IT-Arbeitsmarkt/Softwarehaus beschreitet neuen Weg der Personalsuche

Investitionen in ihre Ausbildung soll Uni-Absolventen ins Unternehmen locken

07.07.2000
Individuelle Förderung soll Studenten einen maßgeschneiderten Karrierestart und einen problemlosen Einstieg ins Berufsleben ermöglichen - am liebsten natürlich beim Sponsor selbst.Von Holger Eriksdotter*

Das dänische Softwarehaus Navision macht Interessierten jetzt das Angebot einer studienbegleitenden Förderung, die das gewohnte Maß überschreitet. Den Mitgliedern der neu gegründeten Navision Career Community (NCC) bietet es Seminare und Workshops, Auslandsaufenthalte und kostenlose Software, bezahlte Ferienjobs sowie persönliche Betreuung und den Zugang zu einem internationalen Netzwerk.

Navision setzt dabei ausschließlich auf die Perspektiven einer Zukunftsbranche und die Überzeugungskraft seines attraktiven Arbeitsumfelds: Die Mitglieder der NCC müssen sich nicht vertraglich an das Unternehmen binden. "Wir wollen überzeugen - nicht fesseln oder knebeln", formuliert es Oliver Kiel, der in der Deutschland-Zentrale in Hamburg für das Konzept verantwortlich zeichnet. Er sieht für beide Seiten nur Vorteile: "Wir bieten den jungen Leuten eine gezielte Förderung und eine optimale Vorbereitung auf den Berufseinstieg - wir hoffen dabei natürlich, dass uns möglichst viele nach dem Examen erhalten bleiben."

Das breit gefächerte Angebot für Studenten ist vor dem Hintergrund des Mangels an geeigneten Bewerbern entstanden: "Wenn uns die Leute die Tür einrennen würden, hätten wir sicher auch ein Programm für den akademischen Nachwuchs - ich bezweifle allerdings, ob es zu einem so umfangreichen Projekt gekommen wäre", verrät der Personalexperte.

Die Hamburger Navision-Zentrale betreibt ihr Engagement besonders zur Unterstützung ihrer 118 deutschen Navision Solution Center (NSC), die exklusiv die Business-Software vertreiben. Denn gerade hier fehlt es an Manpower. Eine Umfrage Ende 1999 hatte ergeben, dass die Navision-Partner bundesweit etwa 500 Mitarbeiter einstellen könnten. Die NCC ist dabei die jüngste Aktion, um dem Personalengpass entgegenzuwirken. Schon im letzten Jahr hatte die Navision-Zentrale in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt, dem Siemens Business Service und den Vertriebspartnern ein Fortbildungskonzept für Berufseinsteiger entwickelt und umgesetzt. "Unsere NSCs sind im Normalfall kleine und mittlere Systemhäuser, die mit der Projektarbeit voll ausgelastet sind und meist nicht über die Ressourcen verfügen, um sich intensiv mit der Personalsuche und -förderung zu beschäftigen", stellt Kiel fest.

Die Zusammenarbeit gestaltet sich in vielen Bereichen sehr eng - auch zum Wohl der Studenten, die dadurch einerseits regionale Auswahlmöglichkeiten haben, und andererseits Schwerpunkte in Bezug auf Branchen oder Tätigkeitsfelder setzen können. Ob Kundenberatung oder Vertrieb, Support oder Entwicklung - durch die breite Streuung der NSCs stehen dem Einsteiger viele Auswahlmöglichkeiten offen.

Navision verdient sein Geld mit betriebswirtschaftlicher Standardsoftware und gehört bei den deutschen Mittelständlern zu den Marktführern. In Deutschland, dem vor den USA größten nationalen Auslandsmarkt, kann das dänische Softwarehaus über 5000 Installationen vorweisen.

