Kooperation mit Arvato Systems

Intershop kämpft ums Überleben

11.07.2003
MÜNCHEN (CW) - Nach einem völlig verhagelten zweiten Quartal steht dem E-Commerce-Pionier Intershop Communications das Wasser bis zum Hals. Es drohen ernsthafte Liquiditätsprobleme. Rund die Hälfte der noch 445 Mitarbeiter sollen deshalb gehen. Firmengründer und CEO Stephan Schambach sieht die Existenz des Unternehmens aber nicht gefährdet.

Die Umsatz- und Gewinnwarnung, die Intershop am Donnerstag vergangener Woche herausgab, hatte ungewöhnliche Dimensionen: Nach einem äußerst schwachen Quartal erwartet das in Jena ansässige Unternehmen für das laufende Geschäftsjahr 2003 (Ende: 31. Dezember) nur noch Einnahmen zwischen 20 und 25 Millionen Euro. Der Verlust vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) soll rund 20 Millionen Euro betragen. Ende April war der ehemalige Börsen-Highflyer noch von einem Ebitda-Minus von etwa fünf Millionen Euro ausgegangen. Der Gesamtumsatz sollte etwas unter dem Vorjahresniveau von 45,1 Millionen Euro liegen.

Grund für die düsteren Prognosen ist das schlechte Abschneiden im Ende Juni abgelaufenen zweiten Quartal: Nach vorläufiger Schätzung erwirtschaftete die ostdeutsche Softwareschmiede in diesem Berichtszeitraum einen Umsatz von sechs Millionen Euro. Insgesamt wurden somit im ersten Halbjahr 2003 lediglich 12,4 Millionen Euro eingenommen. Ähnlich trist sieht es mit Intershops finanzieller Substanz aus: Ende Juni konnte das Unternehmen nur noch auf rund drei Millionen Euro an frei verfügbaren Mitteln zurückgreifen. Die Gesamtliquidität, also verfügbare Gelder, Barmittel mit Verfügungsbeschränkung und Wertpapiere, schrumpfte in den vergangenen drei Monaten auf rund 10,5 Millionen Euro. Insidern zufolge hat die Commerzbank über sieben Millionen Euro in bar als Kreditbürgschaft eingefroren.

CEO Schambach äußerte sich am Tag der Bekanntgabe der Gewinnwarnung vor Journalisten in München nur zurückhaltend zur finanziellen Situation seiner Company. "Grundsätzliche Liquiditätsprobleme" beständen nicht, sonst hätte man dies "pflichtgemäß anders mitteilen müssen". Der Intershop-Chef deutete in diesem Zusammenhang an, dass er und sein Management davon ausgingen, bald über einen Großteil der bei der Commerzbank eingefrorenen Gelder verfügen zu können. Fest steht, dass rund die Hälfte der momentan 445 Mitarbeiter das Unternehmen verlassen muss. Von diesem Kahlschlag soll allerdings die rund 100 Köpfe umfassende Entwicklungsmannschaft verschont bleiben, die Schambach nach wie vor "auch in dieser Größe für unverzichtbar" hält. Schambach begründete das schlechte Abschneiden im zweiten Quartal vor allem mit der überraschenden Aufschiebung von zwei Großaufträgen, die "eigentlich unterschriftsreif" seien. "Unser Problem ist die Zeitschiene", führte der Intershop-Chef weiter aus. Teilweise vergingen von der ersten Vertriebsmaßnahme bis zur Implementierung der Software und damit der Fakturierung eines Auftrages zwölf Monate und mehr. Allerdings sei in der letzten Zeit das Interesse vieler Kunden an E-Business-Projekten wieder gestiegen.

Zusätzliche Impulse für den Absatz verspricht sich Intershop von einer in München angekündigten Kooperation mit dem zur Bertelsmann-Gruppe gehörenden IT-Dienstleister Arvato Systems. Beide Partner wollen ab sofort Kunden im Medien- und Dienstleistungssektor in Form eines Application-Service-Providing-Modells Lösungen für das E-Procurement bis hin zum Online-Vertrieb anbieten. Technische Basis des jeweils individuell zugeschnittenen Pakets ist Intershops E-Business-Suite "Unified Commerce". (mb/gh)