Erste Etappe zur Zertifizierung geschafft

ISO macht Sun zum Wächter über Java

21.11.1997

Nachdem sich in der ersten Abstimmungsrunde noch eine Mehrheit gegen den Antrag von Sun ausgesprochen hatte, fand er nun im zweiten Anlauf die überwältigende Zustimmung der ISO-Länderkomitees. Zwanzig Mitglieder stimmten mit "ja", jeweils zwei votierten mit "nein" beziehungsweise enthielten sich der Stimme. Die klare Mehrheit für Sun kam schließlich doch überraschend, weil das US-Gremium als eines der ersten ablehnend entschieden hatte (siehe CW Nr. 45 vom 7. November 1997, Seite 4). Beobachter gingen davon aus, daß die anderen nationalen Komitees dem Land mit der stärksten IT-Industrie folgen würden. Mit "nein" votierte allerdings nur noch China, Italien und die Schweiz enthielten sich der Stimme.

Der Weg zu einem ISO-Standard für Java ist trotzdem noch weit und könnte einige Stolpersteine aufweisen. Als nächsten Schritt wird Sun die Spezifikation für die Programmiersprache, die Java Virtual Machine und sämtliche APIs zur Abstimmung einreichen. Dann steht dem Workstation-Hersteller die gleiche Prozedur bevor, die für die Erreichung des PAS-Status nötig war. Die internationale Abstimmungsrunde ist außerdem künftig für die Annahme eines jeden Vorschlags fällig, den Sun zur Weiterentwicklung von Java einreicht.

Viele Komitees stimmten dem Sun-Vorschlag im zweiten Anlauf zu, obwohl die Java-Company auf die Einwände nicht einging, die in der ersten Runde erhoben wurden. Allen voran richteten sich diese gegen die Forderung Suns, die Kontrolle über die Java-Trademark und Logos behalten zu dürfen. Dies hat zur Folge, daß Hersteller ihre Produkte weder als "Java" noch als mit "Java kompatibel" bezeichnen dürfen, auch wenn sie voll mit einem künftigen ISO-Standard übereinstimmen. Dafür erforderlich ist die Zustimmung von Sun - und die gibt es nur, wenn Anwendungen oder Java-Implementierungen sämtliche Kompatibilitätstests bestehen.

Trotz dieser priviligierten Stellung sehen Beobachter Suns Kontrolle über Java durch den ISO-Prozeß schwinden. Angesichts des massiven Engagements von Microsoft und Intel im amerikanischen ISO-Komitee ist durchaus absehbar, daß die beiden Neulinge ihren Einfluß auf das Gremium ausweiten und die Weiterentwicklung des Java-Standards blockieren können. Gleichzeitig steigt die Abhängigkeit vom engsten Java-Verbündeten IBM, der in fast allen Ländergremien stark vertreten ist. Donatus Schmid, Country Manager Sun Österreich, schließt daher nicht aus, daß Sun bei der Fortentwicklung von Java eigene Wege geht, wenn sich bei wichtigen technologischen Änderungen keine ISO-Mehrheit findet.

Die Tatsache, daß die meisten Ja-Stimmen aus den europäischen Ländern kamen, veranlaßte Analysten zur Interpretation, diese wollten sich der Abhängigkeit von einem amerikanischen Konzern - Microsoft - entziehen. Zwar handelt es sich auch bei Sun um eine US-Firma, aber die Europäer versprechen sich vom ISO-Standard, daß er Java vor der Willkür eines einzigen Herstellers schützt.