Chemiekonzern setzt auf Connectivity-Produkte von NCP

ISDN ueberbrueckt die Grenzen zwischen TK-Anlage und DV-Netz

05.03.1993

Integration lautet das Stichwort in der Connectivity-Welt fuer das Szenario der Zukunft. Aus der Vision eines integrierten Kommunikationsnetzes leiten heute viele Entwicklungsabteilungen der Grossunternehmen ihre Zielvorstellungen ab. Gemeint ist dabei in aller Regel ein einheitliches Netz fuer die Uebertragung von Sprache, Daten und Bild. Dies bringt jedoch andererseits die Grenzen zwischen den verschiedenen Verkabelungswelten herkoemmlicher WANs und LANs ins Wanken und fuehrt sie letztlich ad absurdum. Konsequenz dieser Fiktion: Kommunikation durch einheitliches Netzwerk-Management, Software und Benutzeroberflaechen - und dies alles bei gleichzeitig niedrigeren Leitungskosten.

Grenzueberschreitungen zwischen den jeweiligen Welten erfordern jedoch meist Pioniergeist und das Verlassen ausgetrampelter Pfade. Vision und Wirklichkeit stellen dabei oft auf den ersten Blick unueberbrueckbare Gegensaetze dar. Mit ISDN kommt aber die Integration einen ersten grossen Schritt voran. Ein flaechendeckendes, einheitliches Waehlnetz mit einer Uebertragungsrate von 64 Kbit/s laesst manchen Entscheidungstraeger in den DV-Abteilungen ueber sich daraus ergebende Rationalisierungschancen nachdenken. Das Ersetzen von teuren Standleitungen im Fernbereich durch ISDN-Waehlverbindungen ist nur ein Beispiel dafuer.

Fest steht, dass ISDN inzwischen ein wesentlicher Baustein auf dem Weg zur Integration ist. Vor allem bietet es Moeglichkeiten bei der Kopplung von TK- und DV-Anlagen. So kann heute die PC-Host- Kommunikation ueber die Verkabelung der TK-Anlage bewerkstelligt werden - ein erster Schritt in Richtung eines einheitlichen Leitungsnetzes. Ein Anbieter, der sich die PC-Host-Kommunikation ueber TK-Anlagen und ISDN gross auf die Fahnen geschrieben hat, ist die Nuernberger NCP engineering GmbH. Produkte der Franken - Multiboards in Gateway-PCs verschiedener LANs sowie eine Reihe von Steuereinheiten - sind bei der Huels AG in Marl seit drei Jahren erfolgreich im Einsatz. So war es im Prinzip ein logischer Schritt, auch im Rahmen des Projektes "TK-Anlage" auf die Nuernberger Connectivity-Spezialisten zurueckzugreifen.

Mit rund 40 000 Mitarbeitern, davon allein 15 000 am Hauptstandort Marl, gehoert die Huels AG zu den groessten Chemieunternehmen des Ruhrgebietes. Die Firmenzentrale in Marl beherbergt nicht nur wichtige Bereiche der chemischen Produktion, sondern auch die DV-Zentrale mit einem IBM-Host 3090, an den ein weitverzweigtes Netz von Niederlassungen und Tochterunternehmen im In- und Ausland angebunden ist.

Ziel des Projektes "TK-Anlage" war es, eine Kopplung der IT- und Kommunikationsnetze zu realisieren. Ausgehend von der Installation einer Siemens-Hicom-300-Anlage loteten dabei die IT-Planer des Chemiekonzerns bereichsuebergreifende Einsatzmoeglichkeiten fuer ISDN aus. Einer der Vorteile, den man sich dabei versprach, war der Zugriff auf den Zentralrechner ueber die bestehende Infrastruktur der Telefonverkabelung - also durch den Datentransport auf bereits vorhandenen Leitungen, die bisher lediglich zur Voice-Uebertragung genutzt wurden. Da in diesem Zusammenhang keine zusaetzliche Verkabelungsarbeit anfiel, war die wesentlich kuerzere Installationsdauer ein weiterer Vorteil, vor allem an Orten, wo eine IBM-Steuereinheit nicht in unmittelbar erreichbarer Naehe steht. Ein zusaetzlicher Nutzenaspekt, der sich durch ISDN ergab, war die bessere Performance.

