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Israelische Start-ups auf Kundensuche in Deutschland

22.03.2013
Wer an Israel denkt, hat häufig die Auseinandersetzungen im Nahost-Konflikt vor Augen. Doch das Land hat auch andere Seiten.

Bedeutende technische Entwicklungen stammen aus Israel. Ein Israeli ließ sich den USB-Stick einfallen, weil sein Rechner abgestürzt war und wichtige Daten in dem kaputten Gerät gefangen waren. Beim Chip-Riesen Intel stammt die Architektur vieler Prozessoren aus dem israelischen Entwicklungszentrum. Das setzt sich auch im Internet-Zeitalter fort: Das Land hat eine lebhafte Szene junger Start-ups, die auch in Deutschland um Kunden werben.

Israel preist sich gern als das Land mit der höchsten Dichte an Start-ups weltweit - mehr als 4000 sind es insgesamt. Tel Aviv ist einer Studie des spanischen Telefonriesen Telefónica zufolge nach dem Silicon Valley in den USA der zweitbeste Standort für die jungen Internetunternehmen. Exzellent ausgebildete Studienabgänger sind vorhanden, und die Finanzindustrie schleust viel Wagniskapital nach Israel. Aber den Unternehmen fehlt es im Land selbst an Kunden, denn Israel ist klein.

An einem Start-up-Abend in Berlin, mit Unterstützung der Botschaft organisiert, stehen fünf junge Firmengründer Rede und Antwort. Keiner von ihnen braucht länger als zwei Minuten, um die Kernidee seines Unternehmens vorzustellen. Man hat den Eindruck, dass es sich bei ihnen schon um Routiniers der Branche handelt.

Und sie sind talentierte Verkäufer. Zohar Dayan von Wibbitz weckt schon mit seinem 2-Minuten-Vortrag lebhaftes Interesse. Was er anbietet, klingt faszinierend: Aus Text auf einer Webseite mache seine Software in zehn bis fünfzehn Sekunden ein Video - passend zum Text. Auf seinem Tablet-Computer zeigt er eine Demo - im Alltagsgebrauch könnte das Tool Webseiten voller Buchstaben ohne großen Aufwand auflockern. Dazu nutzt das Programm natürliche Sprachmuster.

Ron Petreanu von Tok will die Diskussionskultur im Netz aus dem Buchstaben-Dickicht der scheinbar endlos langen Kommentarspalten holen. Dazu werden Beiträge durch die Nutzer bewertet und prominenter platziert. Die Nutzer selbst werden in einer Art Bogen über den Gesprächsinhalten angezeigt. "Wir sind erst zwei Monate alt", sagt Petreanu. Dennoch hat er schon konkrete Vorstellungen davon, wie er Geld verdienen will, zum Beispiel mit Lizenzen auf die Technologie oder Umsatzbeteiligungen.

Finanzierung und Technik seien bei den jungen Unternehmen Israels nicht die drängenden Probleme, sagt Investor Uri Adoni. "Wir brauchen Leute mit Ideen". Ron Petreanu von Tok hat ihn wohl von seiner Idee überzeugt. Beim ersten Gespräch hat er Adoni die Frage gestellt: "Warum gibt es keine Plattform, auf der Israelis mit Palästinensern diskutieren?" Das habe gewirkt, meint er.

Adoni will mit seiner Firma JVP frühzeitig in junge Unternehmen einsteigen. Ziel ist, sie zu einem möglichst teuren "Exit" zu führen - dem Verkauf an einen größeren Technologie-Konzern. Das geht auch oft schief. Aber Israelis sähen das Scheitern auch nicht unbedingt als Makel, sagt Adoni.

Während alle Welt auf Apps setzt, geht das Start-up Zuznow einen etwas anderen Weg. Das Unternehmen bietet Firmen einen an jedes Mobilgerät automatisch angepassten Webauftritt in mobilen Internetbrowsern an. Racheli Levkovich ist sich bewusst, dass sie mit den beliebten Apps konkurriert. "Aber Links öffnen sich auch im Telefon eben im Browser", sagt die junge Frau, die unter anderem in Darmstadt studiert hat. Und: "App-Entwicklung ist für Unternehmen deutlich teurer als unsere Lösung."

Israel ist in diesem Jahr Partnerland des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ). Auf dem "Digital Innovators' Summit", einer Fachkonferenz für die Veröffentlichung in digitalen Medien, die der VDZ mitveranstaltet, konnten die jungen Gründer daher auch schon ihre Ideen vorstellen. Die Start-ups aus Israel haben gerade auch für die Webauftritte der Verleger etwas im Köcher: ClarityRay verspricht ein Gegenmittel gegen Werbeblocker, Outbrain will die Nutzer länger auf Webseiten halten.

Die Kundensuche im großen deutschen Markt macht für die Investoren Sinn. "Der israelische Markt ist begrenzt", sagt Adoni. Israel allein ist zu klein, um der großen Menge an Start-ups genug Nachfrage zu bieten. Deutschland mit seiner auch in der Finanzkrise robusten Wirtschaft passt da ins Konzept. Ron Petreanu fühlt sich mit seinem israelischen Unternehmen in Deutschland auch sehr willkommen. In Deutschland gebe es gerade auch wegen der geschichtlichen Zusammenhänge ein Bedürfnis nach gehaltvollen Gesprächen und Diskussionen. Dazu wolle er mit seinem Unternehmen beitragen.

Botschafter Yakov Hadas-Handelsman hebt die Innovationskraft der israelischen Unternehmen hervor. Israelis seien stark im Improvisieren und flexibel. Organisiertes Arbeiten hingegen liege ihnen nicht so, fügt er mit einem Augenzwinkern an. "Israel ist eigentlich auch wie ein Start-up", holt Geschäftsmann Adoni etwas weiter aus. "Man kann das Produkt zwar noch besser machen - aber irgendwie liegt uns das Improvisieren in den Genen." (dpa/tc)