Online-Training/Allianz setzt bei der Erstausbildung auf E-Learning

Intranet-Plattform schafft Freiräume für Azubis und Ausbilder

11.08.2000
Das Versicherungsunternehmen betreibt mit dem "Allianz Lern Forum" (ALF) eine Intranet-gestützte Lernplattform, mit dem die Auszubildenden auf alle Inhalte zugreifen. Sie können ihre Lernprozesse mitgestalten und Seminare vorbereiten. Daniel Dirks, Leiter Fachbereich Bildung, berichtet im CW-Gespräch* über seine Erfahrungen mit E-Learning.

CW: Seit wann setzt die Allianz auf E-Learning?

DIRKS: Wenn Sie unter E-Learning auch den Einsatz von Computer-based Training (CBT) verstehen, dann schon seit weit mehr als zehn Jahren. Wir haben das Medium CBT als Ergänzung zu anderen Bildungsmaßnahmen sehr intensiv vorangetrieben, allein im vergangenen Jahr an die 8000 CBTs ausgesandt. Wir entwickeln ständig selbst neue CBTs, allerdings heute immer mit Blick auf den künftigen Einsatz als Web-based Training (WBT). Hier sind zum Teil andere didaktische Zugänge erforderlich. Für E-Learning im Sinne von netzgestütztem Lernen haben wir jetzt mit unserem Allianz Lern Forum ALF eine ganz neue Tür aufgestoßen.

CW: Wie sieht ALF konkret aus?

DIRKS: Auf dieser Intranet-Plattform wird der Inhalt der Erstausbildung strukturiert abgelegt. Das sind schon bestehende CBTs, aber auch ganz neue Programme, die wir für ALF erstellt haben. Die Auszubildenden greifen über das Intranet auf die Lerninhalte zu - selbstver-antwortliches Lernen und ein hoher Dialog- beziehungsweise Kommunikationsanteil sind hier die Stichworte. Über Chatforen und Newsgroups können alle Anwender, also Ausbilder und Auszubildende, miteinander kommunizieren, ihre Erfahrungen austauschen oder sich bei Problemen gegenseitig helfen. Wir schöpfen also alle Möglichkeiten der Internet-Technologie voll aus.

CW: Seit wann gibt es das Lernforum?

DIRKS: Die ersten Vorbereitungen liegen etwa zweieinhalb Jahre zurück. Im April 1999 begannen wir mit der konkreten Umsetzung. Um das System vor dem unternehmensweiten Einsatz gründlich zu evaluieren und zu optimieren, wurde ALF zunächst in vier Pilotfeldern erprobt: Die erste Gruppe von 80 Ausbildern ist seit Anfang 2000 am Netz, die Azubis sind seit März angeschlossen - auch hier wiederum zunächst nur eine Teilgruppe von etwa 800 Anwendern. Ursprünglich war geplant, ALF erst im nächsten Jahr allen Auszubildenden und Ausbildern zugänglich zu machen, aber die Nachfrage ist so groß, dass wir versuchen, bis Ende 2000 alle 1600 Azubis und 150 Ausbilder ans Netz zu bringen.

CW: Die Akzeptanz durch die Anwender ist also gut?

DIRKS: Das Interesse ist enorm, man muss fast von Begeisterung sprechen. Die Auszubildenden als junge Zielgruppe sind den Umgang mit dem Computer und die Möglichkeiten von Internet und Intranet gewohnt. Unter anderem deswegen haben wir sie als Nutzergruppe unseres Online-Pilotprojekts ausgesucht. Die Ausbilder sind eine weitere wichtige Zielgruppe. Ihre Arbeitsabläufe ändern sich durch das Lernprogramm grundlegend: Sie werden noch mehr zu Beratern der Azubis und haben mehr Zeit für interaktive und kreative Prozesse der Ausbildung. Die von ihnen erstellten Aus-bildungsmaterialien werden unternehmensweit genutzt. Dadurch wird ihre Arbeit transparenter. Wir waren zunächst nicht sicher, wie die Ausbilder darauf reagieren würden. Aber deren Resonanz ist überwiegend positiv: Sie erleben die Begeisterung bei den Azubis, was sich positiv auf ihre eigene Motivation auswirkt, und sie spüren die Arbeitserleichterungen, die ALF ihnen mittelfristig bringt.

