Homogene Rechnerwelt begünstigt Wartung (Teil 2)

IS: Die Flexibilität spricht für offene Betriebssysteme

31.05.1991

Der Begriff "verteilte Informationssysteme" ist in den Vordergrund der Diskussionen um die unternehmensweite Datenverarbeitung gerückt. Häufig fehlt es jedoch an genauen Definitionen, welche konzeptionellen Organisationsformen sich hinter diesem Begriff verbergen. Thomas Stutenbäumer* versucht in dieser Serie, die wesentlichen Grundlagen zu skizzieren und eine Systematisierung dieses komplexen Themas vorzunehmen. Teil 2 befaßt sich mit konzeptionellen Aspekten bei Hardware und Betriebssystemen in Informationssystemen.

Die Datenverarbeitung hat sich zur umfassenden Informationsverarbeitung gewandelt. Bei der konzeptionellen Gestaltung von Informationssystemen wird ein hierarchisches Modell zugrunde gelegt, das die Dienste der Informationsverarbeitung auf vier Ebenen verteilt: unternehmensweit Betriebsstättenweit, Arbeitsgruppen- und Arbeitsplatzweit. Die Komponenten der Informationssysteme Ressourcen, Daten und Anwendungen sind unternehmensspezifisch auf die Ebenen zu verteilen.

Die Ressourcen bilden die DV-technische Infrastruktur. Sie bestimmt maßgeblich die Leistungsfähigkeit eines Informationssystems. Die Kapazitäten der Module Rechnerhardware, Betriebs- und Kommunikationssysteme sind so zu gestalten, daß steigende Anforderungen mittelfristig befriedigt werden können.

Je nach Größe eines Unternehmens und dem daraus resultierenden Aufgabenumfang einer Ebene kann eine Zuordnung bestimmter Rechnerklassen zu jeder Ebene vorgenommen werden (siehe Tabelle 1).

Der Idealfall setzt in einem Informationssystem eine homogene Rechnerplattform voraus. Die kann in der Praxis selten realisiert werden, da bisher getätigte Investitionen zu schützen sind oder Anwendungen häufig nur auf bestimmten Rechneranlagen angeboten werden.

In den meisten Fällen ist die Rechnerplattform der ersten oder zweiten Ebene eines Informationssystems durch Entscheidungen in der Vergangenheit festgelegt. In den Ebenen drei und vier bleibt hingegen häufig ein Entscheidungsfreiraum. Aus system- und wartungstechnischen Gründen sollten in einem Unternehmen Rechner von nur wenigen Herstellern zum Einsatz kommen.

Die Peripheriegeräte, das heißt die Ein- und Ausgabestationen von Rechnern, sind wegen der Wartung ebenfalls möglichst einheitlich auszuwählen. Durch die Installation eines Netzwerkes können zum Beispiel mehrere Rechner auf ein Peripheriegerät zugreifen und dadurch teure Ressourcen gemeinsam genutzt werden.

Die Auswahl von Betriebssystemen steht in einer direkten Beziehung zur Auswahl der Rechnerhardware, auf der sie implementiert werden. Prinzipiell wird zwischen proprietären und offenen Betriebssystemen unterschieden. Proprietäre Betriebssysteme sind auf die Hardware eines Herstellers zugeschnitten. Datenhaltung und Anwendungen basieren auf diesem speziellen Betriebssystem. Offene Betriebssysteme haben dagegen den Vorteil, wegen ihrer modularen Struktur flexibel zu sein, und können deshalb auf andere Hardwareplattformen implementiert werden. Ebenso sind damit die Datenhaltungssysteme und Anwendungen leicht auf die neue Hardwareplattform zu portieren.

Die Bezeichnung "offenes Betriebssystem" besagt nicht, daß ein einheitlicher Standard existiert. Als offen werden heute Unix-Systeme bezeichnet, die in einer Vielzahl von herstellerabhängigen Derivaten auf dem Markt angeboten werden. Obwohl es Unix-Standardisierungsgremien gibt, sind Inkompatibilitäten zwischen Produkten verschiedener Hersteller nicht auszuschließen.

