ISDN-Teddy traurig - Teletex tot? - - - Rettet Telex im ISDN - - -

27.09.1991

Von Wolfgang Bartelt und Christian Zillich, Entwicklungs- und Marketing-Leiter der Acotec, Berlin

Können Sie sich noch an den Teddybären in den hübschen, doppelseitigen Vierfarbanzeigen erinnern, mit denen uns die Post unaufdringlich auf den fulminanten Start ihres neuesten und modernsten Kommunikationsnetzes ISDN aufmerksam machen wollte? Der tierische Symbolgehalt verschloß sich zwar manchem, aber etwas blieb doch von der zentralen Werbebotschaft hängen: ISDN - alles über ein Netz.

Jetzt ahnt man, warum der ISDN-Teddy schon damals so traurig in die Kommunikationslandschaft schaute: Die Deutsche Bundespost Telekom will sich von ihrem Textübertragungsdienst Teletex trennen - was auf Grund der Anschlußzahlen nachvollziehbar ist. Aber dies könnte weitreichende Folgen für ISDN haben. Denn im ISDN wird über Teletex der Übergang zu Telex realisiert. Und auf Telex sind in Deutschland immerhin noch über 100 000 Unternehmen angewiesen, wenn sie ihre Geschäftspartner in den ehemaligen Ostblockländern, in der Dritten Welt und in Übersee erreichen wollen.

Ursprünglich sollte Teletex das noch ältere Telex ablösen. Mit neuen Leistungsmerkmalen wie höheren Übertragungsraten, besserer Übertragungsqualität, umfangreicheren Textgestaltungsmöglichkeiten und einer offenen Schnittstelle zum Telex hofften die deutschen Poststrategen weltweit auf den schnellen Durchbruch.

Doch das deutsche Teletex fand international nicht die erhoffte Anerkennung. Der Geschäftswelt blieb nichts anderes übrig, als beim alten Telex zu bleiben, wenn sie ihre weltweite Kundschaft erreichen wollten. Dann eroberten PCs die Welt der Bürokommunikation. Spezifische Endgeräte nur für Texterfassung waren out. Für Teletex schloß sich endgültig das Zeitfenster für den schnellen Markterfolg. Und es begann der Siegeszug eines neuen Textübermittlungssystems, des Fernkopierers, der heute mit bald einer Millionen Anschlüsse an die Spitze der beliebtesten Telematikdienste in Deutschland stürmte - übrigens nach einer Durststrecke von mehr als zehn Jahren.

Immerhin knapp 20 000 kommerzielle Anwender hatten in den Blütezeiten von Teletex 1988 auf diesen Textübertragungsdienst gesetzt. Jeder vierte Teilnehmer ist bis heute wieder abgesprungen. Und die Tendenz der Entwicklung weist ein zunehmendes Gefälle auf.

Doch die Poststrategen sahen Licht am Ende des Tunnels. Denn mit der Jahrhundertinnovation ISDN sollte Schluß sein mit dem isolierten Nebeneinander der verschiedenen Postdienste. Der ISDN-Werbeteddy versprach es treuherzig: Alle sollten im I(ntegrated) S(ervices) D(igital) N(etwork) miteinander kommunizieren können, netzübergreifend und unabhängig vom jeweiligen dienstespezifischen Endgerät.

ISDN als Netzangebot ist heute Realität. Und es stehen ausgereifte Softwarelösungen zur Verfügung, die mit dem PC als multifunktionales Endgerät die Kommunikation zu Fax, Btx-, Teletex- und auch Telex-Teilnehmern weltweit ermöglicht. Vom Büro-PC in München zum Telexanschluß des Geschäftspartners in Togibischu - das ist ISDN (noch). Gerade der Anschluß zur alten Kommunikationsendgerätewelt macht für viele Entscheider in großen Unternehmen ISDN erst wirklich zukunftssicher.

