerne den Europäern einiges voraus.

Wir haben verstanden

Nun ist es nicht so, dass die schwarz-rote Regierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht wüsste, welche zentrale Rolle die IKT-Branche für Deutschland spielt. In einer offiziellen Erklärung vom 9. März 2006 gab das Bundeskabinett bekannt: Das Bundeswirtschaftsministerium wurde mit der Erarbeitung des Aktionsprogramms "Informationsgesellschaft Deutschland 2010" (kurz iD2010) bis zum Sommer 2006 beauftragt, dessen Umsetzung es zudem koordinieren soll.

Motor für die Konjunktur

Martina Krogmann, Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, hat zudem wenig Verständnis für die Kritik des WEF: "Wir haben sehr wohl die Bedeutung der IKT erkannt. Wer die Rede der Bundeskanzlerin auf der diesjährigen CeBIT gehört hat, müsste dies auch bemerkt haben." Aufgabe einer Regierung könne es aber nur sein, möglichst gute Rahmenbedingungen für die IT-Industrie zu schaffen. Krogmann weiter: "Der Ruf nach Subventionen ist gerade in einer so innovativen Branche völlig unangebracht. Hätten wir Subventionen, hätten wir wohl immer noch Btx statt Internet in Deutschland. Das kann es nicht sein!" Die Signifikanz der IKT für Deutschland zeigen wenige Zahlen: Diese Branche hat 2004 nach Aussagen der Regierung schon 6,8 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt Deutschlands beigetragen. Auf die Bruttowertschöpfung bezogen überholte die IKT-Branche mit 87 Milliarden Euro inzwischen den Maschinen- und den Automobilbau und liegt jetzt auf dem ersten Platz.

Tenor der Bundesregierung: "Dieser Trend wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen, da die IKT-Branche deutlich stärker wächst als die Gesamtwirtschaft und damit Motor für die Konjunktur bleibt." Das IKT-Marktvolumen werde nach rund 134 Milliarden Euro 2005 in diesem Jahr voraussichtlich um 2,4 Prozent auf rund 137 Milliarden Euro wachsen - und damit übrigens stärker zulegen als die Gesamtwirtschaft.

Beim Besuch auf der Website des Aktionsprogramms "Informationsgesellschaft Deutschland 2010" (http:// id2010.de/) stößt man auf die Meldung "Diese Seite ist zur Zeit im Aufbau. ...Besuchen Sie uns bald wieder!" Zwar sollte man deswegen nicht zu beckmesserisch sein. Trotzdem gibt es gravierende Einwände sowohl an der Politik von Merkels Mannschaft wie vor allem an ihrer Vorgängerregierung, was die Förderung der IT-Readiness in Deutschland betrifft.

So monierte der Branchenverband Bitkom jüngst, in deutschen Schulen hätten sich 2003 immerhin 13 Schüler einen einzigen PC teilen müssen. Einmal mehr hatte es Amerika besser: Hier rangelten drei Eleven um einen Platz am Computer. Im Vergleich der großen G7-Wirtschaftsnationen schneidet Deutschland bei der Versorgung mit IT-Ausrüstungen an Schulen am schlechtesten ab. Schon bei den Einstiegsvoraussetzungen zur Ausbildung eines dringend benötigten IT-Nachwuchses hapert es somit hierzulande schon an der schlechten Versorgung mit dem nötigen Handwerkszeug.

Bildung ist Ländersache

Diesen Einwand will die CDU/ CSU-Politikerin Krogmann nicht gelten lassen: "Bildung ist grundsätzlich Ländersache, so dass ich als Bundespolitikerin diese Zahlenverhältnisse nur bedauern kann." Allerdings weist die parlamentarische Geschäftsführerin darauf hin, dass die "pure Anzahl noch nichts über die Qualität der Ausbildung aussagt." Insbesondere die Medienkompetenz müsse mehr im Fokus stehen. Krogmann konzediert allerdings, dass die erfolgreichen Public-Private-Partnership-Projekte, die für die Ausstattung der Schulen von Bedeutung sind, "sicherlich ausbaubar sind".

