E-Commerce-Pionier positioniert sich neu

Intershop mit Partnern - die bessere IBM?

07.09.2001
MÜNCHEN (hi/fn) - Als Komplettanbieter von E-Business-Lösungen will sich die Intershop AG aus Jena neu am Markt positionieren. Mit der Abkehr von der reinen E-Commerce-Lehre hofft das Unternehmen den wirtschaftlichen Turnaround zu schaffen und wieder schwarze Zahlen zu schreiben.

Es gab eine Zeit, da wurde die Intershop AG in der E-Commerce-Euphorie von den Analysten in den Börsenhimmel gelobt. Doch genau so schnell straften die Jubler von einst das Unternehmen ab, als die Krise der Dotcoms die Nachfrage nach Shop-Lösungen einbrechen ließ. Auf einmal waren Cashburn-Raten von fast 55 Millionen Mark im Quartal kein Qualitätssiegel mehr, sondern ein Menetekel. Selbst der harte Tritt auf die Kostenbremse konnte die Analysten nicht milde stimmen. Unverständlich, reduzierte doch das Jenaer Unternehmen im zweiten Quartal seine operativen Kosten und steigerte als eines der wenigen IT-Unternehmen seinen Umsatz um zehn Prozent. Im Lizenzgeschäft wurde sogar ein Plus von 37 Prozent verbucht. Im vierten Quartal will Intershop wieder profitabel sein.

Vor diesem Hintergrund will Unternehmensgründer und CEO Stephan Schambach künftig weniger auf die Börse schielen, sondern seine Kompetenz als Lösungsanbieter in den Vordergrund stellen. Eine Kompetenz, die Schambach vor allem im E-Business-Bereich unter Beweis stellen will, denn die Shop-Lösungen, mit denen die Firma groß wurde, spielen künftig nur noch eine untergeordnete Rolle. Ein Paradigmenwechsel, den der Unternehmensgründer damit begründet, dass bei vielen Unternehmen die Kosten für die Auftragserfassung noch immer zu hoch seien. Hier liege ein Rationalisierungspotenzial, dessen Auswirkungen auf die Unternehmen größer und nachhaltiger seien als Mehreinnahmen aus dem Web-Verkauf.

Als Lösung hierfür propagiert Schambach die hauseigene E-Business-Plattform Enfinity, die je nach Version mit Standardfunktionen für verschiedene Branchen ausgeliefert wird. Der Modulcharakter der Software erinnert stark an das Konzept von SAP. So kann derAnwender für Auktionen, Shops und Content-Management eine für sein E-Business-Vorhaben maßgeschneiderte Lösung zusammenstellen. Als potenzielle Zielgruppe hat Intershop dabei die Fortune-500-Unternehmen im Visier. Hier verzeichnet Schambach nach eigenen Worten insbesondere bei den Branchenlösungen "Retail" und "Automotiv" eine große Nachfrage.

Bei der Neupositionierung als Lösungsanbieter setzen die Jenaer zudem verstärkt auf die Zusammenarbeit mit Partnern wie etwa HP. "Intershop mit dem Partner HP ist die bessere IBM", gibt sich CEO Schambach kämpferisch, der in Big Blue auf dem Gebiet der E-Business-Lösungen seinen größten Konkurrenten sieht. Dabei verfolgt der Manager im Vergleich zu IBM ein grundsätzlich anderes Business-Modell: Man werde die Kunden nicht mit billigen Lizenzen wie etwa bei Websphere ködern, um dann an der Consultant-Leistung zu verdienen. Vielmehr verspricht er seinen Kunden mit Paketen, die bei durchschnittlicher Ausstattung um die 3,5 Millionen Euro kosten, Out-of-the-BoxLösungen, die für die jeweilige Branche auch Standardfunktionen beinhalten.

In diesem Zusammenhang hält der CEO auch die Tage der Application-Server für Web-Services für gezählt und fällt ein vernichtendes Urteil: "Soap und Co. sind nur weitere Hype-Themen, die von der Unfähigkeit der entsprechenden Hersteller ablenken sollen, funktionierende Lösungen auf den Markt zu bringen." Künftig erwartet der E-Commerce-Pionier vor allen zwei Trends: Zum einen würden Content und Commerce im Rahmen der E-Business-Strategien zusammenwachsen, zum anderen sei mit konzernumspannenden Lösungen zu rechnen, die ein weiteres Rationalisierungspotenzial versprechen. Schambach zufolge kranken die heutigen E-Business-Projekte daran, dass sie sich in der Regel nur auf Business-Units und nicht auf ein Gesamtunternehmen erstrecken.

Mit der Neuausrichtung als Lösungsanbieter sieht der CEO sein Unternehmen gut für die Herausforderungen der Zukunft gewappnet.