IS-Manager scheuen Betriebssystem-Wechsel Gates haelt Verzoegerung von Win 95 fuer moeglich

27.04.1995

SAN MATEO (IDG) - Selbst Bill Gates haelt es mittlerweile fuer realistisch, Windows 95 nicht im August ausliefern zu koennen. Die wiederholte Verzoegerung resultiert moeglicherweise aus einer inakzeptablen Performance der aktuellen Betaversion des Betriebssystems. Zweifel an seiner Robustheit fuehren zudem zu Akzeptanzproblemen unter IS-Managern.

Die Unkenrufe mancher Branchenkenner scheinen sich zu bestaetigen: Der Microsoft-Boss hat auf einer User-Group-Konferenz der Corporate Association of Microcomputer Professionals angedeutet, Windows 95 koenne nicht fristgerecht ausgeliefert werden. Die deutsche MS- Dependance wollte die Gates-Aeusserungen allerdings nicht bestaetigen.

Grund fuer die moegliche Verspaetung koennten Performance-Probleme sein. Bei einem Test der CW-Schwesterpublikation "Infoworld" an einer aktuellen Betaversion erfuellte Windows 95 in kritischen Situationen nicht die Erwartungen. Zwar habe Microsoft garantiert, das Produkt werde ein 32-Bit-Preemptive-Multitasking- Betriebssystem, unter dem Multithreading-Applikationen und 16-Bit- Programme auf einem 386-Prozessor mit 4 MB ablaufen koennten. Tatsaechlich, so "Infoworld", zeige die Betaausfuehrung allerdings noch gravierende Maengel im Multitasking sowie in der Leistung und selbst bei der Abwaertskompatibilitaet zu bestehenden Anwendungen. So benoetigte eine Berechnung mit einer 32-Bit-Excel-Version auf einem 486-PC mit 32 MB RAM rund 59 Sekunden. Bei gleichzeitigem Einsatz mit der 16-Bit-Ausfuehrung von Lotus' "cc:Mail Remote for DOS" im Hintergrund brauchte die Operation sogar 24 Minuten.

Selbst der Ablauf von gewoehnlichen 16-Bit-Anwendungen bereitet Windows 95 offenbar noch Schwierigkeiten. Auf einem 4-MB-System unter Windows 3.1 mit Word konnte der Bapco-Test (Business Application Performance Corp. Benchmark), ein standardisiertes Verfahren zur Messung von File-Server-Qualitaeten beim Einsatz verschiedener PC-Programme, in 18,16 Minuten durchgefuehrt werden - unter Windows 95 dauerte es 40 Minuten und acht Sekunden.

Angesichts des nahenden Auslieferungstermins fehlt Microsoft wohl die Zeit, um diese Maengel noch vollstaendig aus der Welt zu schaffen. "Wir naehern uns dem Punkt, an dem der Code des Produkts eingefroren wird", erklaerte noch kuerzlich ein dem Windows-95-Team nahestehender Angestellter. "Es wird sich nicht mehr viel an Windows 95 aendern."

Eine "Infoworld"-Umfrage hat ausserdem ergeben, dass lediglich sieben Prozent der befragten IS-Manager in Unternehmen mit ueber 1000 Anwendern einen Wechsel auf Windows 95 definitiv befuerworten. 25 Prozent der Auskunftgeber aeusserten, ihre Systeme eventuell anzupassen. 60 Prozent dieser DV-Profis wollen jedoch zunaechst abwarten. "Keinesfalls werden wir das Produkt sofort auf alle unsere Systeme implementieren", ist sich Tom Donelly, IS-Director bei einer Transportfirma in Chikago, sicher.

73 Prozent der Migrationswilligen erklaerten, ihre Rechner schrittweise auf die neue Version aufruesten zu wollen. Viele IS- Manager sehen Windows 95 noch immer als Zwitter zwischen einem primitiven Windows 3.1 und einer relativ robusten Basis wie NT oder OS/2. Etwa 37 Prozent halten einen Wechsel auf das 32-Bit- Pendant von IBM fuer denkbar.