IP-KONVERGENZ HAT DIE NASE VORN

29.10.2002
Berechnet man über einen Zeitraum von fünf Jahren die Gesamtkosten verschiedener Netze, dann schneiden konvergente IP-basierte Lösungen am besten ab. Das ergab eine Studie nach einem Modell von Forrester Research auf Basis von 10.000 Usern, und die Erfahrungen aus der Praxis bestätigen dieses Ergebnis.

Wer heute die Aufwendungen von IT-Investitionen so detailliert wie möglich kalkulieren will, bedient sich meist des „Total Cost of Ownership (TCO)“-Modells, das die Gartner Group im Jahre 1987 auf den Markt brachte. Als Rechengrundlage dienen dabei zwei Bereiche, die direkten und die indirekten Kosten. Direkte Kosten sind jene Ausgaben, die eindeutig der IT zuzuordnen sind, etwa der Aufwand für die Beschaffung von Hard- und Software, Wartungsverträge mit Externen oder die Gehälter von IT-Mitarbeitern. Unter die indirekten Kosten fallen Positionen wie Produktivitätsverlust bei Rechnerausfällen oder eigene Support-Leistungen der Enduser.

Migration ist am günstigsten

Auf der Grundlage des TCO-Ansatzes wurden die Gesamtkosten nach einem Modell von Forrester für verschiedene Spracharchitekturen untersucht. Verglichen wurden dabei die Aufwendungen innerhalb von fünf Jahren für folgende Lösungen:

Weiterbetrieb der vorhandenen Nebenstellenanlage (PBX)

Anschaffung einer neuen Nebenstellenanlage

Ersatz der konventionellen durch eine IP-basierte Nebenstellenanlage (Softswitch)

Ersatz einer Nebenstellenanlage durch ein konvergentes IP-Netz

Migration einer Nebenstellenanlage zu einem konvergenten IP-Netz

Die Berechnungen basierten auf 10.000 Usern. Die Hälfte davon, so die Annahme, arbeitet an zwei großen Standorten eines Unternehmens, die restlichen in zwölf Zweigstellen. 20 Prozent der nationalen und 40 Prozent der internationalen Verbindungen sollten firmeninterne Gespräche sein. Ein wichtiges Kriterium war der Investitionsschutz: 75 Prozent aller bestehenden Telefone werden in diesem Modell weiterhin genutzt.

56 Prozent geringere Kapitalkosten

Die „Total Costs of Ownership“ ergaben sich aus den Aufwendungen für die Anschaffung der neuen Technik plus den gesamten Betriebskosten während der folgenden fünf Jahre.

Der Vergleich der aufgezeigten Szenarien lieferte überraschende Ergebnisse. Demnach führt die Implementierung einer neuen IP-Lösung zu insgesamt geringeren TCOs als der Weiterbetrieb einer bestehenden Nebenstellenanlage. Noch wesentlich günstiger ist die Migration des Bestehenden in eine IP-Architektur: Hier sind die Kapitalkosten um 56 Prozent geringer als im Falle eines ganz neuen Netzwerkes.

Vorhandene Investitionen wollen geschützt werden

Die Gründe für den Vorsprung von IP-Netzen sieht Forrester vor allem in den geringeren Betriebskosten. Diese resultieren erstens daraus, dass statt zwei Netzen für Telefon- und Datenverkehr nur noch eines gewartet werden muss und zudem eine einheitliche, benutzerfreundliche Managementplattform den administrativen Aufwand senkt. Kostenreduktion: 15 bis 20 Prozent. Etwa genauso hoch kalkuliert Forrester die Einsparungen durch verringerte Verbindungsgebühren beim Telefonverkehr.

Zweite Ursache der geringeren TCOs: Neben den reduzierten Betriebskosten erlauben IP-Netze den Schutz bestehender Investitionen. Vorhandene Telefone können weiterhin verwendet werden, und auch die Migration anderer bisher verwendeter Applikationen in das neue System ist möglich.

Die Ergebnisse der Modellrechnungen werden von der Praxis bestätigt. Und nicht nur das: Hier zeigen sich auch viele Einsparungs- und Produktivitätseffekte, die von einer TCO-Kalkulation kaum erfasst werden können. Diese Erfahrung machte Siemens bei Planung und Betrieb seines Skyport-Centers im kalifornischen San Jose (siehe Fallstudie Seite 10).

Größtes Sparpotenzial bei der Wartung

Zwar lagen die Anschaffungskosten hier wegen der hohen Ansprüche an Redundanz und Übertragungsgeschwindigkeit um zehn Prozent über denen für separate Sprach- und Datennetze. Dieser Aufwand wird aber durch die Einsparungen beim Betrieb mehr als wettgemacht. Das größte Einsparpotenzial konnte bei der Wartung realisiert werden: Allein der Technologiewechsel brachte hier 20 Prozent, hinzu kommen die Vorteile durch die Vereinheitlichung der Systeme. Insgesamt ergibt sich hier auf fünf Jahre ein prognostizierter TCO-Vorsprung von zehn Prozent.

Nur schwer exakt bestimm- und damit auf andere Nutzer übertragbar sind andere Effekte. Dazu gehört das unkomplizierte, schnelle Wechseln des Schreibtisches oder der Einsatz von Soft Clients. Hier hängen die Fortschritte von vielen firmenspezifischen Faktoren ab, etwa von der Mobilität der Mitarbeiter. Das Potenzial liegt allerdings auf der Hand, immerhin kosten Soft Clients nur 25 Prozent eines IP-Telefons. Allerdings sind solche Softwarelösungen nicht für jeden Arbeitsplatz sofort geeignet, eventuell ist hierzu eine Hardwareaufrüstung nötig.

Der Erweiterung sind keine Grenzen gesetzt

Zu den Kostensenkungen kommen die ebenfalls vorher schwer quantifizierbaren Produktivitätsfortschritte: Wer nach dem Umzug in eine neue Abteilung sofort arbeiten kann, ohne erst eine Stunde auf den Techniker zu warten, sorgt für mehr Umsatz. Die Integration vieler Funktionen auf einer Plattform und das Verwenden von Unified Messaging, wie es Mobile Worker John Ford in der Titelgeschichte dieses Compendiums vormacht, entlastet ebenfalls von lästigen organisatorischen Funktionen. Mitarbeiter können sich dadurch intensiver auf ihren eigentlichen Job und ihre Kunden konzentrieren. Wie groß solche Effekte sind, müssen langfristige Praxistests zeigen.

Fest steht aber, dass IP-gestützte Technik absolut zukunftssicher ist. Weil es sich bei der Internet-Technologie nicht um die Erfindung eines Anbieters, sondern um einen allgemein akzeptierten Standard handelt, ist der Erweiterung darauf aufbauender Anwendungen keine Grenze gesetzt.

Links zum Thema:

http://www.computerwoche.de/index.cfm?webcode=528984

http://www.computerwoche.de/index.cfm?pageid=267&type=ArtikelDetail&id=80107878&cfid=6336710&cftoken=77947835&nr=16

http://w4.siemens.de/networks/hipath/de/vision/downloads/SoD2002fDeutsch_neu.pdf