ISDN-Stechen

06.11.1987

Konkurrieren und/oder kooperieren ist die Frage im werbewirksamen Schlagabtausch Nixdorf/Siemens. Nadelstiche sind die Tatsachenbehauptungen der Paderborner Nummer eins in Sachen ISDN-Pilotprojekt für den Elektronik-Multi allerdings nicht mehr: Die nur selbsternannte "deutsche Nummer eins" aus München dürfte auch mit den Schmuckfedern der löblichen Initiative "CorNet" so schnell das an Nixdorf verlorene Terrain der Verkaufszahlen nicht zurückerobern können, Ein festes Standbein im Heimatmarkt hat noch nie geschadet; eine "internationale Philosophie", wie sie sich im D-Kanal-Protokoll "CorNet" spiegeln soll, mag als zweiter Schritt für den langen Atem der Münchner sprechen. Für den Spurt auf Platz eins im Mannheimer Pilotprojekt waren sie zu kurzatmig. Den ersten Schritt der Protokollanpassung dem vermeintlich kleineren Konkurrenten zu überlassen, wird niemand als einen Akt der Großzügigkeit fehlinterpretieren.

Um so besser stehen die Chancen für eine künftige Kooperation der bundesdeutschen Hase-und-Igel-Spieler auf internationalem Parkett, sollte denn die Siemens-Einladung an die nationalen und internationalen Endgeräte- und PBX-Hersteller, CorNet zum wenigstens europäischen D-Kanal-Standard - quasi im Teamwork - aufzupolieren, auf breite Resonanz stoßen. Doch Einzelkämpfer, die hart am Ball der Postverwaltung bleiben, haben auch künftig möglicherweise das Leder schneller im Tor, als ein Mannschaftskapitän schauen kann.

"Es war ein heilsamer Schock." Dieser Satz ging kürzlich durch die Medien. Er betraf das Basler Sandoz-Desaster, und ausgesprochen hat ihn Umweltminister Klaus Töpfer, Ein heilsamer Schock könnte auch der Schwarze Montag gewesen sein - für die DV-Branche.

Das Chaos traf die Informationsmanager der Wall Street unvorbereitet. Die Datenmengen nahmen Ausmaße an, wie sie die Kapazitätsplaner erst für die 90er Jahre prognostiziert hatten. Mancher DV-Chef wußte sich nicht anders zu hellen, als seine Backup-Rechner zusätzlich für die normale Verarbeitung einzusetzen. Nur eine gute Portion Glück rettete die Hasardeure.

Dabei kam die Beinahe-Katastrophe nicht wirklich überraschend. Der Dow Jones Industrial Average, Anfang 1985 bei 1200 Punkten, überschritt zwei Jahre später die 2500-Marke.

Wer warnte, der "Bull Market" an der Wall Street sei nichts als ein per Computer aufgeblasener Luftballon, wurde als ängstlicher "Bear" abgetan. Doch das "Program Trading", hatte wegen der wesentlich größeren Tageshöchstvolumina das Risiko erhöht; damit wurden auch die Kursausschläge heftiger.

Der Börsenschock wird sicherlich die Investitionsbereitschaft der Unternehmen senken. Kommt es zusätzlich - als Reaktion auf den Aus-Fall jeglicher Vernunft an der Börse - zu einer neuen Computerfeindlichkeit, wäre dies fatal für die gesamte DV-Industrie.

Sehen wir es positiv. Der Wall Street Crash hat gezeigt, daß es ohne ausgereiste Expertensysteme nicht geht. Logische Strukturen, die beim Unterschreiten vorgegebener Grenzwerte Kettenreaktionen auslösen und die Kurse wie Dominosteine fallen lassen, sind zu primitiv, als daß man ihnen einen Einfluß auf die Weltwirtschaft zugestehen darf.

Quod erat demonstrandum.