CW: Was sind das für Arbeitserleichterungen?

DIRKS: Die Ausbilder müssen heute nicht mehr alle Materialien selbst entwickeln, sondern können auf Ergebnisse ihrer Kollegen zurückgreifen. Das schafft Freiräume, um individuelle Interessenschwerpunkte auszubauen und sich auf bestimmte Ausbildungsgebiete zu spezialisieren.

CW: Welche Vorteile bringt eine Web-basierende Lernplattform darüber hinaus?

DIRKS: Von der didaktischen Seite her profitieren die Anwender in erster Linie von den interaktiven Funktionen einer Lernplattform. Auszubildende, aber auch Ausbilder können sich unabhängig vom Standort untereinander austauschen und einander helfen. Ökonomisch gesehen, ist Online-Learning dort erfolgreich, wo es darum geht, Lerninhalte einer großen Benutzergruppe zur Verfügung zu stellen - und das auch noch über einen weiten geografischen Raum.

CW: Was würden Sie einem Unternehmen, das eine Lernplattform einsetzen möchte, mit auf den Weg geben?

DIRKS: Die Verantwortlichen sollten sich genau anschauen, für welche Zielgruppen das Lernangebot gedacht ist und für welche Themen die Plattform eingesetzt werden soll. Wichtig ist, das Produkt unternehmensintern professionell zu vermarkten und die späteren Anwender von Anfang an in die Entwicklung des Projekts einzubinden. Denn jedes Online-Learning-System lebt nur von seinen Anwendern und nicht von den Entwicklern oder Administratoren. Ebenso entscheidend sind ein schlüssiges Implementierungskonzept und eine zuverlässige Evaluation, um das Produkt zu optimieren und einen möglichst hohen Nutzen zu erzielen.

CW: Wie sind Sie vorgegangen, nachdem die grundsätzliche Entscheidung für ALF gefallen war?

DIRKS: Wir haben die Angebote mehrerer Unternehmen geprüft und uns schließlich für das der Firma Trilog entschieden - nicht zuletzt weil diese neben der technischen Qualifikation auch Kenntnisse der Versicherungsbranche mitbringt. Das Verständnis der Inhalte ist natürlich unerlässlich, wenn es darum geht, eine Lernplattform aufzubauen. Es ist nicht einfach damit getan, eine Plattform zu entwickeln und Inhalte reinzustellen. Wir brauchen vielmehr einen Partner, der Einblick in die Abläufe und Themen unserer Branche hat, denn nur mit diesem Fachwissen lassen sich bestimmte Inhalte didaktisch sinnvoll umsetzen.

CW: Welche Kriterien spielten bei der Wahl des Partners für ALF eine Rolle?

Dirks: Ein wichtiger Aspekt war die interaktive Komponente: der Austausch zwischen den Anwendern - und das bundesweit zwischen allen Standorten der Allianz. Außerdem erwarteten wir ein schlüssiges Konzept, wie man mit den verschiedenen Lernmaterialien umgeht und die ständige Aktualisierung des Inhalts sicherstellt. Dafür muss das System eine klare Verantwortungsstruktur liefern und transparent machen, wer für welche Bereiche zuständig ist. Wenn das nicht geklärt ist, haben Sie ganz schnell veraltete Dokumente im System stehen. Schwindet das Vertrauen der Anwender in die Zuverlässigkeit der Inhalte, ist das der Anfang vom Ende jedes Online-Learning-Systems. Zudem spielte auch die Möglichkeit, das System auszubauen, eine Rolle. Unsere Lösung lässt sich auch über reines E-Learning hinaus einsetzen. Stichwort: unternehmensweites Knowledge-Management. Mit ALF haben wir im Grunde genommen nicht nur Online-Learning eingeführt, sondern unterstützen auch unser Wissens-Management.

*Das Gespräch führte Sebastian Pauls, freier Journalist in München.