Interview mit Frank Thoms, Sprecher der VG-Wort

24.04.2001

CW: Nachdem sich die IT-Industrie bei der von Ihnen geforderten PC-Urheberrechtsabgabe von 30 Euro quer gestellt hat, klagt die VG-Wort nun gegen Fujitsu-Siemens Computers. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?

Thoms: Es hat Gespräche mit dem Justizministerium und der Industrie über die von uns geforderte Urheberrechtsabgabe gegeben. Aber die Industrie will die Abgabe nicht einführen. Deswegen müssen wir handeln. Während die Unternehmen auf Zeit spielen, haben wir es eilig, weil den Autoren und Verlagen Einnahmen entgehen.

CW: Die Industrie strebt anstelle der pauschalen Abgabe eine auf Rechte-Management gestützte individuelle Gebühr für digitale Inhalte an. Wie stehen Sie zu dem Vorschlag?

Thoms: Hier sind zwei Dinge zu berücksichtigen. Zunächst geht es uns nur darum, dass die Autoren ihr Geld bekommen. Deshalb haben wir grundsätzlich nichts gegen ein Individualsystem. Voraussetzung ist aber, dass es funktioniert und flächendeckend verfügbar ist. Es gibt einige Modelle, allerdings ist keines davon auch nur halbwegs sicher. Fachleute haben uns bestätigt, dass das noch Zukunftsmusik ist. Im günstigsten Fall wäre man in der Lage, 50 Prozent der Inhalte gegen unkontrollierte Verbreitung zu schützen. Napster ist das beste Beispiel dafür, dass es derzeit nicht funktioniert. Eine zweite, durchaus politische Frage ist, ob man einen perfekten Kopierschutz überhaupt will. Es herrscht ein weitgehender Konsens darüber, dass für Forschung und private Zwecke das freie Kopieren auch in Zukunft erlaubt sein soll. Wenn man allerdings auch in Zukunft privat kopieren darf, dann braucht man auch weiterhin die Geräteabgabe.

CW: Haben Sie als Verwertungsgesellschaft auch politischen Einfluss auf Urheberrechts- und Vergütungsfragen, oder richten Sie sich allein nach den Vorgaben aus der Politik?

Thoms: Wir sind als treuhänderische Gesellschaft unter staatlicher Aufsicht an das Gesetz gebunden. Würde der Gesetzgeber beispielsweise im Rahmen der neuen EU-Richtlinien das kostenlose Kopieren stark einschränken oder verbieten und somit die Grundlage für die pauschale Vergütung beseitigen, dann müssten wir das akzeptieren.

CW: Es war immer wieder zu hören, dass die VG-Wort auch technisch notwendige Kopien von Texten - beispielsweise in den Zwischenspeicher des Browsers - mit Abgaben belegen will.

Thoms: Hier unterscheiden wir. Unserer Ansicht nach findet dabei durchaus eine Vervielfältigung statt, und die Daten liegen für Stunden oder auch länger im Zwischenspeicher. Alle Formen einer Kopie in den Arbeitsspeicher des Rechners sollen eben durch die PC-Abgabe vergütet werden. Nicht vom Urheberrecht betroffen sind allerdings Kopien auf Servern, wie sie beispielsweise mehrfach beim Versenden einer E-Mail auftreten.

CW: Neben der Abgabe auf den PC fordern Sie aber auch weiterhin die gesonderten Abgaben auf verschiedene Peripheriegeräte wie Scanner oder CD-Brenner. In der Summe entstehen dadurch beträchtliche Kosten für den Käufer.

Thoms: Hier muss man die Nutzungsintensität berücksichtigen. Wer einen mit Vervielfältigungskomponenten hochgerüsteten PC kauft, sollte auch mehr zahlen. Für einen normalen Digitalkopierer, der aus den Einzelbestandteilen Scanner, Rechner und Drucker besteht, gibt es eine Abgabe von 75 Mark. Warum sollten diese Abgaben entfallen, wenn man das Gerät in seine Einzelkomponenten zerlegt? Für die Einzelteile zahlt der Kunde entsprechend weniger, wobei etwa die schon seit Jahren erhobene Abgabe von 16 Mark auf Scanner wie die eigentlich schon beschlossenen 9,60 Mark für CD-Brenner nicht großartig ins Gewicht fallen.

CW: Derzeit vergütet VG-Wort nur Autoren, die in Printpublikationen veröffentlichen. Wann werden auch Online-Inhalte berücksichtigt?

Thoms: Sobald es die PC-Abgabe gibt, denn für die elektronische Vervielfältigung kriegen wir ja noch kein Geld. Wir sind dann gesetzlich gehalten, einen Verteilungsplan aufzustellen, um das Geld gerecht an die Rechteinhaber auszuschütten. Das wird nicht einfach sein, denn man kann ja nicht jeden Homepage-Betreiber berücksichtigen. Wir werden uns mit den Rechteinhabern aller Couleur zusammensetzen, um einen gangbaren Weg zu finden.

CW: Angesichts der unüberschaubaren Vielfalt des Internet dürfte es für Sie aber keine einfache Aufgabe sein, hier eine auf breiter Front akzeptierte Lösung zu finden.

Thoms: Auch bisher hat man eigentlich keinen wirklichen Überblick darüber, was alles durch Kopierer läuft. Wir werden hier pauschale Wege und Kontrollmechanismen finden, so wie wir sie in der Vergangenheit für Printmedien finden mussten. Im elektronischen Bereich gibt es immerhin den Vorteil, dass Nutzungen registrierbar sind.

CW: Gegner der Pauschalabgabe aus der Industrie verweisen auf die Wettbewerbsverzerrung durch unterschiedliche nationale Regelungen.

Thoms: Deutschland spielt sicher eine Vorreiterrolle bei der PC-Abgabe, aber mittlerweile gibt es in Europa eine Reihe von Ländern, die ebenfalls Abgaben erheben, zum Beispiel Österreich, Belgien, Spanien, und Griechenland. Viele Regierungen, auch osteuropäische, haben ein System nach deutschem Vorbild eingeführt, und wenn bei uns die PC-Abgabe kommt, werden sie nachziehen.