Personal-Manager Kiel erklärt sein Interesse an Absolventen betriebswirtschaftlich orientierter Studiengänge nicht nur mit dem Engpass auf dem IT-Arbeitsmarkt, sondern auch mit der einfachen Programmier- und Konfigurierbarkeit der Navision-Software: "Betriebswirtschaftliche Kenntnisse sind absolut unverzichtbar - ein Informatikstudium muss nicht sein. Eine gewisse Affinität zur Informationstechnologie ist allerdings unerlässlich." Weitere Qualifikationen müssen hinzukommen: Die überall gefragten Sekundärtugenden wie Kommunikations- und Teamfähigkeit, Leistungswille und Engagement gelten auch bei Navision als Voraussetzungen.

Nach der Aufnahme in das NCC erhält der Student eine erste einwöchige Schulung; Dreh- und Angelpunkt bilden die integrierte Navision-Entwicklungsumgebung C/Side und eine 4GL-Programmiersprache. Im besten Fall kann der Student schon danach mit einem bezahlten Praktikum, Ferien- oder Nebenjob bei einem NSC einsteigen. Regelmäßige Workshops vertiefen seine Kenntnisse. Für die individuelle Betreuung steht ihm bis zum Ende seines Studiums ein Mentor zur Seite. Er berät bei der Planung der fachlichen und persönlichen Entwicklung, vermittelt Praktikumsplätze und Ferienjobs im gesamten Bundesgebiet sowie im Ausland, hilft bei der Diplomarbeit und den nächsten Ausbildungsschritten.

In Zusammenarbeit mit dem Hamburger Beratungsunternehmen Knowledge Network sollen die Beziehungen zu den Hochschulen weiter ausgebaut werden. Häufig kann dabei auch auf Kontakte der Vertriebspartner zu regionalen Lehranstalten zurückgegriffen werden. Durch das Bereitstellen von Software und einer kostenlosen Schulung der Professoren, über Studentenorganisationen sowie Plakat- und Flyer-Aktionen erhofft sich das Unternehmen eine weitere Zunahme seines Bekanntheitsgrads bei den Studierenden.

Erste Erfahrungen stimmen Personalfachmann Kiel optimistisch: Die Hochschulen begegnen dem Angebot mit unerwarteter Aufgeschlossenheit. Besonders erfolgreich sind Veranstaltungen mit Studenten, die schon während ihres Studiums mit der dänischen Software gearbeitet haben. Weil das Projekt Erfolg versprechend angefangen hat, wird in der Navision-Zentrale nahe Kopenhagen schon darüber nachgedacht, ob sich das Modell auch auf andere Länder übertragen lässt, "denn der Mangel an akademischen Fachkräften in der Informationstechnik ist kein typisch deutsches Problem", berichtet Kristina S¢ndberg, die für das internationale Personal-Recruiting verantwortlich ist.

Natürlich sieht sie den Planungs- und Anpassungsaufwand, der bei den international unterschiedlichen Ausbildungssystemen zu leisten ist; trotzdem hält sie den Grundgedanken, an die Hochschulen zu gehen und den akademischen Nachwuchs schon früh mit attraktiven Angeboten an das Unternehmen zu binden, durchaus für übertragbar. In Deutschland erhofft sie sich von der NCC mehr als von der viel zitierten Green-Card-Initiative: "Natürlich begrüßen wir jede Liberalisierung am Arbeitsmarkt - aber für unser Unternehmen, dessen Vertriebspartner beim Kunden vor Ort beratend tätig sind, bringt das kaum Vorteile." Zu groß seien hier nicht nur die sprachlichen und kulturellen Barrieren, sondern auch die nationalen Unterschiede im Rechts- und Steuersystem.

Die Aktionen an den Universitäten sind im April angelaufen, Ende Mai standen die ersten zwölf NCC-Teilnehmer fest - ausgewählt aus mehr als 40 Bewerbern. Die ersten 50 Community-Mitglieder sollen, so das Nahziel, bis Ende des Jahres gefunden sein.*Holger Eriksdotter ist freier Journalist in Hamburg.