Bei der Installation der Huels AG (vgl. die Abbildung) sorgt eine mit vier So-Anschluessen bestueckte Steuereinheit "NCP 7174" fuer die Anbindung der Terminals und PCs via ISDN an den Host. Da es sich dabei um Waehlverbindungen handelt, koennen mit diesen acht B- Kanaelen wesentlich mehr als acht Teilnehmer bedient werden. Dies zumindest, solange die einzelnen Sessions kurz sind und nicht alle gleichzeitig den Host-Zugriff benoetigen (Pooling-Effekt). Die einzelnen Endgeraete sind mit einer Upo-Karte von Siemens bestueckt und haben dadurch ohne Einsatz eines weiteren Adapters direkten Zugriff auf Teilnehmerleitungen der Hicom-300-Anlage.

Ein Grossteil der rund 7000 Nebenstellen, die auf dem Gelaende der Huels AG ueber die TK-Anlage betrieben werden, soll in Zukunft Zug um Zug nach Bedarf auf der vorhandenen Verkabelung digital ausgeruestet werden.

Die Weiterentwicklung von ISDN im Nebenstellenbereich wird bei dem Chemiekonzern als Infrastrukturmassnahme eingestuft, die nicht als Ersatz, sondern als Ergaenzung der bestehenden Anschlussmoeglichkeiten an den Grossrechner zu sehen ist. Unter Kosten-Nutzen-Erwaegungen ist dabei die jeweils wirtschaftlichste Verbindungsform zu waehlen.

Die bisher installierten Endgeraete befinden sich zum Teil noch im Teststadium, in machen Faellen bereits in der konkreten Anwendung. Gerd Lovis von der Hauptabteilung System-Management/Netzbetrieb im Zentralbereich Informationssysteme der Huels AG zieht eine erste Bilanz: "Unsere bisherigen Erfahrungen, die wir mit der PC-Host- Kommunikation ueber ISDN im Bereich des TK-Netzes auf unserem Werksgelaende sammelten, sind gut."

Ausdehnung auf das oeffentliche ISDN-Netz

Eine weitere Ausdehnung der Einsatzgebiete, beispielsweise ueber das oeffentliche ISDN-Netz, sind fuer den IT-Manager in Zukunft durchaus denkbar. So zum Beispiel das Remote Operating des Hosts am Wochenende, das bisher noch auf analoger Basis ueber die NCP- Steuereinheit erfolgt. Eine Loesung mittels ISDN wuerde hier in Zukunft eine deutliche Qualitaetsverbesserung ermoeglichen.

Ebenfalls ins Auge gefasst haben die DV-Verantwortlichen der Huels AG mobile Anwendungen fuer ihre Aussendienstmitarbeiter. Aber auch ISDN-Verbindungen als kostenguenstige Backup-Loesung fuer Standleitungen oder LAN-Kopplungen ueber ISDN-faehige Router sind zumindest in der Diskussion. Was bleibt als erstes Fazit? Von der TK-Anlagen-Nebenstelle ueber die Telefonverkabelung mit ISDN zum Host: Bei der Huels AG ist die Integration ueber ISDN schon ein Stueck Realitaet.

*Bernd Jung ist Mitglied der Redaktion Kundenzeitschriften der Forum Verlag Herkert GmbH, Kissing.

Abb: Die mit jeweils vier So-Schnittstellen bestueckte Steuereinheit NCP 7174 sorgt fuer die Anbindung der Endgeraete an den Host via ISDN.