Ohne Tellerwaschen zum Millionär

Internet-Gründer: "Für mich ist das keine Arbeit, sondern Spaß"

29.10.1999
Das Internet macht Blitzkarrieren auch in Deutschland möglich. Wie aber schaffen es Mittzwanziger in kürzester Zeit, millionenschwere Startups zu gründen, wie heißt das Erfolgsrezept, und wie ist es um das Investitionsklima in Deutschland bestellt? Das waren Fragen der Diskussion "E-Commerce-Pioniere: Millionäre mit 25?", die im Zentrum für Jobs & Karriere auf der Systems stattfand.

Wie ein ehemaliger Tellerwäscher sieht keiner der Diskutanten aus. Aber sie hätten in ihrem Alter den klassischen und langwierigen Weg des sich Hocharbeitens ohnehin nicht absolvieren können. Sie haben es wie Oliver Samwer (26) geschafft, in sechs Wochen ein Unternehmen wie Alando.de auf die Beine zu stellen, haben wie Alexander Straub (27) binnen weniger Monate Venture Capital in Höhe von 28 Millionen Mark bekommen oder leiten wie Patrick Gruban mit 24 schon seit drei Jahren eine Softwarefirma, die gerade ihren Markteintritt in den USA vorbereitet.

Was macht die jungen Startups so erfolgreich? Das Beispiel von Alando.de zeigt, wie wichtig der richtige Zeitpunkt und schnelles Agieren sind. Als Samwer das Internet-Auktionshaus E-Bay während eines US-Praktikums kennenlernte, faßte er zusammen mit seinen zwei Brüdern und Freunden den Entschluß, in Deutschland ein ähnliches Unternehmen zu gründen, und reiste sofort gen Heimat. In nur sechs Wochen haben sie die Technik entwickelt, Business Angels gesucht, Venture Capital gesammelt und Anfang März 1999 die Site auf den Markt gebracht. "Drei Wochen später und wir wären nicht so erfolgreich gewesen", resümiert der 26jährige. Denn da gab es den ersten Konkurrenten, nach einem Monat kamen weitere vier dazu, zwei Monate später waren bereits Dutzende auf dem Markt. Auch für Cassiopeia-Erfinder Gruban spielte der Zeitpunkt der Gründung eine wichtige Rolle. Er hatte das Glück, zu den ersten Entwicklern von Chat- und Community-Software zu gehören, und mußte sich deshalb nicht erst gegen Konkurrenten durchsetzen.

Ein weiteres Erfolgsrezept der jungen Internet-Firmen sind ihre kleinen, schlagkräftigen und flexiblen Teams, die es ihnen ermöglichen, so manchem Branchenriesen Paroli zu bieten. "Die großen Unternehmen à la SAP sind zu langsam und werden es auch bleiben", kommentiert Samwer. Daß die Abstimmung aber auch in einem jungdynamischen Team Zeit braucht, erfuhr Guido Grotz, dessen Unternehmen Step Ahead neun Gründungsmitglieder hatte. Doch nachdem die ersten prinzipiellen Entscheidungen gefällt waren, wurde es einfacher - wenn auch nicht weniger arbeitsintensiv. Für ihn wie für die anderen Startup-Gründer ist ein Arbeitstag von zwölf, 15 oder noch mehr Stunden der Regelfall. "Man muß hart arbeiten, ein Acht-Stunden-Tag ist nicht zu realisieren", betont Straub, dem man nicht ansieht, daß er bis vier Uhr morgens an einem Analystenbericht gesessen hat. Sein Enthusiasmus läßt ihn aber solche Anstrengungen vergessen: "Für mich ist das keine Arbeit, sondern Spaß."

Das Privatleben findet im Startup statt

Ein Großteil des Privatlebens von Alando-Gründer Samwer findet im Startup selbst statt. Er führt allerdings an, daß auch er nach ein, zwei Jahren Vollgas einen Gang herunterschalten werden müsse. Eine Erfahrung, die Gruban bereits gemacht hat, als er damals zeitgleich zur Firmengründung ein Abendstudium zum Kommunikationswirt absolvierte. Um noch ein Minimum an Freizeit herausschlagen zu können, mußte er lernen, auch wichtige Arbeiten zu delegieren. Trotz der Arbeitsbelastung und den schon erreichten Zielen ist für ihn Selbstmotivation kein Thema: "Wem es keinen Spaß macht, der hat die falsche Firma gegründet."

Deutschland gilt nicht als das Eldorado für Neugründungen, auch wenn es an guten Ideen nicht mangelt. Nicht umsonst haben sich deshalb viele Internet-Pioniere auf den Weg in die USA gemacht. Allerdings hat sich in den letzten Jahren auch hierzulande einiges getan, eine Erfahrung, die Interway-Chef Christian Spitzner machte. So gab es bei der Gründung seiner ersten Firma vor zwölf Jahren weder Netzwerke noch Business Angels oder das benötigte Venture Capital. Für sein drittes Unternehmen hat er durch das Netzwerk des Förderkreises Neue Technologien (FNT) in München schon zwei Business Angels ins Boot holen können.

Ein Problem teilen sich die Internet-Pioniere mit den Großen der IT-Branche: die Schwierigkeit, geeignete Mitarbeiter zu finden. Für Samwer sind vor allem Uni-Absolventen oder andere Einsteiger interessant. "Sie kommen nicht auf den Gedanken, Taxi zu fahren, im Hotel zu wohnen oder ein eigenes Büro zu beanspruchen." In seinem Unternehmen sei es üblich, mit anzupacken - auch beim Aufbau des Schreibtischs. Wichtig sei auch, daß die Mitarbeiter mit den schnellen Veränderungen, die die rasante Internet-Entwicklung mit sich bringt, leben können.

Ein Zuhörer wollte von dem Alando-Gründer Genaueres über die technischen Anforderungen an potentielle Mitarbeiter wissen. "Je weniger du auf technischem Gebiet weißt, desto besser. Die Unschuldigen sind auch die Offensten. Ideen, Lernbereitschaft und Motivation sind wichtiger." Die Erfahrungen von Mondus.com-Initiator Straub sind ähnlich: Sein Chief Technology Officer ist ein promovierter Germanist. Diese Antworten schienen überzeugt zu haben: Nach der Diskussion machte sich der Fragende mit seiner Bewerbungsmappe unter dem Arm entschlossen in Richtung Startup-Gründer auf.