Privatwirtschaft und Kommunen engagieren sich für bayerische Jungunternehmer:

Isarmetropole will zum Municon Valley "avancieren"

18.01.1985

MÜNCHEN (sch) - Wie die Pilze schießen in der ganzen Bundesrepublik die tatsächlichen sowie vermeintlichen Technologiezentren und Computergroßmärkte aus dem Boden. Besonders großen Erfolg versprechen nach Ansicht von Insidern derartige Neugründungen in der Elektronik-Hochburg München. So wird schon heute die Landeshauptstadt des Freistaats gerne als "Municon Valley" bezeichnet.

Drei Projekte in und um München, die der bayerischen Elektronikbranche weiteren Auftrieb verleihen wollen, sind das durch privatwirtschaftliche Initiative begründete Techno-Center in Neuperlach, ein geplantes städtisches Technologiezentrum im Westend und der soeben eröffnete Lips Computer- und Softwaremarkt in Münchens Euroindustriepark. Eine "Art Messeeffekt durch die innovative Verzahnung gleichgelagerter Firmeninteressen" versprechen sich die Initiatoren des Neuperlacher Computerzentrums von ihrer neuen Einrichtung. Dazu der für die Baubetreuung zuständige Rolf Kyrein: "Intention bei der Planung war es, ein Bürozentum zu schaffen, das Elektronikfirmen im weitesten Sinne ein gemeinsames Dach bietet und als Kommunikationszentrum für Hersteller, Distributoren und Anwender der Branche dient". Es seien dort aber auch Unternehmen beziehungsweise Finanzierungsberater für Computerunternehmen und Fachverlage willkommen.

Das sechsgeschossige Bürozentrum, für dessen ersten Bauabschnitt kürzlich das Richtfest gefeiert wurde, soll interessierten Firmen eine Fläche von rund 40 000 Quadratmetern zur Verfügung stellen. Es ist geplant, daß hier in erster Linie kleinere und mittlere Betriebe mit einer Beschäftigtenzahl zwischen drei und 50 Personen ihr Quartier aufschlagen.

Techno-Center gewährt keine finanziellen Anreize

Mit finanziellen Anreizen kann Kyrein allerdings nicht winken: Pro Quadratmeter falle eine Kostenmiete zwischen 16 und 20 Mark an und Zuschüsse oder Subventionen gebe es nicht. Bisher haben 15 Betriebe beschlossen, sich in dem Neuperlacher Mikroelektronikzentrum, das mit einem Kostenaufwand von rund 107 Millionen Mark von dem holländischen "Sticheting Pensionsfond" PGGM errichtet wurde, niederzulassen. Maximal. bietet es laut Kyrein 250 Betrieben Platz. Nähere Auskünfte möchte der Baubetreuer jedoch über die interessierten Firmen nicht machen. Er könne nur soviel sagen, daß diese Unternehmen japanischer oder amerikanischer Provenienz seien und man auch diese Gruppe besonders ansprechen wolle. Die heimische Elektronikindustrie wird nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge durch Siemens vertreten sein, dessen "Denkfabrik" sich übrigens vis-á-vis von dem neuen Zentrum befindet. Kyrein: "Damit kommt ein warmer Regen auf uns herab, den die in der letzten Zeit verstärkten Initiativen von Siemens im Bereich der Chipproduktion bedingen." Es sei vorgesehen, daß der deutsche Branchenriese rund 10 000 Quadratmeter anmietet.

Siemens selbst spricht von dem ganz normalen Vorgang einer Einmietung in dem Gebäudekomplex der holländischen Versicherungsgesellschaft. Man habe einfach dringend Platz benötigt. Dem Begriff "Technologiezentrum" gegenüber gibt man sich hier eher verhalten.

Bevor die Holländer das Bauvorhaben in Angriff nahmen, starteten sie eine Umfrage über die tendenzielle Einstellung potentieller Mieter in einem Technologiezentrum. Die Spontanreaktionen waren laut Kyrein überwiegend positiv. Konkurrenzprobleme seien nicht überbewertet worden, aber "größere Firmen wie Apple, Commodore oder Wang schätzen die Vorteile eines solchen Zentrums weniger hoch ein als ihre eigene Identität". Vielmehr wollten sie sich im Markt und in der Öffentlichkeit als eigenständige Unternehmen profilieren und bevorzugten daher eigene Gebäude.

