Onliner wollen das Netz für 24 Stunden boykottieren

Internet-Surfer rufen zum Streik gegen Telekom auf

02.10.1998

"Wir fordern alle Internet-Benutzer auf, das Netz am 1. November für 24 Stunden nicht zu nutzen oder sich - sofern unbedingt nötig - über Alternativanbieter der Telekom wie Arcor oder Viag Interkom einzuwählen", ruft der Initiator Thomas von Treichel aus dem hessischen Karben zum Internet-Boykott auf. Darüber hinaus hofft der Hesse auf die Unterstützung von Service-Providern und Homepage-Betreibern.

"Wir haben eine derart riesige Resonanz keinesfalls erwartet", läßt von Treichel die Tage seit der Gründung der Initiative am 21. September dieses Jahres Revue passieren. Nicht weniger als 25000 Besucher zählt der Verein auf seiner Homepage http://www.gamespy.de/internetstreik von Treichel zufolge bis heute. Außerdem "haben wir rund 2500 E-Mails von Internet-Nutzern erhalten, die sich am Stichtag nicht einwählen wollen". Des weiteren hätten rund 600 Betreiber von Web-Seiten ihre Absicht bekundet, am 1. November keine Inhalte, sondern ausschließlich eine "Streikseite" anzuzeigen. Erste kleinere Provider hätten angekündigt, dem Aufruf der Initiative zu folgen und ihren Service für 24 Stunden einzustellen.

Als Vorbild für den ersten deutschen Internet-Boykott dient eine ähnliche Aktion, die in diesen Tagen in Spanien erfolgreich beendet wurde. Dort führte ein Streik von rund 1,7 Millionen Surfern zu einer 60prozentigen Gebührensenkung der Telefonkosten für Internet-Verbindungen.

Telekom zeigt sich unbeeindruckt

Auf eine Reaktion von der Telekom wartet der Verein bislang vergebens. Diverse Anrufe und E-Mails seien bis dato unbeantwortet geblieben, zeigt sich von Treichel enttäuscht. Das gängige Argument der Telekom, sie sei schließlich immer noch kostengünstiger als private Anbieter, läßt von Treichel nicht gelten. "Private Anbieter sind zwangsweise teurer als die Telekom, weil sie ja die Leitungen zunächst anmieten müssen", protestiert der Initiator des Streiks gegen das nach wie vor anhaltende "technische Monopol" des Bonner Carriers. Und die "letzte Meile" zum Kunden gehöre zum Großteil noch der Telekom. Ein offener Brief an Telekom-Chef Ron Sommer hat, so von Treichel, bislang nichts bewirkt.

Jörg Lammers, Pressesprecher bei der Deutsche Telekom, erklärte auf Anfrage der COMPUTERWOCHE, zunächst müßten "die Voraussetzungen geprüft" und die tatsächlichen Preisunterschiede zwischen Spanien und Deutschland ermittelt werden. Der Konzern sei aber "davon überzeugt, daß die Preise marktgerecht sind und zudem die Kosten für den T-Online-Zugang im letzten Jahr deutlich gesenkt wurden". Ferner trage beispielsweise der City+-Tarif zu Vergünstigungen bei. Dabei könnten Internet-Anwender ein Kontingent an Telefoneinheiten erwerben und diese dann mit einer Vergünstigung von bis zu 50 Prozent abtelefonieren.

"Die T-Online-Gebühren interessieren in diesem Fall nicht", hält von Treichel dem entgegen. Gegen teure T-Online-Gebühren könnten sich Internet-Benutzer durch einen Provider-Wechsel wehren. Und auch der City+-Tarif sei weniger eine echte Vergünstigung als "ein Pseudo-Rabatt, er gilt nur von 5 bis 21 Uhr." Eine 50prozentige Preissenkung werde lediglich zwischen 7 und 18 Uhr gewährt.