Das führt zu einem weiteren gravierenden Problem für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands: Wie der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) warnen auch der Bitkom und die Unternehmensberatung McKinsey vor der schon sehr konkreten Gefahr, dass deutschen Unternehmen die IKT-Fachkräfte ausgehen. 30 Prozent der in dem Report "VDE-Innovationsmotor 2006" befragten Unternehmen der Elektro- und Informationstechnik erwarten, dass sie ihren Bedarf an Elektroingenieuren und IT-Experten zukünftig nicht ausreichend decken können. Diese Sorge teilt der Bitkom. Dessen Präsident Willi Berchtold klagte, "jedes dritte Unternehmen hat inzwischen Schwierigkeiten, die richtigen Leute zu finden". Grund für den Expertenmangel sieht Berchtold im Bildungswesen. Der Staat investiere nicht genug, um IKT-Kompetenz aufzubauen. Die geringe Zahl der PCs in deutschen Schulen belege dies. Auch Jens Müller-Oerlinghausen von der Unternehmensberatung McKinsey hatte gegenüber der Presse von "massive Engpässen" gesprochen. Dieses Problem werde Deutschland Wirtschaftsleis-tung kosten, was zur Folge habe, "dass Wachstumschancen verloren gehen."

Innovationshemmnis Bürokratie

Nicht genug damit, beklagt die Mehrzahl der deutschen Unternehmen den Innovationen hemmenden Ordnungs- und Regulierungswahn - und weiß sich in dieser Kritik eins mit dem WEF. Der Umfrage "VDE-Innovationsmotor 2006" zufolge sind 88 Prozent der inländischen Unternehmen der Meinung, Bürokratie und gesetzliche Rahmenbedingungen stellten die größten Innovationshemmnisse dar.

Nicht von ungefähr betonte Bundeskanzlerin Merkel in ihrer CeBIT-Rede, die Bundesregierung werde die Entwicklungsprozesse unter anderem durch moderne rechtliche und technologische Rahmenbedingungen und eine gezielte Förderung von Forschung und marktnahen Entwicklungen beschleunigen.

Assistiert Krogmann: "Es ist keine Frage: Sinnlose Bürokratie stranguliert die Innovation!" Die Bundeskanzlerin spreche aber nicht nur über Innovationen fördernde Ideen, sie handele auch: Das Mittelstandsentlastungsgesetz sei vom Kabinett auf den Weg gebracht worden. Kleinere Unternehmen werden dadurch unter anderem von Statistik- und Buchführungspflichten befreit. Das sei aber noch nicht alles: "Mittelfristig wird es auch endlich spürbare Erleichterungen bei Unternehmensgründungen und -übertragungen geben. Auch das Steuerrecht soll zu Gunsten des Mittelstands vereinfacht werden." Ob das Lippenbekenntnisse sind, bleibt abzuwarten.

Doch nicht alle sehen schwarz für den Standort Deutschland. Das Marktforschungsinstitut IDC kommt in einer sehr ausführlichen Studie zu für Deutschland interessanten Ergebnissen. IDCs seit der Mitte der 90er Jahre erhobener Index misst ähnlich der Untersuchung des WEF, inwieweit Nationen in der Lage sind, die IKT-Potenziale für die Entwicklung zu nutzen.

Es zeigt sich, dass Deutschland gerade in der Handhabe der wichtigsten Technik der heutigen Wissens- und Informationsgesellschaft sehr gut platziert ist. Abgesehen von Variablen wie der Zahl der privaten oder beruflichen Internetsurfer untersucht IDC auch die Bedeutung, die die Nutzung und der Anteil von E-Commerce in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) haben. Die von IDC erforschten Angaben zu den E-Commerce-Ausgaben sagen aus, wie groß der Anteil der wirtschaftlichen Aktivitäten ist, der via Internet, also online erledigt wird.

Und diesbezüglich wird Deutschland nur von zwei Ländern weltweit übertroffen: Taiwan und Singapur. Schon an dritter Stelle folgt Deutschland, das 14,5 Prozent seines BIP über Geschäftstätigkeiten im Internet abwickelt.