Interview

Interview "Wir erwarten keine Riesensprünge"

26.03.1999
Henning Kagermann, SAP-Vorstandssprecher, sprach mit den CW-Redakteuren Bernd Seidel und Christoph Witte.

CW: In den USA haben einige Manager das Unternehmen verlassen. Rechnet die SAP angesichts schwächerer Nachfrage im ERP-Markt mit höherer Fluktuation?

Kagermann: Nein. Nur allein aus der Tatsache, daß einige Manager das Unternehmen verlassen haben, kann man nicht auf eine höhere Fluktuation schließen. Diese liegt bei uns durchschnittlich weltweit bei etwa fünf Prozent. Das ist in unserer Branche sehr gering.

CW: Aber warum sind diese Mitarbeiter gegangen?

Kagermann:Der ehemalige CEO von SAP Americas Paul Wahl wollte ein eigenes Unternehmen aufbauen. Nach seinem Ausstieg haben dann ein oder zwei ihm nahestehende Manager ebenfalls das Unternehmen verlassen. Der Schritt von President Jeremy Coote hat uns sehr verwundert. Er war zehn Jahre bei der SAP und hat eigenen Angaben zufolge aufgrund unseres Stock-Options-Plans, der für ihn nicht lukrativ genug war, das Unternehmen verlassen. Nach einer so langen Zeit sollte man aus unserer Sicht nicht nur ans Geld denken.

CW: In den ersten beiden Quartalen rechnet die SAP laut ihrem US-Stadthalter Kevin McKay mit einer "flauen" Umsatzentwicklung. Von welchen Zahlen gehen Sie aus?

Kagermann: Wir streben für das Gesamtjahr ein Umsatzwachstum von 20 bis 25 Prozent an, bei gleichzeitiger leichter Steigerung der Profitabilität. Wir erwarten aber keine Riesensprünge

CW: Wie wird sich das Verhältnis von Lizenz- zu Service-Geschäft entwickeln?

Kagermann:Bislang erwirtschaften wir einen Umsatz, der zu 60 Prozent vom Produktgeschäft und 40 Prozent von Service und Dienstleistungen getragen wird. Die Einnahmen aus Lizenzverkäufen sind auf der einen Seite sehr profitabel, aber wir bekommen immer stärker eine Mischung aus neuen Kunden und Betreuung der installierten Basis. Unser Ziel ist es zudem, uns stärker in Projekten zu engagieren. Wir rechnen somit, den Service-Anteil zu erhöhen.

CW: Wie wollen Sie die stagnierenden Umsätze im ERP-Geschäft kompensieren?

Kagermann:SAP ist ja nicht auf ERP allein ausgerichtet, sondern wir bedienen mit unseren "New-Dimension"-Produkten Anwendungsgebiete wie etwa Business Intelligence, Customer-Relationship- und Supply-Chain-Management. Darüber hinaus bauen wir unsere branchenspezifischen Lösungen aus.

CW: Der Markt für die New-Dimension-Produkte ist aber viel kleiner...

Kagermann: Zur Zeit noch, doch laut optimistischen Prognosen von Analysten soll sowohl dieses Marktsegment als auch der Absatz von vertikalen Lösungen das Volumen des ERP-Marktes bereits in drei Jahren erreicht haben. Somit ergibt sich ein Gesamtmarkt, der etwa dreimal so groß ist wie der heutige ERP-Bereich.

CW: Welchen Anteil werden die neuen Produkte am Umsatz haben?

Kagermann: Für dieses Jahr haben wir keine Vorgaben. Wir rechnen aber damit, in den nächsten drei bis fünf Jahren den Umsatz jeweils zu einem Drittel aus ERP-, New-Dimension- und Branchenlösungen zu bestreiten.

CW: Die neue R/3-Oberfläche "Enjoy SAP" soll nun auch unbedarften Anwendern das System schmackhaft machen. Versprechen Sie sich davon einen zusätzlichen Umsatzanreiz?

Kagermann:Enjoy verschafft uns Zutritt zu einer großen Zahl von Gelegenheitsnutzern. Zudem haben wir durch das Browser-basierte GUI keinen Bruch zwischen neuen Internet-Anwendungen und dem R/3-System, was auch für neue Kunden interessant ist.

CW: Mit Enjoy fassen Sie sehr viele Anwendungsschritte und Dialoge in einer Maske zusammen. Ist der Umschulungsaufwand für Bestandskunden nicht sehr hoch?

Kagermann:Nein, im Gegenteil: Der Schulungsaufwand wird sehr gering sein. Wir haben das getestet, die Anwender können die neue Oberfläche sofort bedienen. Wir haben zudem die Möglichkeit, Masken spezifisch auszuprägen.

CW: Lenkt die SAP durch die Enjoy-Initiative nicht von der eigentlichen Problematik ihrer Software ab. Das R/3-Kernprodukt ist sehr kompliziert und wird dies auch zukünftig bleiben. Die Entflechtung in einzelne separate R/3-Kernmodule läßt seit über zwei Jahren auf sich warten.

Kagermann:Wir fahren eine Parallelstrategie, zu der das neue Front-end gehört, und auf der anderen Seite arbeiten wir weiter daran, die Finanz- und Logistikanwendungen Schritt für Schritt zu entkoppeln.