Ist Hauptspeicher Mix noch lukrativ?

02.06.1978

Das "Wechsel-den-Speicher-Spiel" - kurz "Mixen" - funktioniert offenbar nicht mehr so wie früher: "Wer kostengünstig Datenverarbeitung betreiben will, der muß sich heute mehr denn je umsehen, denn nicht immer ist der Fremdanbieter der günstigere im Angebot", bedauert Ulrich Nelte, EDV-Leiter bei der Firma MAK Maschinenbau in Kiel. Versteht sich, daß von IBM-lnstallationen die Rede ist und von den unabhängigen Herstellern steckerkompatibler Devices. Sollte die alte Formel "fremd gleich billiger" tatsächlich nicht mehr verwendbar sein? Hier ist zu differenzieren: Wenn es um Peripheriegeräte geht, dann bietet das Angebot der PCM's (Plug Compatible Manufacturers) nach wie vor die Möglichkeit, genau auf den einzelnen (Terminal-)Arbeitsplatz abgestimmte Hardware dazuzukaufen, in kleinen Schritten zu erweitern - so optimal kann das IBM-Original-Equipment gar nicht sein. Anders bei den Hauptspeicher-Inkrementen:

Enorm verbesserte Produktionsverfahren haben zu einem Preisverfall geführt, der es den unabhängigen Speicheranbietern nahezu unmöglich macht, den Mainframer zu unterbieten. Paradebeispiel IBM: Die "neueren" Achter-Zentraleinheiten der Serie 370 (138 und 148) und insbesondere die neuen 30XX-Prozessoren haben ein so gutes Preis-/Leistungsverhältnis, daß Fremdanbieter - so Nelte - "für diese Systeme keine preisgünstigeren Lösungen bieten können". Indes: Noch haben die "Kings of Memories" keine Einbußen zu befürchten. Denn nur die wenigsten 370-Anwender folgen blind dem vom Marktführer vorgezeichneten Wachstumspfad, die meisten bleiben bei ihren gebrauchten Maschinen. Und gerade diese Systeme können mit Fremdspeichern sehr kostengünstig aufgestockt werden, zumal die einzelnen Anbieter über Sonderkonditionen mit sich reden lassen, wie unsere Thema-der-Woche-Befragung ergeben hat.

Lutz Engel, Leiter der Hauptabteilung Datenverarbeitung der G. M. Pfaff AG,

Kaiserslautern

Die Frage, ob der Einsatz von Fremdspeichern and Fremdperipherie bei der heutigen Hardware-Situation gerechtfertigt ist, bedeutet für mich keine Glaubenssache. Das ist im wesentlichen vom Verhandlungsergebnis mit den jeweiligen Anbietern abhängig - wobei der we oder der andere flexibler ist. Auch die Frage, ob man heute durch eine Hauptspeicher-Erweiterung: noch wirtschaftlich arbeiten kann, hängt damit zusammen. Das kann man mit der Gegenfrage "Warum nicht?" beantworten. Denn was versteht man unter ,wirtschaftlich' arbeiten? Wie wollen Sie einen Ausfall bewerten? Das kann man doch gar nicht in Mark und Pfennig ausdrucken. Wenn man einen guten Preis bekommt, dann muß man gewisse Ausfälle halt in Kauf nehmen - wenn man sich das leisten kann Wenn man sich das aber nicht leisten kann - zum Beispiel wegen TP-Anwendungen -, dann hofft man eben, daß die Erweiterung nicht ausfällt. Die Frage nach meinen Erfahrungen mit Mixed-Hardware ist so zu beantworten, daß die Person des Wartungstechnikers beziehungsweise seine Erfahrungen und ne Kunstfertigkeit hier ganz wesentlich die Zuverlässigkeit der Mixed-Hardware beeinflussen. Das ist natürlich regional verschieden. Wir mixen, wenn es uns wirtschaftlich erscheint, wenn wir einen günstigen Preisangeboten bekommen und wenn wir nicht hundertprozentig auf die Mixed-Hardware angewiesen sind. Meiner Meinung nach besteht die Hardware heute vielfach aus Komponenten, die letzten Endes doch aus der gleichen Küche kommen. Wir haben eine IBM 370/145, an die Fremdperipherie angeschlossen ist, beispielsweise Plattenspeicher. Wir werden jetzt auch Hauptspeicher-Fremdperipherie (von Control Data) anschließen.

