Zehn Jahre Apple-Tablet

iPad – was dem Tablet jetzt noch fehlt

27.01.2020
Von Jan Schaller
"Was ist ein Computer?" bewarb Apple einst sein iPad als einen vollblütigen PC-Ersatz. Doch Apples Tablet ist noch nicht so weit.

Zehn Jahre ist es mittlerweile her, dass Steve Jobs auf der Bühne des Yerba Buena Center in San Francisco stand und darüber sinnierte, ob neben Laptop und Smartphone noch Platz für eine weitere Gerätekategorie bestünde. Das war natürlich eine rhetorische Frage, schließlich präsentierte Apple an diesem Tag das erste iPad.

Trotz hervorragender Hardware bietet das iPad (Pro) nach wie vor "room for improvement".
Trotz hervorragender Hardware bietet das iPad (Pro) nach wie vor "room for improvement".
Foto: shutterstock, blackzheep

Und dennoch stellte sich die Frage durchaus ernsthaft, sobald die Scheinwerfer der PR-Maschine erloschen. Würde ein Produkt Erfolg haben, das selbst in Apples Selbstbeschreibung ein eher eingeschränktes Einsatzszenario umfasst? Web-Browsing, E-Mails, Fotos und Videos anschauen, Musik hören, E-Books lesen und Spiele spielen. Größtenteils passive Anwendungen und alles eher auf der leichten Seite des Aufgabenspektrums. Das iPad, ein Freizeitgerät.

Es stellte sich heraus, dass Apple den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Das iPad verkaufte sich allein 300.000 Mal am ersten Tag; ein voller Erfolg. Allerdings war dieser Markt irgendwann gesättigt, die iPad-Verkäufe stockten. Zeit für etwas Neues: das iPad Pro erblickte das Licht der Welt. Plötzlich sollte man auch „echte“ Arbeit erledigen können und auch das gelang, wenngleich mit einigen Anlaufschwierigkeiten. Mittlerweile hat die Pro-Reihe viele Fans, der Autor dieser Zeilen gehört dazu. Ist das iPad also zu Ende entwickelt? Ich denke nicht.

Top Hardware – und sonst?

Über eines sind sich die meisten Kommentatoren einig: In Sachen Hardware kann man dem iPad (Pro) wenig vorwerfen. Der Formfaktor ist – mehr oder weniger – seit zehn Jahren der Gleiche. Und das aus gutem Grund, er funktioniert einfach. Und auch bei den inneren Werten ist Apples Tablet ganz weit vorn dabei. Die selbst entwickelten A-Chips lassen selbst Highend-Macbooks oft alt aussehen. Wo sollte man also ansetzen, um das iPad in die nächste Dekade zu führen? Ich mache zwei große Bereiche aus, in denen noch reichlich Platz nach oben ist: das verfügbare Zubehör und die Software.

Tastaturen konsequent weiterentwickeln

Apple bietet genau drei Accessoires fürs iPad an: das Smart Cover, das Smart Keyboard und den Pencil. Gerade bei der Tastatur besteht noch ein gewaltiges Potential. Das Smart Keyboard wurde dafür konzipiert, möglichst leicht und dünn zu sein. Und in dieser Kerndisziplin macht ihm auch so schnell niemand etwas vor. In Kombination mit dem Stoffbezug ist es eine durchaus überzeugende Kombination, da es eben auch gegen Staub geschützt ist, was für ein portables Gerät besonders wichtig ist.

Allerdings zeigen die vielen Modelle anderer Hersteller auch, dass ein Markt für andere Interpretationen vorhanden ist. Das ist nicht verwunderlich. Apples Lösung hat keine Funktionstasten oder Hintergrundbeleuchtung. Eigentlich nichts, auf das man im Jahr 2020 noch verzichten möchte. Im Moment muss man sich noch entscheiden, ob man die Minimal-Lösung von Apple möchte, oder auf einen Fremdhersteller wie Brydge oder Logitech zurückgreift, die aber wiederum eigene Probleme mitbringen wie ein deutlich höheres Gewicht.

Vermutlich wird es auch (technisch) kaum möglich sein, eine Allzwecklösung zu erschaffen, etwa eine Tastatur mit Funktionsreihe und erleuchteten Tasten, die aber dennoch maximal dünn und ausfallsicher ist. Aber wieso nicht einfach beides anbieten? Apple war lange Zeit für ein relativ simples Produkt-Portfolio bekannt. Gerade bei den iPhones zeigt sich aber ein Trend zur Diversifizierung. Immer mehr Modelle stehen zur Verfügung, zunächst war es nur die Unterscheidung in normale Größe und Plus, mittlerweile auch zwischen Einstiegs-iPhone und Pro-Modell. Zudem ist die Zubehör-Sparte der am schnellsten wachsenden Geschäftsbereich von Apple. Wieso also nicht den Trend aufgreifen und einfach noch eine weitere Tastatur anbieten, sodass man wählen kann, was einem besonders wichtig ist? Möglichst viele Funktionen oder eben maximale Portabilität.

