Web

Hongkong

Internet-Riese Alibaba kauft "South China Morning Post"

11.12.2015
Alibaba expandiert in traditionelle Medien. Der Kauf der renommierten "South China Morning Post" in Hongkong durch den chinesischen Internetkonzern weckt aber Befürchtungen. Wird das Blatt weiter unabhängig und kritisch über China schreiben können?

Der chinesische Internet-Riese Alibaba kauft die traditionsreiche Hongkonger Zeitung "South China Morning Post" (SCMP). Das 112 Jahre alte Blatt gilt vielen als kritisches "Tor zu China", so dass die Übernahme durch einen chinesischen Konzern umgehend Sorgen über die Unabhängigkeit der renommierten Zeitung auslöste. Weder Alibaba noch die Zeitung nannten einen Kaufpreis.

Bei der Verkündung der Übernahme am Freitagabend versprach der Vizevorsitzende von Alibaba, Joseph Tsai, die redaktionelle Unabhängigkeit wahren zu wollen. Er kritisierte zugleich aber die Mehrheit der westlichen Nachrichtenorganisationen dafür, "China durch eine sehr besondere Brille zu sehen". Er suche vielmehr eine "ausgewogene und faire" Berichterstattung über China.

Ohne Vertrauen könne die Leserschaft nicht ausgebaut werden, sagte Tsai. "Wir brauchen das Vertrauen der Leser", sagte Tsai. "Das hängt davon ab, ob die Berichterstattung objektiv, ausgewogen und fair ist." Alibaba wolle die Redakteure selbst über die Richtung jeder Geschichte entscheiden lassen. "Das ist unser Grundsatz."

"Mischung aus Alt und Neu"

Mit der Übernahme macht die weltgrößte Handelsplattform einen großen Schritt in die traditionelle Medienlandschaft. "Das ist wahrlich eine Mischung aus Alt und Neu", hieß es in einer Mitteilung von Alibaba an die Leser. "In der South China Morning Post hallt die Geschichte, das Erbe und die Kultur der Region nach, genau wie Alibaba seinen Platz im neuen Zeitalter der digitalen Technologie hat."

In dem dramatischen Wandel der Medienlandschaft ergänzten sich beide Unternehmen sehr gut. "Unsere Vision ist es, die Leserschaft weltweit auszubauen." Das Blatt soll die englischsprachige Welt über China informieren, heißt es weiter. Als eine der ersten Entscheidungen wird deswegen auch die Bezahlschranke im Internet eingerissen.

Die Sorgen über die Unabhängigkeit wurden in dem Schreiben als "Voreingenommenheit an sich" kritisiert, weil dem neuen Besitzer unterstellt werde, bestimmte Ansichten zu vertreten und gegnerische Meinungen nicht zu akzeptieren. "Das ist genau der Grund, warum wir denken, dass die Welt eine Pluralität der Meinungen braucht, wenn es um Berichterstattung über China geht."

Die Zeitung in der ehemaligen britischen Kronkolonie, die seit 1997 als autonom regierte Sonderverwaltungsregion wieder zur Volksrepublik gehört, steht ohnehin unter Druck durch das übermächtige China, wie die Journalisten berichteten. Es gab häufig Streit in der Redaktion.

Was passiert mit der Pressefreiheit?

"Das Blatt hat in den vergangenen Jahren etwas von seiner Bereitschaft verloren, offen über China zu berichten, auch wenn es weiter Stellung bezieht und Themen berichtet, die nicht mit Pekings Linie übereinstimmen", sagte Bob Dietz vom Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) in New York der dpa. Es werde nicht lange dauern, um zu sehen, in welche Richtung sich das Blatt jetzt entwickelt.

Die Pressefreiheit gilt den sieben Millionen Hongkongern als hohes Gut. Seit dem Souveränitätswechsel 1997 stehen die Medien in dem Finanz- und Wirtschaftszentrum unter wachsendem Druck durch die chinesische Seite, die ihren Einfluss in der Hafenmetropole ausweiten will. Vor einem Jahr hatten Demonstrationen mit dem Ruf nach mehr Demokratie große Teile der Hafenstadt wochenlang lahmgelegt.

Nach dem Einstieg bei der chinesischen Wirtschaftszeitung "China Business News" und der Übernahme von vier Fünfteln der großen chinesischen Videoplattform Youku weitet Alibaba mit der "South China Morning Post" sein Engagement bei traditionellen Medien deutlich ausweiten. Der Konzern sucht nach Angaben von Experten zunehmend auch Inhalte für sein expandierendes Internet-Geschäft.

Bisher gehörte die Mehrheit der Anteile an der Zeitung der Familie des malaysischen Magnaten Robert Kuok, der große Geschäftsinteressen in der Volksrepublik verfolgt. (dpa, Andreas Landwehr und Christy Choi/sh)