Ulrich Nelte, Leiter der EDV MAK Maschinenbau

Alles, was sich vertraglich regeln läßt, kann Vorteile bringen - es kommt auf den Anwender an. Man kann nie generell sagen, daß die Angebote eines Fremdspeicher-Anbieters - speziell im Bereich der Hauptspeicher - günstiger sind als die des Marktführers. Wir selbst haben kürzlich unsere 138 mit Hauptspeicher der IBM erweitert, weil Fremdanbieter uns für dieses System keine preisgünstigere Lösung bieten konnten.

Auf der anderen Seite wurde unsere bereits mit Intel-Hauptspeicher erweiterte 145 nochmals durch diesen Anbieter aufgestockt, weil dies günstiger war, als ein Abbau des gesamten Fremdspeichers und ein erneutes Aufstocken durch IBM. Gerade für die "älteren" IBM-Modelle ist der Marktführer meiner Meinung nach gar nicht so sehr daran interessiert, hier modernere Technologie zu günstigeren Preisen anzubieten. Speziell auf diesem Sektor bleibt für Fremdspeicher-Anbieter ein großes Betätigungsfeld, denn der Gebrauchtmaschinen-Markt ist nicht unwichtig. Viele Firmen bleiben bei einer gebrauchten 158, obwohl sie - vom Mietpreis her gesehen - dafür auch eine 3031 installieren könnten. Der Grund hierfür ist, daß diese gebrauchten 158-Systeme - weiter abgeschrieben - zu einem viel günstigeren Preis zu haben sind.

Gerade diese Rechner können mit Fremdspeichern sehr kostengünstig aufgestockt werden. Bei den neueren Systemen ist IBM jedoch kräftig in den Markt hineingedrungen und bietet hier sehr günstig Speichererweiterungen an. Ob andere Anbieter sich nun auch darauf einstellen, ist eine Frage der Zeit. Reagiert hat der Markt bis heute noch Immer.

So krasse Preisunterschiede, wie wir sie von früher in diesem Bereich gewöhnt waren, gibt es sicherlich in Zukunft nicht mehr.

Auch bei Platten und Bändern hat sich die Konkurrenz sehr schnell auf die veränderte Preissituation beim Marktführer eingestellt, wie etwa das Memorex/Telex-Gespann mit der 300 Mio-Byte-Platte. Hier gibt PS nach wie vor recht interessante Preisvorteile.

Will man kostengünstig Datenverarbeitung betreiben, muß man sich heute mehr denn je umsehen, denn nicht immer ist der Fremdanbieter der günstigere im Angebot.

Dipl.-Ing. Dieter Weber, Leiter des Landesrechenzentrums Rheinland-Pfalz, Mainz

Das gesamte Ausgabenvolumen unseres Rechenzentrums soll bei Abschluß der Budget-Zahlen für das Jahr 1978 etwas unter dem des Vorjahres liegen, obwohl die anstehenden Aufgaben nicht stagnieren, sondern - im Gegenteil - einen erheblichen Mehraufwand erfordern werden Neben anderen Faktoren soll vor allem auch durch den Einsatz von Mixed-Hardware ein verbessertes Preis-/Leistungsverhältnis erreicht werden: Der Aufwand für Hard- und Softwaremieten soll so auf einen Anteil von 65 Prozent reduziert werden. Unsere Planungen, eine bevorstehende Hauptspeichererweiterung durch einen "Fremd"-Anbieter vornehmen zu lassen, haben wir allerdings nicht realisiert, sondern uns entschlossen, doch beim Hauptlieferanten unserer Hardware - IBM - zu bleiben, wenn auch mit einem weinenden und einem Lachenden Auge. In unserem Fall ist eine Gewährleistung der Wartung zu wichtig als daß wir ein auch nur geringes Risiko auf uns nehmen könnten.

Generell gesehen ist die Chance der Fremdspeicher-Anbieter auf dem Markt schlechter denn je. Bei den heutigen Hardware-Preisen ist eine Kosteneinsparung durch Fremdspeicher-Einsatz bei weitem nicht mehr so gravierend wie das früher - vor dem Hardware-Preisverfall - einmal war. Um hier wieder interessant zu werden, müßten diese Anbieter mit ihren Preisen noch weiter heruntergehen, und dann ist meiner Meinung nach ein flächendeckendes Service-Netz aus Kostengründen nicht mehr zu halten.

Im Bereich der peripheren Speichermedien sollte meines Erachtens auch weiterhin gemixt werden, hier sind die Schnittstellen klar definiert. Wir selbst haben unsere vier BASF-Laufwerke 200 Mio-Platten auf 12 Laufwerke erweitert und sind damit sehr zufrieden.