Wenn nun die Telekom ihre Unterstützung für Teletex ersatzlos einstellen würde, wie sähen dann die Folgen aus?

Um Gerüchten vorzubeugen: Das Datex-L, über das Teletex läuft, wird natürlich nicht abgeschaltet. Die Nicht-ISDN-Teletex-Teilnehmer können durchaus noch miteinander kommunizieren. Zumindest in Deutschland. Ob die ausländischen Teletex-Partner noch erreichbar sind, dürfte mehr als fraglich sein. Wohl geschlossen wäre auch der Übergang zum Telex. Was bliebe, wäre die Kommunikation in einer reinen Insellösung, ohne Übergänge ins Ausland und zu anderen Diensten. Übrigens: Für die Aktualisierung des Teilnehmerverzeichnisses inklusive des Auskunftssystems würde sich die Post sicherlich auch nicht mehr zuständig fühlen. Was sind dann noch, so fragt sich der Unternehmer, die Investitionen in die spezifische Teletex-Kommunikationsstruktur wert? Am besten wohl gleich abschreiben.

Die ISDN-Teletex-Teilnehmer könnten weiterhin über Teletex-Prozeduren miteinander in Verbindung treten - was natürlich absolut unattraktiv ist, da die allermeisten ISDN-Teilnehmer als Endgeräte PCs einsetzen und ohne den Umweg Teletex Textdateien über Filetransfer austauschen.

Die Kommunikationsteilnehmer, die dem Postslogan vertrauten und "alles über ein Netz" machen wollten, werden sich getäuscht fühlen. Alles über ein Netz - aber ohne Teletex und Telex. Und schon muß zum ISDN-Endgerät zusätzlich ein weiteres Endgerät für Telex-Verkehr angeschafft werden. Das ist Diensteintegration vom Feinsten.

Betroffen sind aber auch alle, die sich im und für ISDN engagiert haben. Neben den unmittelbar Betroffenen auf der Kundenseite sind es die Hersteller von Hard- und Software-Lösungen, die unter erheblichen Vorleistungen mit ihren multifunktionalen Kommunikationsanwendungen für PCs und Workstations ISDN im Markt erst attraktiv gemacht haben.

Und es betrifft die Entscheider in den Unternehmen, die auf ISDN als zukunftssichere Basis für die alles umfassende integrative Kommunikationsinfrastruktur gesetzt haben oder setzen wollten.

Bevor sich die Bundespost Telekom und das Postministerium endgültig in Sachen Teletex festlegen, sollten alle Konsequenzen sorgfältig abgewogen werden - gerade in Hinsicht auf das bisher geschaffene Vertrauen in das neue moderne "Alles über ein Netz-ISDN".

Niemand wird einem Dienst das Wort reden, der sich offensichtlich nicht durchsetzen konnte und keine Zukunft hat. Aber es muß darauf ankommen, den Schaden so gering wie möglich zu halten. Entzöge sich die Post dauerhaft ihrer Verantwortung für Teletex, gibt es neben unproduktiver Resignation immer noch die Alternative der privaten Initiative.

Ein Konsortium der betroffenen Gruppen könnte in eigener Regie die notwendigen Übergänge neu schaffen und damit das drohende Kommunikationsloch stopfen. Das Wissen für solche Lösungen ist vorhanden, und mit Sicherheit kostengünstiger und ertragreicher als die DBP je anzunehmen wagte.

Innovative Systemhäuser, die schon bisher Telematikanwendungen für PCs und Workstations entwickelt haben, wissen, wie zum Beispiel auch ohne Teletex im ISDN der Übergang zum Telex realisiert werden kann. Entgültig entschieden ist noch nichts. Bei der Telekom wird immerhin intensiv über eigene alternative Lösungen zu einer konstruktiven Schadensbegrenzung nachgedacht. Sicherlich ein positives Signal, aber noch lange kein Grund zur Entwarnung.