Bei der Site-Verwaltung setzen Firmen auf Eigenregie

Internet World: Begehrt war vor allem Content-Software

02.06.2000
BERLIN (fn) - Hauptsächlich Startup-Companies und kleinere Hersteller aus Deutschland präsentierten sich auf der Online-Messe in der Hauptstadt. Große Anbieter wie etwa Commerce One oder Vignette konzentrieren sich offenbar lieber auf das amerikanische Original. Im Vordergrund des Besucherinteresses stand Content-Management-Software.

Kein Zweifel, die Internet World in Berlin hat sich etabliert. Nach Angaben des Veranstalters stieg die Besucherzahl gegenüber dem letzten Jahr um 100 Prozent auf 45000 Besucher an. Auf der diesjährigen Messe stellten etwa 550 Firmen ihre Produkte und Dienstleistungen vor - 150 mehr als 1999.

Zwar weckten Newcomer wie der Online-Serviceanbieter Space2go.com, die Internet-Community Wudu.de oder der Produktbewerter Yoodoo.de schon allein wegen ihres Namens das Interesse der Messebesucher, doch zumindest die Fachleute interessierten sich nicht so sehr für Inhalte. Sie suchten Lösungen zum Aufbau von Websites und Internet-Geschäften. Wie schon im letzten Jahr war die Messe geprägt von deutschen Herstellern. Amerikanische Schwergewichte wie Broadvision, Vignette oder Open Market blieben der Veranstaltung fern. Besonders hoch im Kurs stand einfach zu bediendende, kostengünstige Software zum Erstellen und Verwalten von Sites und Content.

Neben den bekannten deutschen Anbietern von Content-Management-Systemen wie Gauss Interprise oder Pironet stellten einige Newcomer ihre Produkte erstmals der Öffentlichkeit vor. Teilweise wurden sie von der großen Besucherzahl überrascht. So hatte Ralf Guttmann, Geschäftsführer von Hyperspace aus Peine, am ersten Messeabend alle Hände voll zu tun, den Fachleuten die Funktionsweise der "Hyperspace Publishing Edition" zu erläutern. Die Software entstand aus einem Projekt für den Internet-Auftritt der Stadt Peine. Guttmann entwickelte daraus ein Online-Redaktionssystem und stellte es in Berlin erstmals vor. Ähnlich wie Hyperspace erging es Flying Dog Software aus Quassel, die ihren "Rapid Prototyping Server" ebenfalls zum ersten Mal zeigte.

Ein besonderes Merkmal dieses Content-Verwaltungssystems sind dessen zahlreiche Schnittstellen, etwa zum Wireless Application Protocol (WAP) für mobile Internet-Anwendungen, Lightweight Access Protocol (LDAP) sowie XML-RPC. Letzteres ist ein auf der Extensible Markup Language (XML) beruhender Standard für das Aufrufen anderer Programme über Remote Procedure Calls (RPC).

Auch die anderen Anbieter von Content-Management-Software konnten mit dem Zuspruch zufrieden sein. Den Grund für die große Nachfrage sehen die Hersteller darin, dass Firmen die Content-Pflege der eigenen Websites lieber selbst in die Hand nehmen, statt diese Aufgabe komplett einer Internet-Agentur zu überlassen.

Dabei steht für den Kunden die schnelle und aktuelle Präsenz im Vordergrund. Einführungsprojekte von sechs und mehr Monaten dauern ihnen angesichts der raschen Veränderungen in der Branche zu lange. Zudem haben Startups sowie kleinere Firmen nicht das Geld, hohe Lizenzgebühren zu bezahlen - insbesondere seit der Pleite von Boo.com (siehe CW 21/00, S. 15) dürften viele vor dem Kauf kostspieliger Software zurückschrecken.

