Interview

Interview "Nur der Anbieter überlebt, der Produkte verschenkt"

24.04.1998

CW: Die kürzlich fertiggestellte "Provision"-Suite hat Kritiker auf den Plan gerufen.Sie werfen Platinum vor, zu spät in den Wettbewerb um das unternehmensweite Management eingegriffen und damit Tivoli und Computer Associates (CA) unfreiwillig einen enormen Vorsprung eingeräumt zu haben.

Filipowski: Das können nur dumme und naive Leute gesagt haben.

CW: Wird Provision ein Produkt für neue oder für existierende Platinum-Kunden sein?

Filipowski: Unser "Platinum Open Enterprise Management System" (Poems), eine Art verteilte Architektur zur Integration von Komponenten, ist seit zwei Jahren in der Entwicklung, und wir werden es weiter verfeinern.Bis Ende 1998 kommt eine Provision-Version auf den Markt, die auf Poems basiert und die volle Integrationsfähigkeit von Management-Produkten sicherstellt.

Poems ist die dritte Integrationsgeneration.Denken Sie etwa an "Visicalc", eines der ersten Tabellenkalkulations-Produkte.Daraus entstand "Lotus 1-2-3" und später "Excel", das nun die dritte Generation repräsentiert.Jedes ausgereifte Produkt durchläuft diesen Entwicklungsprozeß.

Ein Vertreter der ersten Generation ist CAs "Unicenter".Es funktioniert nicht und läßt sich nicht einsetzen.Zur zweiten Generation zählt Tivolis "TME-10"-Architektur, die Züge von Überlebensfähigkeit aufweist.Unserer Meinung nach ist Provision voll und ganz integrationsfähig.

Damit werden wir Erfolg haben, und zwar aus folgenden Gründen: Zunächst sind die zehn weltgrößten IT-Anwender fast alle Platinum-Kunden.Sie erhalten Poems kostenlos.Ende 1998 werden wir eine Basis von 15000 bis 20000 Kunden haben.

CW: Können Sie den Lebenszyklus der Produktsammlung beschreiben?

Filipowski: Jede neue Ära erzeugt Tausende von konkurrierenden Produkten.Frühe Plattformen wie Unicenter werden eine Geschichte wie etwa "Symphony" erleben (Anm. d.Red.: Symphony ist eine ehemalige Desktop-Suite von Lotus).In der Werteskala aller verfügbaren Lösungen am Markt stehen sie auf Platz 15 bis 30. Ihr Erwerb ist kaum zu empfehlen.

Ein weiteres Beispiel für die zweite Entwicklungsstufe ist der Versuch, Standards im Markt zu etablieren.Normalerweise wird der Anbieter überleben, der seine Produkte verschenkt.Für Object Linking and Embedding (OLE) mußten die Anwender nichts zahlen.Die Leute haben mit Excel und Word auch OLE erworben, ohne es zu wissen.Irgendwann haben sie sich derart an OLE gewöhnt, daß sie nicht mehr ohne arbeiten konnten.Aus demselben Grund werden wir Poems verschenken.Die User müssen sich nicht entscheiden, sie bekommen das Produkt einfach.Mit TME 10 wählen Anwender eine Plattform, die sie ein bis zwei Millionen Dollar kostet.

CW: Aber aufgrund der vielen Akquisitionen könnte Platinum in finanzielle Schwierigkeiten geraten.

Filipowski: Nur naive Einschätzungen unserer finanziellen Lage können zu einem solchen Schluß kommen.Wir haben Milliarden Dollar für Akquisitionen ausgegeben, ohne einen Dollar Schulden zu machen.Auf der Bank liegen immer noch 150 Millionen Dollar.Auch wenn man die Firmenaufkäufe nicht mitrechnet, sind wir im letzten Jahr um 46 Prozent gewachsen.

CW: Was denken Sie über die Auseinandersetzung im Datenbankmarkt?

Filipowski: Oracle hat einen unglaublichen Vorsprung.Die einzige Company, die an Oracle heranreicht, ist Microsoft.Ich sehe auch keinen Anbieter mit rein objektorientierten Datenbanken, der dem Marktführer das Wasser reichen kann.Es wird künftig nur eine Handvoll Konkurrenten in diesem Markt geben.Die meisten werden verschwinden.IBM könnte möglicherweise eine starke Rolle im Markt für Multiple Virtual Storages (MVS) spielen.

CW: Was denken Sie über Java?

Filipowski: Java ist wichtig, denn es ist der einzige Weg für einen Softwarehersteller wie Platinum, um der Herausforderung durch die heterogenen Umgebungen zu begegnen.Wir könnten 20 bis 40 Prozent unserer Entwicklungskosten einsparen, wenn wir nicht immer Produkte auf andere Plattformen portieren müßten..