Kyrein weiter: "Im Hinblick auf kleinere und mittlere Unternehmen hat die Studie ergeben, daß diese Firmen Interesse bekunden und sich Kostensenkungen durch Gemeinschaftseinrichtungen erhoffend". Sie erwarteten aber professionelles Management im Zentrum und die Möglichkeit, sich innerhalb einer derartigen Einrichtung zu profilieren. Ein Center-Management sei zwar in Neuperlach im Moment noch nicht geplant, es könne jedoch bei entsprechendem Mieterwunsch ins Leben gerufen werden.

Aufgrund des hohen Stellenwerts, den die Hochtechnologie in Bayern einnimmt, sind die Gründer des Zentrums davon überzeugt, daß sie ihr "Haus vollbekommen werden". So wiesen sie anläßlich des Richtfestes darauf hin, daß sich jeder vierte deutsche Arbeitsplatz in der Computerindustrie auf bayerischem Boden befinde. Allein in München seien rund 41 Prozent aller Beschäftigten im Bereich Mikroelektronik tätig.

Das zweite Münchner Technologiezentrum befindet sich derzeit noch in der Planungsphase.

Seinen Sitz wird diese Einrichtung, an deren Aufbau neben der Landeshauptstadt München auch die bayerische Industrie- und Handels- sowie die Handwerkskammer beteiligt sind, im Westend haben. Angaben der Stadt München zufolge soll der Modellversuch auch mit Zuschüssen vom Freistaat Bayern unterstützt werden. Die Initiatoren dieses Zentrums haben als Zielgruppe in erster Linie die Gründergeneration im Auge. Auf einer Fläche von insgesamt 3000 Quadratmetern können sich noch nicht etablierte Techniker niederlassen und sich der Entwicklung innovativer Produkte und Produktverfahren widmen. Günstige Mieträume, Service-Einrichtungen sowie eine Beratung und Betreuung der Jungunternehmer schaffen aus der Sicht der für dieses Projekt Verantwortlichen ein günstiges Umfeld, um den Start in die Selbständigkeit zu erleichtern. Der zuständige Verwaltungsbeamte vom Wirtschaftsamt der Stadt, Wolfgang Kaufmann spricht in diesem Zusammenhang von einem Schutzbedürfnis der Firmengründer: "Es wäre ja denkbar, daß ein Ingenieur bei Siemens eine Idee hat, aber noch ein Brutkastenklima braucht, um diese in die Tat umzusetzen". Außerdem seien die jungen Techniker oft nicht in der Lage, sich Forschungseinrichtungen selbst anzuschaffen. Darum plane man auch eine Mitbenutzung solcher Einrichtungen im Universitäten oder außeruniversitäten Bereich.

Ausdrücklich erklärte der Verwaltungsbeamte auch, daß sich das städtische Zentrum nicht ausschließlich an Interessenten aus dem Bereich Mikroelektronik wenden würde, sondern hier auch andere Branchen wie zum Beispiel die Gentechnologie, die Solarenergie und die Antriebstechnik zum Zuge kommen sollten.

Der neue Lips Computer- und Softwaremarkt schließlich, der seine Pforten jetzt in Münchens Euroindustriepark öffnete, unterscheidet sich von den vielen anderen derartigen Verkaufsstätten durch sein Vertriebskonzept: Hier wird Privatleuten, der mittelständischen und der Großindustrie eine breite Palette von Hard- und Softwareprodukten unter einem Dach angeboten. Dabei übernehmen die Verkäufer keine qualifizierte Softwareberatung, weil - so der Geschäftsführer Eugen Pansow - "man von keinem Verkäufer erwarten kann, daß er die Probleme einer mittelständischen Firma, eines Notars oder beispielsweise eines Wirtschaftsprüfers kennt". Von der Lösung, für das System eines jeden Herstellers einen Verkäufer speziell abzustellen, hält der Geschäftsführer auch nichts, da ein Verkäufer dann nur seine Provision im Kopf habe und darum nicht unbedingt das beste System verkaufe.

Darum deligiere dieser Computermarkt seinen Kunden an Softwarepartner weiter, mit denen er zuvor entsprechende Kooperationsvereinbarungen getroffen habe. Außerdem seien die Verkäufer darum bemüht, die Softwarespezialisten darauf einzuschießen, wie sie eine Produktvorführung am besten gestalten könnten.