Interview

Interview "Uns ist ein Quick Fix gelungen"

12.03.1999
Mit August-Wilhelm Scheer, Gründer und neuer Aufsichtsratsvorsitzender der IDS Scheer AG, Saarbrücken, sprach Beate Kneuse

CW: Ist Ihr neues Amt als Aufsichtsratschef als Rückzug aus dem Unternehmen IDS Scheer zu bewerten?

Scheer: Keineswegs. Vielmehr habe ich zum ersten Mal überhaupt eine offizielle Funktion bei IDS Scheer. Bisher habe ich die Tätigkeit eines Beraters im Hintergrund ausgeübt. Nun ist dies lediglich institutionalisiert worden.

CW: Trotzdem war in der Öffentlichkeit immer der Eindruck vorherrschend, ohne Sie laufe bei IDS Scheer nichts.

Scheer: Was eben ein falscher war. Ich war nie für das operative Business zuständig. Ich habe zwar die Gesellschaft gegründet, wollte mich selbst aber nicht zum Hindernis für im Tagesgeschäft notwendige Entscheidungen machen.

CW: Streifen wir kurz das Thema Internationalisierung. Mit fünf Auslandstöchtern in den USA, in Japan, in der Schweiz, in Frankreich und in Großbritannien gibt es auf der IDS-Landkarte noch jede Menge weiße Flecken.

Scheer: Das ist richtig. Wir können sicher noch nicht behaupten, ein internationales Unternehmen zu sein. Da bin unter anderem ich gefordert, um die fachlichen Inhalte, die zum Teil aus meinem Forschungshintergrund entstanden sind, auch international in Form von Produkten voranzubringen.

CW: Was war denn der Grund dafür, daß IDS Scheer 1997 sowenig Umsatzzuwachs zu verzeichnen hatte?

Scheer: Zunächst einmal lassen sich die Umsatzzahlen von 1996 (88 Millionen Mark, Anm. d. Red.) und 1997 (90,7 Millionen Mark) nicht vergleichen, da wir 1997 bereits nach US-Recht bilanziert haben. Aber wir hatten 1997 tatsächlich nicht das Wachstum der Vorjahre oder das des zurückliegenden Geschäftsjahres 1998 (siehe Seite 94). Es war ein Jahr der Restrukturierung. Wir haben unsere Produktpolitik geändert und einige Produkte, die wir fast fertiggestellt hatten, nicht auf den Markt gebracht.

CW: Was waren das für Produkte?

Scheer: Ein Workflow-System und eine Software-Architektur, die darauf aufbaute, direkt aus Modellen Anwendungssoftware zu generieren. Aber unsere Ideen haben wir nicht aufgegeben. Wir realisieren sie jetzt mit Partnern - etwa mit SAP. Darin sehen wir einen größeren Vorteil, als wenn wir uns mit eigenen Lösungen in diese heißumkämpften Märkte gewagt hätten, in denen selbst die Spezialisten kaum Gewinne erzielen.

CW: Aber gerne stampft ein Softwarehaus Entwicklungen sicher nicht ein.

Scheer: Natürlich ist uns die Entscheidung schwergefallen. Aber sie war richtig. Uns ist, wie man in der Branche sagt, ein "Quick Fix", eine Schnellreparatur, gelungen. Und wir haben kein Personal abgebaut, so wie das heute gang und gebe ist, sondern Mitarbeiter, die wir in der Produktentwicklung hatten, in den Dienstleistungsbereich überführt.

CW: Den Anbietern von Enterprise-Resource-Planning-(ERP-)Systemen scheinen kargere Zeiten bevorzustehen.

Scheer: Die Wachstumsraten schwächen sich ab, werden aber mit 20 bis 30 Prozent pro Jahr immer noch recht hoch sein. Außerdem fallen bei diesen Systemen immer mehr Serviceleistungen an, wovon auch die ERP-Anbieter profitieren. Viel wichtiger wird aber in Zukunft Lösungs- und Organisations-Know-how sein.

CW: Vor allem hier rechnen Sie sich eine Chance aus, in die Phalanx der "Big Five", also der großen US-Beratungshäuser, einzudringen. Woher nehmen Sie diesen Optimismus?

Scheer: Es ist nicht so sehr Optimismus, sondern vielmehr ein Traum. Es wäre toll, wenn es uns gelingen würde, diese neue Richtung der Auslagerung von Management-Funktionen mitzubestimmen. Denn das ist der Trend, der hinter dem Wachstum dieser großen US- Beratungsgesellschaften steht. Unternehmen wollen zum Beseitigen bestimmter Problemsituationen auf aktuelles Wissen zugreifen können. Ein Organisator, der bereits 25 Jahre im Haus ist, nutzt ihnen da wenig. IDS Scheer hat entsprechendes Know-how. Wir wissen, wie man Unternehmen organisiert, wir bieten Logistik- und Produktentwicklungskonzepte an, wir beherrschen Komplexität.

CW: Könnten Sie sich vorstellen, noch einmal etwas ganz Neues anzufangen?

Scheer: Zunächst einmal ist die IDS Scheer nach wie vor ein Abenteuer für mich. Die große Bewährungsprobe der Internationalisierung steht uns noch bevor; im zweiten Quartal gehen wir an die Börse. Über die weitere Zukunft zu spekulieren beschäftigt mich momentan nicht.