Börsengang voraussichtlich am 18. Juni

Intershop: Warten auf den Urknall im E-Commerce-Geschäft

08.05.1998

Die 1996 vom thüringischen Jena nach San Franzisko "ausgewanderte" Intershop Communications Inc. konnte 1997 mit 5,7 Millionen Dollar ihren Umsatz gegenüber dem Vorjahr (600000 Dollar) fast verzehnfachen. Nach einem Minus von drei Millionen Dollar 1996 ergab sich im vergangenen Jahr jedoch ein außerordentlich hoher Jahresfehlbetrag von 7,9 Millionen Dollar.

Stark ins Gewicht fällt dabei sowohl auf der Aktiv- als auch auf der Passivseite der Intershop-Bilanz ein im Juli 1997 mit der Deutschen Telekom AG abgeschlossener Lizenzvertrag mit einem Volumen von insgesamt 13,4 Millionen Dollar und einer Laufzeit von drei Jahren. Im Rahmen des seinerzeit sehr publicityträchtigen Deals entfallen den Angaben zufolge 11,4 Millionen Dollar auf Lizenzerlöse und zwei Millionen Dollar auf Wartungsleistungen, die separat quartalsweise abgerechnet werden. Da jedoch die Telekom bereits die gesamte Lizenzgebühr bezahlt hat, davon jedoch aus bilanztechnischen Gründen 1997 nur 1,9 Millionen Dollar als Einnahmen ausgewiesen werden, schlagen derzeit auf der Passivseite sogenannte Rechnungsabgrenzungsposten von rund elf Millionen Dollar für noch zu erbringende Leistungen (Software-Updates, Wartungsdienste) zu Buche.

Weitere Kennziffern der Bilanz: Die Investitionen in Forschung und Entwicklung stiegen gegenüber 1996 von 400000 auf 1,1 Millionen Dollar, die Ausgaben für Vertrieb und Marketing erhöhten sich von 1,4 auf 5,4 Millionen Dollar. Die Standorte Jena und San Franzisko wurden 1997 um weitere Niederlassungen in Hamburg, Stuttgart, London und Paris ergänzt. Die Zahl der weltweiten Mitarbeiter wuchs von 65 (erstes Quartal 1997) auf derzeit 265.

Eine rasante Entwicklung, die nach Ansicht von Firmengründer und CEO Stephan Schambach jetzt bereits erste Früchte trägt. So sei die 1996 erstmals angebotene Standardlösung "Intershop" heute schon die meistverkaufte Software für den Vertrieb von Produkten sowie Dienstleistungen im Internet und bei mehr als 1500 Kunden im Einsatz. Mit dem auf der CeBIT vorgestellten aktuellen Release 3.0, bei dem die Kunden zwischen einer Merchant Edition (geeignet für den Direktvertrieb von Produkten über einen "WWW-Store") oder Hosting Edition (konzipiert für Internet-Service-Provider zum Betrieb mehrerer "Stores") sowie ein Developer Edition und Zusatzprodukten beziehungsweise vertikalen Lösungen wie etwa SAP-Integrationstools wählen können, sei man derzeit einer der wenigen "Vollsortimenter". 59 Prozent des Gesamtumsatzes entfielen 1997 auf Einnahmen aus dem Lizenzgeschäft - ein Wert, der mittelfristig auf bis zu 75 Prozent steigen soll.

Doch das rasante Wachstumstempo, daß die Mannen um den in Deutschland mehr denn je als Vorzeigeunternehmer gehandelten Schambach vorlegen, fordert auch seinen Tribut. Vor allem der weitere Weg zum Global Player kostet Geld, denn noch immer ist das Geschäft der Newcomer sehr stark von Europa abhängig. Der voraussichtlich am 18. Juni am Neuen Markt in Frankfurt stattfindende Börsengang soll deshalb frisches (Eigen)kapital in die Kasse bringen. "Wir wollen und müssen unser weiteres Wachstum finanzieren", gab der Intershop-Chef vor der Presse unverblümt zu, was im Zweifel auch eigene Akquisitionen bedingt. Die Übernahme direkter Wettbewerber schloß Schambach indes aus. Nicht aber die Möglichkeit, das sein Unternehmen, an dem derzeit neben den Gründern und Mitarbeitern sowie einer vor knapp zwei Jahren eingestiegenen Venture-Capital-Gesellschaft (38 Prozent) auch Deutsche Telekom und France Télécom mit 7,5 beziehungsweise 5,8 Prozent beteiligt sind, selbst zum Objekt der Begierde werden könnte. Schambach wörtlich: "Wir würden uns einer interessanten Offerte nicht aus religiösen Gründen verweigern, sondern stets im Interesse unserer Aktionäre handeln. Allerdings haben wir noch nicht vor, in Rente zu gehen."

Mit jedem weiteren prominenten Namen auf der Kundenliste (neben Siemens-Nixdorf, der Hewlett-Packard GmbH finden sich hier mittlerweile auch Otelo, Cegetel oder Swisscom) wird das Unternehmen jedenfalls interessanter - im Zweifel auch für die Großen der Branche, die verspätet auf den E-Commerce-Zug aufspringen wollen. Ob selbiger überhaupt abfährt, hält man indes auch bei Intershop - zumindest hinter vorgehaltener Hand - für noch nicht ganz ausgemacht. Schambach vertraut jedoch den einschlägigen Prognosen der Marktforscher, die allein für den Business-to-Business-Markt in Sachen E-Commerce bis zur Jahrtausendwende ein Volumen von weltweit mehr als 100 Milliarden Dollar prognostizieren - entsprechende Aussichten für Anbieter von E-Commerce-Software inklusive.

Alles im Lot?

Die Umsatzentwicklung entspricht bei Intershop der eines Wachstumsunternehmens. Mit einem Anteil von 1,7 Millionen Dollar (weitere 1,2 Millionen Dollar flossen aus dem Telekom-Deal in die Kasse) war allerdings auch im ersten Quartal 1998 das Geschäft noch sehr auf Europa fokussiert.Quelle: Intershop Communications