Betriebssysteme werden danach klassifiziert, ob sie nur einem einzigen Benutzer (Singleuser) oder mehreren Benutzern gleichzeitig (Multiuser) den Zugang zum Rechner ermöglichen, ob sie nur eine Aufgabe zu einem Zeitpunkt bearbeiten (Singletasking) oder mehrere Aufgaben gleichzeitig auf dem Rechner zur Ausführung bringen können (Multitasking).

- Singleuser/Singletasking (SUST): Zu einer Zeit hat nur ein Benutzer Zugang zum Rechner; er kann lediglich ein Programm bearbeiten.

- Singleuser/Multitasking (SUMT): Zeitgleich kann ein Benutzer mehrere Programme verwenden.

- Pseudo-Multitasking: Der Anwender springt zwischen verschiedenen Programmen, die jeweils nicht beendet wurden.

- Echtes Multitasking: Mehrere Programme werden zeitgleich ausgeführt; der Prozessor bearbeitet in vorgegebenen Zeitintervallen die Programme.

- Multiuser/Multitasking (MUMT): Zeitgleich können mehrere Anwender über verschiedene Datenendgeräte an einem Rechner arbeiten.

- Teilhaber-Prinzip: Mehrere Anwender verwenden dasselbe Programm, das jedoch für die Benutzer unabhängig und zeitverschoben abläuft.

- Teilnehmer-Prinzip: Mehrere Anwender benutzen unterschiedliche Programme von verschiedenen Datenendgeräten aus (sogenanntes Time-Sharing). Diese Betriebssysteme entfalten ihre eigentliche Stärke, wenn unterschiedliche Programme auf den gleichen Datenbestand zugreifen.

Diesem Katalog sind weitere spezielle Klassen von Betriebssystemen hinzuzufügen, die nur wenig verbreitet sind: "Verteilte

Betriebssysteme", die die gleichzeitige Bedienung mehrerer Rechner ermöglichen (1) oder auch Betriebssysteme für Vektor- und Parallelrechner.

Für den täglichen Umgang mit den Rechenanlagen ist es am sinnvollsten, wenn in einem Informationssystem durchgängig ein Betriebssystem auf allen Ebenen eingesetzt wird. In den meisten Unternehmen ist eine heterogene Rechnerwelt zu finden und damit auch eine Vielfalt an Betriebssystemen. Darüber hinaus läßt sich oft schon aus wirtschaftlichen Gründen je nach Aufgabenumfang einer Ebene eine bestimmte Kategorie von Betriebssystem zuordnen (siehe Tabelle 2).

Auch die Steuerung und Kontrolle der Kommunikation mit anderen Rechnern ist eine Aufgabe des Betriebssystems. Jedoch besitzen vor allem Betriebssysteme eine lange Innovationszeit. Neuere Versionen müssen immer die Möglichkeiten ihrer Vorgänger berücksichtigen (Aufwärtskompatibilität). Die verbreiteten Betriebssysteme haben bereits eine lange Entwicklungszeit hinter sich. Nur in ihren jüngeren Versionen unterstützen sie geringfügig die Koppelung von Rechnern. In vielen Fällen wird zum Betriebssystem zusätzlich Kommunikations-Software angeboten.

Ein modernes Kommunikationssystem beinhaltet mehr als lediglich die durch ein Betriebssystem zu gewährleistende Steuerung und Kontrolle von Rechnerkoppelungen. Unter einem verbundweiten Netz-Betriebssystem muß es in der Lage sein, alle Komponenten des verteilten Informationssystems zu verwalten, das heißt, das Nachrichtentransportsystem und die verteilten Ressourcen steuern, die zusätzlich unter einem eigenen, autonomen Betriebssystem laufen (2).

Damit steht das Kommunikationssystem im Mittelpunkt verteilter Informationssysteme. Zu dessen flexibleren Gestaltung wird es als eigenständiges Modul angesehen. +

Literaturhinweise:

(1) M. Pflügl, A. Damm, "Kommunikationsmechanismen verteilter Systeme und ihre Echtzeitfähigkeit", Informatik Spektrum, 12/1989 S. 121-132.

(2) F.J. Kauffels, "Netzwerk-Management", S. 68 ff, Datacom-Verlag, 1990.