Irritationen bremsen einen ganzen Markt:Der Minisuper ist tot, es lebe der Supermini

25.08.1989

MÜNCHEN - Von einer weiteren Bereinigung des Minisuper-Marktes bis zum Ende dieses Jahres und Konzentration auf nur wenige Anbieter geht GEI-Rechnersysteme GmbH Geschäftsführer Michael Emrich aus. Die in Kürze erwartete Ankündigung des DEC-Vektorrechners mit dem Entwicklungsnamen "Aridus" wird zudem in einem von gewissen Irritationen beherschten Markt Käuferpotential abschöpfen, aber auch zu einer Marktberuhigung führen.

Das Grundproblem des Marktes für Minisupercomputer lag nach Meinung des Aachener Managers in der Vergangenheit darin, daß zu viele Anbieter mit zu unterschiedlichen Konzepten in einem Markt agierten, der nicht so schnell wuchs, wie dies von Marktforschern Anfang der 80er Jahre vorhergesagt wurde. Rückschauend kritisierte Emrich anläßlich eines Presse-Colloquiums die damalige Fragestellung der Marktforscher. Sie gaukelte durch ihre Verschwommenheit eine Nachfrage vor, die letztlich nur paradiesisches Wunschdenken der Befragten extrapoliere.

Der Markt für diese Rechnerklasse ist, so weiß man heute, nur ein Drittel bis maximal halb so groß, wie von den Marktforschern prognostiziert. Die Liste der Unternehmen, die in irgendeiner Form ausgestiegen sind, liest sich denn auch wie ein - US-amerikanisch gefärbter - "Who's who" der Hersteller.

Gänzlich verschwunden sind Unternehmen wie die American Supercomputer Inc., Chopp, Culler, Cydrome, Denelcor, Saxpy, Scientific Computer Systems oder Vitesse, zählt Emrich auf. Einen anderen Markt suchten sich AMT, Ametek, Encore, Flexible, MIPS, Mentor Graphics (Accelerator), Myrias, N-Cube, Sequent oder Thinking Machines. Nicht ganz so eindeutig wie beispielsweise bei Sun mit der Sun-4 ist die Verabschiedung aus dem Minisuperbereich in einen anderen Markt bei Apollo, Ardent, Evans and Sutherland, Kendall Square, Stellar und SuperTek. Aber diese Unternehmen haben die Stürme des Marktes überstanden und nicht wie Gould oder ETA ihre Aktivitäten bei Minisupercomputern gänzlich eingestellt. Im Umbruch befindet sich Alliant. Celerity wurde von FPS aufgekauft, die aber ebenfalls ins Trudeln geraten und noch nicht ganz über den rettenden Berg ist.

Verschiedene Ursachen lassen sich, laut Emrich, für diese Pleiten, Pech und Pannen im Minisupergeschäft ausmachen. So war zum einen mal das Produkt für den Markt einfach nicht gut genug, oder es stellte schlichtweg nichts Neues dar. Teils galt auch die Technologie in Käuferkreisen als zu "mystisch" oder die Marktnische zu eng - und letztlich war die unzureichende Finanzkraft Grund für das Scheitern verschiedener Unternehmen.

Vier Überlebende im Markt

Und Finanzkraft scheint in diesem Markt absolut notwendig. Verkaufsprofis machen im Verhältnis Hersteller/Käufer sechs Zustände aus, von denen fünf auf das Portefeuille drücken: "Verkauft, abgenommen und bezahlt" ist der beste erreichbare Zustand, und betrifft beileibe nicht alle installierten Maschinen, die gemeldet werden. Hier kommen andere Verfahren mit ins Spiel, so "Verkauft, nicht abgenommen'', "Installiert, Bestellung folgt", "Geliehen, Anschaffung später", "Austausch alt gegen neu" oder auch die Variante "Maschine installiert, Förderungsantrag läuft", wie sie im Bereich Forschung kundenseitig beliebt scheint.

Nun denn, einige haben es dennoch geschafft. Unter den Herstellern, die schon vor zwei Jahren am Markt operierten, findet man heute noch vier Überlebende: Convex, Alliant, Mulitflow und FPS; als Neu-Unternehmen befinden sich Astronautics und Supertec noch in der Phase des Existenzberechtigungs-Nachweises.

Der Begriff des Minisupercomputer-Marktes sei "anrüchig geworden", zitiert der Aachener Manager den US-Marktbeobachter Needham and Co. aus Minneapolis.

Dies schlage sich vor allem in Problemen bei der Beschaffung des dringend benötigten Kapitals nieder. Convex und Alliant schafften noch den Gang an die Börse, der für notwendiges Kapital sorgte; Dieser Weg bliebt Multiflow nach den Ereignissen des 19. 0ktober 1987 versperrt.

Aber auch die Hersteller selbst gehen mit ihrem Produktbegriff nicht mehr ganz so unbefangen um wie ehedem. Schrumpfende Leistungsunterschiede des sowieso schwer faßbaren Begriffes "Minisuper" irritieren den potentiellen Käufer. So ist nach Aussagen des GEI-Rechnersysteme-Chefs der Unterschied zwischen der Leistung einer 100 000 und einer 10-Millionen-Mark-Maschine nicht mehr so groß wie früher. In nicht allzu ferner Zukunft wird dieser Unterschied in der Zykluszeit zwischen schnellsten Supercomputern und leistungsfähigsten Workstations nur noch um einen Faktor vier bis fünf kreisen, wo heute noch ein Faktor zehn klafft.

Ein anderer Grund für die Verwirrung in Käuferkreisen liegt in den verschiedenen Architekturen begründet, die bei einer Cray-ähnlichen Vektorarchitektur (Convex) beginnt, über das Parallelrechnerkonzept von Alliant fortgeht und letztlich bei der Verwendung eines

sehr langen Instruktionswortes (VLIW/ Multiflow) endet. Zudem fehlt, so Emrich, die "Adelung" einer bestimmten Architektur durch einen der Marktmächte IBM oder DEC. In der DEC-Ankündigung eines luftgekühlten Hochleistungsrechners sieht der Aachener Manager denn auch eine Chance, daß sich die Irritationen des Marktes auflösen.