Organisatorische Voraussetzungen für den Mikro-Mainframe-Verbund:

Investitionsruinen

02.11.1984

"Wer das Problem der Mikro-Mainframe-Kommunikation allein von der Systemseite her angeht" so Dr. Friedrich Fröschl*, Autor des folgenden Beitrags, "hat schon verloren." Wichtig sind nach Ansicht des MBB-Hauptabteilungsleiters vor allem auch die organisatorischen Voraussetzungen, die man nicht halbherzig angehen dürfe. Fröschl beschreibt vier Faktoren, um einen produktiven Mikro-Mainframe-Verbund zu erreichen. Dazu gehöre etwa eine klare, im Unternehmen veröffentlichte DV-Strategie, die sich offen zur verteilten Verarbeitung mit Kleinrechnern bekenne.

Der Mikrocomputer als offenes, mehrfunktionales, intelligentes DV-System wird grundsätzlich in drei verschiedenen Betriebsmodulen eingesetzt:

- standalone für Anwendungen wie Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Business Graphic oder elektronischer Karteikasten

- als Terminal zum Mainframe (zum Beispiel 3270-Emulation)

- als Terminal zum Mainframe mit Filetransfer, als intelligenter Baustein in einem Rechnerverbund.

Die Erfahrung hat gezeigt, daß sich bei einer unkoordinierten Handhabung des PC-Einsatzes - durch die große Vielfalt und Komplexität der Komponenten einer wirklich produktiven PC-Lösung - eine Reihe von organisatorischen und technischen Problemen ergeben. Wer sich zur Lösung dieser Probleme allein von der Systemseite nähert, und die organisatorischen Voraussetzungen nur halbherzig angeht, hat schon verloren.

Zur Minimierung der bei Auswahl Beschaffung und Einsatz von Mikros auftretenden Probleme haben wir bei MBB/UL mit dem Benutzer-Service-Zentrum (BSZ) eine organisatorische und technische Infrastruktur geschaffen, die weit über die Organisationsform eines einfachen PC-Shops hinausgeht. Als wesentliche organisatorische Voraussetzungen für einen funktionierenden, produktiven PC-Mainframe-Verbund sehen wir folgende Faktoren an:

1. Eine klare, im Unternehmen veröffentlichte DV-Strategie, die sich offen zu der verteilten Verarbeitung mit Mikrocomputern bekennt und mit Hilfe eines Informationscenterkonzepts versucht, die Individuelle Datenverarbeitung als neue Form des DV-Services zu realisieren, fördern und zu steuern. Das BSZ als organisatorisches Kompetenzzentrum der IDV hat dabei großen Anteil an einer kontrollierten Dezentralisierung von Hard-/Software, Anwendungen und Daten und muß aber gerade deshalb in sehr enger Zusammenarbeit und Abstimmung mit dem Rechenzentrum und der Anwendungsentwicklung eigenständig agieren.

2. Eine unbürokratische, aber wirksame, Kanalisierung der Benutzerwünsche, durch eine sich auf die Abläufe und Anwendungen konzentrierende Funktion, wie zum Beispiel die Ablauforganisation. Aufgabe dieser Schaltstelle muß es sein, schnell und nachvollziehbar (etwa anhand von Checklisten) zu entscheiden, ob der Benutzerantrag den Kriterien einer PC-Anwendung genügt und welche anderen DV-Anwendungen schnittstellenmäßig betroffen sind.

Neben dem zu verarbeitenden und lokal zu speichernden Datenvolumen ist das Hauptaugenmerk der Untersuchungen vor allem auf die Forderungen bezüglich Benutzerfrequenz/-art, Aktualitätsgrad der Daten, Verfügbarkeit des Systems, Variabilität der Abfragen, Integration von mehreren Funktionen, wie Text, Daten, Grafik etc., zu legen.

3. Eine zentrale Produktauswahl für PC-Hardware (einschließlich Peripherie), für PC-Software (wie Basissoftware, Tools und Anwendungspakete) und für Kommunikationseinrichtungen (wie Filetransfer oder Emulatoren). Bei den sogenannten "horizontalen" Paketen für die Funktion Datenverwaltung, Tabellenkalkulation, Grafik und Textverarbeitung sind soweit wie möglich integrierbare, datenstrukturkompatible Standardpakete festzulegen, die eine wirtschaftliche, für den Benutzer effektive Anwendungsgenerierung gewährleisten.

Von zentraler Bedeutung für uns sind dabei Anwendungspakete die sowohl standalone auf dem Mikrocomputer als auch auf dem Mainframe arbeiten und bei vorhandener PC-Mainframe-Kopplung auch bezüglich der Daten eine echte verteilte Verarbeitung zulassen. Zur Produktauswahl gehört ferner eine sorgfältige Lieferantenauswahl und Festlegung des Beschaffungsweges, wobei diese Punkte an den vorhandenen Servicelevel des BSZ bezüglich Installationsprozeß, Hardware-/Softwarewartung, Hotline-Service etc. angepaßt sein müssen.

Eine stark eingeschränkte PC-Hardwarevielfalt und eine zur sofortigen Abdeckung von etwa 80 Prozent der Anwendungswünsche ausgerichtete PC-Softwarepalette reduziert drastisch den Betriebs-/Betreuungsaufwand und erhöht mittelfristig die Zufriedenheit der Benutzer und der DV. Neben der PC-Hard-/ Softwarebeschaffung sollte das BSZ auch alle für den Host-Anschluß erforderlichen Aktivitäten des RZ anstoßen; durch diese enge Zusammenarbeit von RZ und BSZ werden Systembelastungen (beispielsweise von Steuereinheiten bei Filetransfer) kalkulierbar und damit bewältigbar.

4. Last but not least: ein praxisnahes Datenmanagement mit Copymanagement. Mit Ausnahme der Methode der Spiegeldateien erhalten PC-Anwender bei uns nur Datenextrakte zu vereinbarten Stichtagen, zum Beispiel dekadenweise. Während der Planung der PC-Anwendung muß mit dem Benutzer festgelegt werden, zu welchem Zeitpunkt ihm welche Daten mit welchem Inhalt und Aktualitätsgrad zur Verfügung gestellt werden.

Dazu koordiniert das BSZ die notwendigen Aktionen, wie Genehmigung durch den Dateneigner und/ oder die Systementwicklung, Entwicklung einer Datenextrakt- beziehungsweise Umstrukturierungsprozedur, Eintrag ins Data-Dictionary durch das Datenmanagement und Übergabe der Prozedur in die Arbeitsvorbereitung des RZ zum regelmäßigen Produktionsbetrieb; Datenschutz/Sicherheitsmaßnahmen sind ebenfalls durch das BSZ zu initiieren.

Bei der Implementierung eines tragfähigen PC-Mainframe-Verbundes steht man dabei immer vor dem Problem, die kurzfristigen, individuellen Anforderungen der Benutzer mit der mittel-/langfristigen DV-Strategie des Unternehmens in Einklang zu bringen, um sowohl Benutzerzufriedenheit und Produktivität im Fachbereich zu erhöhen, aber auch um Investitionsruinen und Aushöhlung von zentralen Anwendungen durch Personal Computing zu vermeiden. Aus diesem Grund ist das BSZ ein entwicklungsfähiges Element einer modernen DV-Organisation, das nach dem Motto agieren sollte: "Global denken - lokal handeln".

Dr. Friedrich Fröschl, Hauptabteilungsleiter Org.- und Benutzerservice, MBB GmbH, Unternehmensbereich Flugzeuge und Hubschrauber.