Ist die Ausgliederung des RZ sinnvoll?

17.06.1977

Immer wieder fragen sich Unternehmen, die eine größere DV-Anlage installiert haben, ob sie ihren EDV-Bereich ausgliedern sollen, um ihn in die Lage zu versetzen, durch das Angebot von RZ-Dienstleistungen auf dem Markt ein Zusatzgeschäft zu realisieren. Die NINO AG, ein dreistufiges Textilunternehmen in Nordhorn, entschied diese Frage im Jahre 1971 positiv. Installiert war damals eine IBM /360-50 mit 384 KB, eine /370-155 mit 512 KB war als Nachfolgesystem bestellt.

Neben der erstrebten Verteilung der Fixkosten auf mehrere Schultern war ein weiteres, nicht unwesentliches Motiv für diese Entscheidung die Idee einer engeren EDV-Kooperation, auch auf dem Gebiet der Systementwicklung, mit anderen Firmen der eigenen und verwandten Branchen. Die Voraussetzungen dafür waren insofern günstig, als NINO ihren Sitz in einem Raum mit relativ zahlreichen Textil- und Bekleidungsunternehmen hat und damals in einem weiteren Umkreis kein Computer vergleichbarer Leistungsfähig installiert war. Schließlich spielte noch der nicht weiter konkretisierte Gedanke der Diversifikation eine Rolle.

Das RZ und die systemschaffenden Abteilungen wurden in eine neugegründete GmbH (damals Interdat, später EUREGIO-DV) eingebracht, deren Geschäftsführung von dem Leiter des Finanzressorts und dem auch bis dahin schon für die EDV zuständigen Leiter des Innerbetrieblichen Rechnungswesens der Mutter in Personalunion übernommen wurde. Anfang 1974 wurde die Leitung des Service-Unternehmens dem Verfasser übertragen, der als Externer zur NINO-Gruppe kam. Zwar wurde die Bindung an das Innerbetriebliche Rechnungswesen nun gelöst, aber die Vereinigung der Leitung des Service-Unternehmens mit der Verantwortung für die EDV-Belange der Mutter in einer Person blieb bestehen.

Ein Ende 1976 angestellter Rückblick auf das in fünf Jahren Erreichte - es wurde inzwischen die /370-155 mit 1 MB betrieben - ergab folgende Bilanz: In der Akquisition waren drei Mitarbeiter in einem Einzugsbereich von etwa 200 km, einschließlich Ostholland, tätig. Mit knapp 200 Kunden wurde ein externer Jahresumsatz von mehr als 2,5 Mio. DM erzielt (davon 46% mit Unternehmen der Textil- und Bekleidungsindustrie), der sich auf die einzelnen Geschäftszweige wie folgt verteilte:

Standardanwendungen 25%

kundenindividuelle

RZ-Leistungen 63%

davon Onsite-batch 40%

Remote-batch 10%

Belegleser-Service 13%

andere als RZ-Leistungen 12%

Das externe Geschäft machte damit etwa ein Drittel der Gesamtleistungen der GmbH aus, während zwei Drittel auf die Firmen der NINO-Gruppe entfielen. Das Wachstum war stetig, und das Geschäft erbrachte einen befriedigenden Nutzen.

Trotzdem handelte die Unternehmensleitung richtig, die fünf Jahre vorher als vernünftig erschienene Entscheidung in Frage zu stellen. Hierbei zeigte es sich, daß von den Zielen, die den Initiatoren des selbständigen Service-RZ vorgeschwebt hatten, nur ein einziges erreicht worden war: Es war gelungen, die Möglichkeiten eines großen Computers unter Ausnutzung seines Standorts auch anderen Firmen zugute kommen zu lassen und auf diese Weise einen zusätzlichen Nutzen zu erzielen.

Es gab aber auch eine kaum zu übersehende negative Nebenwirkung. Die Mitarbeiter, und unter ihnen besonders das Management, waren mehr und mehr von den vielfältigen Problemen und wechselnden Aufgabenstellungen des externen Geschäfts absorbiert. Eine Vernachlässigung der EDV-Bedürfnisse der NINO-Gruppe mußte die Konsequenz sein. Um diese Situation zu ändern, wurden in Anbetracht des Nutzens aus dem externen Geschäft, den wir nicht aufgeben wollten, folgende Entscheidungen getroffen:

- Stärkere Ausrichtung der Vertriebspolitik auf die Pflege des vorhandenen Kundenstamms.

- Insbesondere Zurückhaltung bei den Standardanwendungen, bei denen sich mit der linken Hand der Wettbewerb mit darauf spezialisierten RZ's nicht bestehen läßt; Rückgabe der in Lizenz durchgeführten Taubenwettflugabrechnung an den Lizenzgeber.

- Aufgabe der rechtlichen Selbständigkeit des EDV-Bereichs, die jährlich einige hunderttausend Mark an Kosten verursachte und nach dem erfolgreichen Start nicht mehr erforderlich erschien.

Zu bewältigen waren dabei zwei psychologische Probleme: Wir mußten unsere Kunden davon überzeugen, daß wir entgegen anderslautenden Gerüchten, an deren Verbreitung nicht wenige interessiert waren, unseren Service in unveränderter Qualität weiterführen würden. Das haben wir inzwischen durch die Tat beweisen können.

Es scheint mir erlaubt, aus dem Vorgang folgendes Fazit zu ziehen:

- Trotz der Verschiebungen auf dem Hardwaremarkt ist es für ein großes RZ auch heute noch sinnvoll, die RZ-Leistungen auch Externen anzubieten, um so eine Verteilung der Fixkosten auf mehrere Beteiligte zu erreichen.

- Wer diesen Schritt gehen will und zu diesem Zweck eine eigene Rechtsform für das RZ schafft, sollte unter allen Umständen auch konsequent genug sein, die Leitung dieses Service-Unternehmens ganz in die Hände eines unabhängigen Geschäftsführers zu legen. Dieser sollte nicht gleichzeitig der EDV-Verantwortliche der Konzernmutter sein, vielmehr dessen Gesprächspartner. Wer dazu nicht bereit ist, sollte sich in seinen Bemühungen um eine Teilung der Fixkosten besser auf Gelegenheitsgeschäfte beschränken.

* Dr. Hans D. Heller, 50, war Geschäftsführer der EUREGIO-DV GmbH und ist seit dem 1. 4. 1977 Leiter der Hauptabteilung Ablauforganisation und Datenverarbeitung der NINO AG, Nordhorn.