Die Furcht vor den hohen Kosten machten sich Anbieter wie beispielsweise die in Köln ansässige Content Management AG (CM) oder die Essener Softwareschmiede Pansite zunutze. Statt ihre Produkte zu verkaufen, vermieten sie ihre Lösungen gegen eine Monatsgebühr. Die Einsteigerversion von "CM4all" von CM etwa kostet 20 Mark im Monat. Zwar entfallen so die hohen Lizenzkosten am Anfang, doch ob sich dadurch der Aufwand für die Integration bestehender Datenbanken und Anwendungen ebenfalls verringert, steht auf einem anderen Blatt.

Nicht nur Komplettlösungen für das Verwalten von Websites sind gefragt. In Berlin tummelten sich außerdem Anbieter von spezialisierten Content-Management-Programmen. Mit "Weblication" von der Internet-Agentur Scholl Communications aus Kehl-Neumühl verwalten Anwender eine komplette Site oder nur einen Teil davon. Zudem lassen sich mit dem Tool Präsenzen managen, die bei einem Internet-Service-Provider (ISPs) gehostet werden. Nach Ansicht von Geschäftsführer Alexander Scholl haben Großunternehmen, die bereits eine umfangreiche Content-Management-Lösung erworben haben, zusätzlich Interesse an diesem Werkzeug, beispielsweise für ein kleines Team on drei bis fünf Personen, das mit einer bestimmten Aufgabe betraut ist.

Fast alle Content-Management-Lösungen lassen sich heute per Web-Browser bedienen - eine spezielle Client-Software ist oft nicht erforderlich. Viele Lösungen eignen sich dazu, Arbeitsabläufe abzubilden. Zudem laufen einige auf mehreren Server-Plattformen und arbeiten mit verschiedenen Web-Servern wie Apache "Internet Information Server" von Microsoft und dem "Enterprise Server" von Iplanet (Netscape) zusammen. Außerdem setzen die Tools keine fundierten Kenntnisse der Hypertext Markup Language (HTML) voraus, so dass ihr Einsatz nicht auf Spezialisten beschränkt ist.

Gute Messe - schlechte MesseWährend sich die Hersteller von Content-Management-Software sowie Bezahllösungen und -Dienstleistungen hoch zufrieden über die Internet World äußerten, fiel das Echo bei Anbietern von Highend-Lösungen und Beratungshäusern verhalten aus. Sybase beispielsweise nahm erstmals an der Messe teil und demonstrierte unter anderem sein "Enterprise Information Portal" und den "Enterprise Application Server". Doch das Besucherinteresse hielt sich in Grenzen, und auch die Qualität der Gespräche ließ laut Sybase zu wünschen übrig. Etwas mehr versprochen von der Messe hatte sich auch Marchfirst. Das internationale Beratungsunternehmen das aus Usweb/CKS und Whitmann Hart hervorging, entwickelt Internet-Geschäftsmodelle für Firmen. "Interessant waren fast nur die Gespräche, die zuvor verabredet wurden", resümiert Wolfgang Zillessen, Chef der deutschen Niederlassung in Düsseldorf. Dem pflichtet Christian Huthmacher bei. Der Geschäftsführer der Startup-Firma Space2go.com konnte sich über zuwenig Laufkundschaft zwar nicht beschweren, gehaltvollere Kontakte vermisste er jedoch.

In diesem Zusammenhang machte Georg Oberwinkler, Geschäftsführer der Softwarefirma Contens aus München, seinem Unmut über die Praxis der Eintrittskartenvergabe Luft. "Es wäre besser gewesen, wenn die Messeleitung Eintritt verlangt hätte", kritisiert Oberwinkler. Zahlen musste nur, wer sich nicht zuvor auf der Website des Veranstalters für ein kostenloses Ticket registriert hatte.

Die Qualität des Publikums wollte Messeveranstalter Communic aus München mit einer eigens organisierten Besucherumfrage untermauern. Demnach handelte es sich bei jedem Vierten um einen Geschäftsführer, und 55 Prozent der Befragten treffen alleinverantwortlich Investitionsentscheidungen.

Insgesamt 45000 Besucher nutzten dieses Jahr die drei Messetage, was - wie gesagt bei freiem Eintritt - einem Zuwachs von 100 Prozent gegenüber 1999 entspricht. Die Anzahl der Aussteller nahm von 300 auf 550 zu.