Warum nicht noch eine weitere Tastatur für das iPad Pro anbieten?
Warum nicht noch eine weitere Tastatur für das iPad Pro anbieten?
Foto: Leif Johnson / IDG

Beim Pencil sehe ich demgegenüber momentan eher wenig Grund für grundlegende Veränderungen. Mit der zweiten Generation wurden die beiden größten Kritikpunkte beseitigt. Zum einen ist er nun dank Induktionsladen immer aufgeladen, zum anderen kann man ihn problemlos am iPad befestigen und muss nicht mehr ständig überlegen, wo er denn gerade wieder rumliegt. Denkbar wäre sicher, das Smart Cover und die Tastatur noch mit einer kleinen Halterung zu versehen. Trotz starker Magnete verabschiedet sich der Pencil ab und zu, gerade beim Ein- und Auspacken aus Rucksack oder Tasche. Das sind aber eher Luxusprobleme.

Unnötige Software-Limits

Deutlich größer ist das Potential im Hinblick auf die Software. Immerhin scheint Apple das ähnlich zu sehen und hat im Rahmen der letztjährigen WWDC mit iPadOS eine eigene Entwicklungslinie für das iPad eingeführt. Hoffentlich ein Fingerzeig, dass künftige Versionen konsequent in Richtung größerer Funktionalität entwickelt und alte Barrieren abgebaut werden.

Ein erster Kandidat ist die bessere Unterstützung von Mäusen und Trackpads und leitet sich direkt aus den Ideen für neue Hardware ab. Das Thema soll nicht größer gemacht werden, als es ist, aber wieso nicht einfach ein echter Mauszeiger? Momentan bekommt man nur einen ziemlich großen Kreis-Cursor, der einen Finger imitieren soll und damit das schlechteste aus beiden Welten vereint. Nicht wenige fragen sich, wieso man ein iPad überhaupt mit einer Maus bedienen sollte. Aber Umstände und Arbeitsszenarien ändern sich nun mal mit der Zeit.

Auch ein Eingabestift war zu Beginn nicht vorstellbar, mittlerweile ist er für viele nicht mehr wegzudenken. Jason Snell hat vor einigen Tagen die Argumente hierfür überzeugend dargelegt. Und auch der Markt zeigt wieder, dass es einen Bedarf gibt. Brydge hat ein Modell ihrer Tastatur mit integriertem Trackpad angekündigt. So weit wird Apple wohl nicht gehen, aber zumindest eine entsprechende Unterstützung in der Software wäre schön.

Auch beim Thema Tastatur besteht (Software-)Potential. Mal angenommen, es gäbe wirklich eine neue Tastatur mit Funktionstasten. Wäre es nicht nahe liegend, diese extra Tasten mit Shortcuts belegen zu können? So bekäme man programmierbare Tasten fürs iPad und würde es noch flexibler und mächtiger machen.

Neben diesen Wünschen unterliegt iPadOS aber auch einigen Limitierungen, die das tägliche Arbeiten erschweren. Man sollte zum Beispiel endlich festlegen können, mit welcher App man ein bestimmtes Dateiformat öffnen will. Klar, das iPad wurde mit der Idee entwickelt, dass man zuerst die App öffnet, um dann an der Datei zu arbeiten. Dateien sollten in den Hintergrund treten. Spätestens mit der Einführung der Dateien-App ist das aber nicht mehr zeitgemäß, da einfach vieler Nutzerinnen und Nutzer zuerst die Datei suchen und sie dann öffnen wollen – so wie sie es schon immer auf ihrem Computer tun. Auf dem iPad besteht nun aber das Problem, dass man einfach nicht sagen oder beeinflussen kann, in welcher App diese Datei geöffnet wird, wenn man mehr als nur eine App installiert hat, die das Format unterstützt. Und davon, dass jeder Link automatisch in Safari geöffnet wird, will ich gar nicht anfangen.

Mir würde noch einiges einfallen, was sich verbessern ließe. Eine Suchfunktion für App Exposé beispielsweise. Noch mehr am Herzen liegt mir aber ein flexiblerer Desktop. Immerhin haben wir 2019 eine Widget-Leiste bekommen, aber wieso nicht auch Verknüpfungen zu Dateien und Ordnern? Power-User wie der bekannte Podcaster und Blogger Federico Viticci haben zwar Möglichkeiten gefunden, diese Funktionalität über komplizierte Shortcuts nachzubauen. Viel besser wäre doch aber eine integrierte Möglichkeit, wie man sie vom Mac oder Windows schon lange kennt.

Die Führung nicht verwalten, sondern ausbauen

Ich denke, dass das iPad sehr gut aufgestellt ist. Zehn Jahre nach Markteinführung hat es sich behauptet und vom reinen Unterhaltungsgerät zu einer Plattform entwickelt, die beides kann – ernsthafte Arbeit und Entspannung. Und auch wenn die reine Hardware kaum Wünsche offenlässt, sollte sich Apple nicht auf dem Erreichten ausruhen, sondern das iPad konsequent weiterentwickeln. Unnötige Software-Hürden müssen abgebaut werden und cleveres Zubehör könnte das iPad für noch mehr Anwendungsfälle interessant machen. Da kommt ein aktuelles Gerücht, dass Apple eine neue Tastatur mit leuchtenden Tasten plant, gerade recht.

Sollte Apple diesen Weg konsequent weitergehen, sehe ich nach wie vor goldene Zeiten für Apples Tablet-Reihe. (Macwelt)