World IPv6 Day

IPv6 - Die Zukunft des Internets

08.06.2011
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 

IPv6 als Chance betrachten

Angesicht des Aufwands und der zu erwartenden Tragweite dürften viele Unternehmen der IPv6-Migration mit Sorge entgegen sehen. Bernd Stock, Account Manager bei Controlware, hält das für einen Fehler. IT-Entscheidern erteilt er den Ratschlag, "die IPv6-Migration nicht nur als Bürde zu sehen, sondern auch als Chance zu betrachten." Das neue Internet Protocol biete eine Vielzahl zusätzlicher Möglichkeiten, die es jetzt zu nutzen gelte.

Diese Veränderungen bringt IPv6 für Unternehmensnetze mit sich

Adressraum: Wartete IPv4 mit seinen 32 Bit langen Adressen noch mit rund 4,3 Milliarden Adressen auf, stehen unter IPv6, das 128-Bit-Adressen verwendet, rund 340 Sextillionen Adressen zur Verfügung. Die für den Benutzer augenfälligste Änderung dabei ist die neue Schreibweise: Die 128-Bit-Adressen werden hexadezimal notiert - etwa so: 2001:0db8:85a3:08d3:1319:8a2e:0370:7344. Eine URL mit IPv6 und Port-Nummer schreibt sich dann wie folgt: http://[2001:0db8:85a3:08d3:1319:8a2e:0370:7344]:8080/. Dabei wird die Adresse in der Regel in zwei Bereiche unterteilt: Die ersten 64 Bit bilden allgemein gesprochen das Präfix, das sich aus Netzadresse des Providers und Subnetzes zusammensetzt. Die anderen 64 Bit werden aus dem Interface Identifier gebildet, der sich etwa aus der MAC-Adresse einer Netzschnittstelle bilden kann. Um eine gewisse Anonymität wie bei IPv4 zu gewährleisten, werden auch wechselnde Interface Identifier sowie variierende Provider-Präfixe diskutiert.

Besondere Adressen: Wie bei IPv4 existieren unter IPv6 besondere Adressen. Etwa Link-lokale Adressen (Link Local Unicast), die nur im gleichen Teilnetz erreichbar sind und von Routern eigentlich nicht weitergeleitet werden sollen.

Unique Local Unicasts definieren im IPv6-Umfeld private IP-Adressen. Allerdings wird derzeit noch über den genauen Aufbau dieser Adressen diskutiert, etwa ob es eine eindeutige Site-ID geben soll.

Ferner existieren Multicast-Adressen etwa für Broadcasts oder um alle Router in einem Bereich zu adressieren.

Vereinfachte Header: Unter IPv6 wurde der Aufbau der Header auf eine feste Länge von 40 Bytes festgelegt. Damit soll unter anderem im Vergleich zu IPv4 ein schnelleres Routing erreicht werden.

Autokonfiguration: Hier weisen sich die Geräte unter IPv6 automatisch selbst eine Adresse zu, weshalb das Verfahren auch als "Stateless Address Configuration" bekannt ist. Allerdings kann die Adressvergabe auch via DHCPv6 erfolgen, die so genannte Stateful Address Configuration. Des Weiteren sind Mischformen zwischen Autokonfiguration und DHCPv6 möglich.

Mobile IP ist eine Erweiterung des Standards und soll es ermöglichen, dass ein Endgerät überall - egal ob im Unternehmen oder im Home Office - unter der gleichen IP-Adresse erreichbar ist.

Multihoming vereinfacht es, ein Netz gleichzeitig von mehreren Providern mit IP-Adressen und Internet-Connectivity zu versorgen. In der Praxis könnten dadurch Unternehmen Netzbetreiber leichter wechseln oder gar dauerhaft mit mehreren Providern gleichzeitig arbeiten und so eventuell durch den verschärften Wettbewerb Kosten sparen.

IPsec ist im Gegensatz zu IPv4 nun keine Option mehr, sondern ein fester Bestandteil des Protokolls.

Bessere Multimedia-Fähigkeit: Im Gegensatz zum Vorgänger gehören nun QoS-Mechanismen von Haus aus zu IPv6. Dabei werden etwa Datenströme (Flows) neu klassifiziert, um den Transport von Audio- und Videodaten zu optimieren. Verbessern sollen sich auch die Flusskontrolle und die Erkennung von Engpässen.

ICMPv6: Eine zentrale Bedeutung für das Funktionieren des Internet Protocols hat nun das Internet Control Message Protocol. Konnte dieses unter IPv4 noch von der Firewall geblockt werden, ist es nun zwingend erforderlich. Mit ICMPv6 wird auch das Address Resolution Protocol (ARP) der IPv4-Welt abgelöst. Seine Nachfolge tritt das Neighbor Discovery Protocol (NDP) an. Aufgrund seiner zentralen Bedeutung für die Steuerung des Datenverkehrs sollten sich Netzadministratoren gerade unter Sicherheitsaspekten besonders intensiv mit ICMPv6 befassen.

Diese Zusammenstellung kann nur einen ersten Überblick über die Veränderungen im IPv6-Umfeld liefern. Wer tiefer in die Materie einsteigen will, sollte auf den Web-Seiten der IETF (Internet Engineering Task Force) einen Blick auf die einzelnen RFCs im Tool-Bereich (http://tools.ietf.org/) werfen.