Internet-Wirtschaft zahlt trotz Krise besser

08.08.2002
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Sie arbeiten weniger und verdienen sechs Prozent mehr als im Boomjahr 2000. Den Mitarbeitern der Internet-Branche bringt der Gehaltsspiegel des Deutschen Multimediaverbandes (dmmv) auf den ersten Blick überraschend gute Nachrichten. Doch die Gefahr von Entlassungen ist noch nicht gebannt.

Mit der Konsolidierung kam die Professionalisierung. Die Vertreter der Internet-Branche versuchen der Krise positive Seiten abzugewinnen. So weist der Ende Juli erschienene dmmv-Gehaltsspiegel darauf hin, dass sich die Wochenarbeitszeit für Mitarbeiter von 46,8 auf durchschnittlich 44,5 Stunden reduzierte. Ein Indiz, das in den Augen der Verbandsvertreter nicht nur für die zurückgegangenen Aufträge und die geringere Arbeitsbelastung spricht, sondern vor allem für verbesserte Arbeitsabläufe: Vorbei sind die Zeiten, in denen es normal war, bis nach 21 Uhr oder am Wochenende zu arbeiten.

„Ein wichtiger Überlebensfaktor für erfolgreiche New-Economy-Firmen ist die schnelle Einführung von professionellen IT-, Marketing- und Vertriebsstrukturen. Hierdurch schafft man ein Arbeitsklima, das Freiräume zum strategischen Denken lässt“, argumentiert Ingo Lippert, Vorstandschef der Münchner Mindmatics AG. Auch Ina-Maria Fliegen, Personalchefin der Düsseldorfer Planetactive GmbH, attestiert ein besseres Zusammenspiel der Teams, die sich nach ein, zwei Jahren gefunden hätten, und den Einzug von Normalität.

Berufserfahrung wird zur wichtigsten Qualifikation

Dazu passt, dass die Internet-Unternehmen, die noch Mitarbeiter suchen, in erster Linie erfahrene Fachkräfte haben wollen. Prinzipiell haben Anfänger oder Mitarbeiter mit spärlicher Erfahrung viel schlechtere Chancen als in den Boom-Zeiten. Ob in Marketing, Projekt-Management, Design oder Programmierung, für sämtliche Einsatzfelder sehen 65 Prozent der vom dmmv befragten Unternehmen in der Berufserfahrung die wichtigste Qualifikation, ein Hochschulstudium folgt mit großem Abstand erst auf dem zweiten Rang (22 Prozent).

Mit der Qualifikation erklärt sich auch Lutz Goertz, Abteilungsleiter für Aus- und Weiterbildung beim dmmv, die überraschende Gehaltssteigerung von durchschnittlich 6,3 Prozent in der Multimedia- und Internet-Branche im Jahr 2001: „Viele Unternehmen haben sich von schlechter qualifizierten Mitarbeitern getrennt und die guten mit höheren Gehältern an sich gebunden.“ Lippert kann diesen Trend für die Mindmatics AG bestätigen: „Bei uns sind die Gehälter um sechs Prozent gestiegen, da es immer noch nicht preiswert ist, in München gute Mitarbeiter zu finden und zu halten.“

Das auf Mobile Marketing spezialisierte Startup befindet sich noch auf Wachstumskurs und hat derzeit vier bis fünf offene Stellen in den Bereichen Vertrieb und Technik zu besetzen. Allerdings kann es sich Lippert erlauben, in den Vorstellungsgesprächen wählerischer zu sein: „Das Motto lautet Qualität vor Quantität. Ich stelle nur noch die wirklich guten Bewerber ein und bezahle sie dann entsprechend ihren Fähigkeiten.“ Um die Kosten dennoch im Rahmen zu halten, zieht es Lippert vor, „lieber eine Stelle weniger zu besetzen“. Schließlich bringe ein gut qualifizierter Mitarbeiter auch mehr Leistung als ein Durchschnittskandidat.

Gehaltserhöhungen sind oft nicht vertretbar

Aber nicht alle Internet-Firmen bewegen sich wie Mindmatics in einem Wachstumsfeld. Besonders die großen, einst gefeierten Internet-Agenturen wie Pixelpark, Kabel New Media, Razorfish, Popnet, ID Media, Sinner Schrader, Concept oder zuletzt auch GFT haben den New-Economy-Crash nicht oder nur mit Blessuren und durch Entlassungen vieler Mitarbeiter überlebt. Auch die Planetactive GmbH befindet sich seit vergangenem Jahr auf Sparkurs und hat die Zahl der Mitarbeiter von ehemals über 100 auf mittlerweile 80 reduziert: „Da wir uns von Mitarbeitern nach der Probezeit trennen mussten und Zeitverträge nicht verlängern konnten, wäre auch eine generelle Gehaltserhöhung nicht vertretbar gewesen“, erklärt Personalchefin Fliegen.

Berater und Jva-Programmierer verdienen am besten

Ein Blick auf die in der Studie untersuchten Berufsgruppen zeigt, dass Berater und Programmierer mit Java- und C++-Kenntnissen mit einem durchschnittlichen Jahressalär von jeweils 49000 Euro am besten verdienen, gefolgt von Personalreferenten mit 45000 Euro, 3D-Grafikern mit 44000 Euro sowie Projekt-Managern und Mitarbeitern im Marketing und Vertrieb (je 42000 Euro).

Unter den Abteilungsleitern sind die Führungskräfte im Bereich Programmierung/ Technik mit 61000 Euro und im Bereich Design/Grafik mit 60000 Euro die Spitzenverdiener. Die Geschäftsführer kommen im Schnitt auf 75000 Euro im Jahr; allerdings driften in der Unternehmensführung die Einkommen weit auseinander: Die unteren 25 Prozent der Teilnehmer mussten sich mit 51000 Euro im Jahr begnügen, während sich das obere Viertel über einen Jahresverdienst von 205000 Euro freuen durfte.

Einstiegsgehälter stagnieren