Hohe Verluste auch für das laufende Jahr erwartet

Internet-Flatrate verhagelt die Bilanz von T-Online

06.04.2001
DARMSTADT (wh) - Die Flatrate für den Internet-Zugang hat einen großen Teil der Verluste von T-Online im Geschäftsjahr 2000 verursacht. Noch bestehende Verträge auf Basis des abgeschafften Pauschaltarifs wirken sich auch im laufenden Jahr aus und könnten zusammen mit den defizitären Auslandstöchtern zu einem Verlust von 250 Millionen Euro führen.

Rainer Beaujean ärgerte sich. Der Pauschaltarif habe dazu verführt, "den Online-Anschluss wie eine ,Standleitung'' ins Internet zu benutzen". Obwohl die rund 420000 Flatrate-Nutzer (Stand Ende 2000) nur sechs Prozent der gesamten Kunden ausmachten, hätten sie rund 50 Prozent des Tagesverkehrs verursacht, berichtete der Finanzvorstand von T-Online. Als der smarte Manager sich zu der Aussage verstieg, Kunden hätten das Flatrate-Angebot "missbraucht", protestierte ein Journalist. Beaujean entschuldigte sich.

Verluste trotz UmsatzplusT-Online verbucht für das Geschäftsjahr 2000 einen Konzernverlust von 389,7 Millionen Euro. Der operative Verlust vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) beläuft sich auf 121,7 Millionen Euro. Im Vorjahr erzielten die Darmstädter noch einen Gewinn von 17,6 Millionen. Der Umsatz stieg um 86 Prozent auf 797,2 Millionen Euro.

T-Online führt die Verluste vor allem auf zwei Faktoren zurück: zum einen die Auslandstöchter Club Internet, Frankreich, und die spanische Ya.com, zum anderen das Flatrate-Angebot, das Unternehmenschef Thomas Holtrop nun aus dem Portfolio gestrichen hat. Der seit Januar amtierende CEO bezeichnete den Pauschaltarif als eine "unternehmerische Fehlentscheidung".

Weil T-Online bis zum 1. Dezember 2000 noch Flatrate-Verträge mit Laufzeiten von einem Jahr abgeschlossen hat, werden sich diese auch in der laufenden Abrechnungsperiode negativ auf das Ergebnis auswirken, so Beaujean. Kunden können damit für einen monatlichen Pauschaltarif von 79 Mark zeitlich unbegrenzt im Internet surfen. Die Konzernmutter Telekom rechnet für die Nutzung ihres Netzes aber nach wie vor im Minutentakt ab. Inzwischen sind nach Angaben Beaujeans "einige zehntausend" Kunden in neue Tarife gewechselt, die einen zeitlich unbegrenzten Zugang zum Festpreis nicht mehr zulassen.

Genauere Prognosen für das Geschäftsjahr 2001 lehnte das T-Online-Management ab. Beaujean verwies auf Analystenschätzungen, denen zufolge in diesem Jahr ein Verlust von 250 Millionen Euro zu erwarten sei. Diese Zahl sei "nicht unrealistisch". CEO Holtrop rechnet damit, im Jahr 2003 die Gewinnschwelle zu erreichen. Im Jahr 2002 soll sich die Abschaffung der Flatrate erstmals in vollem Umfang auswirken.

Erfreulicher als die Geschäftsergebnisse haben sich die Kundenzahlen von T-Online entwickelt. Sie stiegen bis Ende 2000 um 70 Prozent auf 7,94 Millionen. In Deutschland verzeichnete die Telekom-Tochter 6,53 Millionen Benutzer. Mit einer Reichweite von 52 Prozent im Februar 2001 sei T-Online das meistbesuchte Portal in Deutschland, sagte Holtrop.

Wachstum im ZugangsgeschäftDie Umsatzsteigerungen generierte der ISP in erster Linie aus wachsenden Einnahmen im Zugangsgeschäft. Diese trugen im letzten Jahr mit 83,5 Prozent zum Gesamtumsatz bei. Dabei hat sich laut Beaujean auch die durchschnittliche monatliche Nutzungszeit pro Kunde von 319 Minuten 1999 auf 580 Minuten im vergangenen Jahr erhöht. Dass dieser Wert mit der Abschaffung der Flatrate wieder sinken könnte, wollte der Manager nicht ausschließen. Für T-Online stehe nun aber die Profitabilität der Angebote im Vordergrund.

Holtrop nutzte die Gelegenheit, um noch einmal die strategische Neuausrichtung des Unternehmens herauszuheben. Bis zum Jahr 2004 wolle man rund 30 Prozent der Einnahmen aus dem Portalgeschäft erzielen und T-Online als führendes europäisches "Internet-Medienhaus" etablieren. Die Content-Partnerschaft mit dem ZDF sei ein erster Schritt. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) hat dagegen heftige Kritik an der Partnerschaft geübt (siehe Kasten). Inzwischen hat T-Online auch Pläne für eine Kooperation mit dem Axel Springer Verlag bestätigt.

Neue ServiceangeboteAls weitere Belege für die neue Ausrichtung führte Holtrop eine Reihe von Services an, die die Nutzer künftig länger auf den Web-Seiten halten und neue Kundenschichten erschließen sollen. Dazu zähle etwa der Instant-Messaging-Dienst "Tom" und der E-Mail-Service "Securemail".

Ein sensibles Thema ist für die Darmstädter nach wie vor die Internationalisierung. Trotz des hohen Barbestandes plane man weitere Übernahmen "nicht um jeden Preis", sagte Holtrop. Eine Akquisitionsstrategie ohne Synergieeffekte, wie sie der Konkurrent Tiscali verfolge, komme für T-Online nicht in Frage. Dagegen werde ein einheitlicher Markenauftritt von T-Online in Europa zu einem wichtigen Thema.

Verleger protestierenMit der Ausweitung ihrer Internet-Angebote verstoßen ARD und ZDF gegen geltendes Recht, kritisiert der Bundesverband Deutscher Zeitschriftenverleger (BDZV). Er verweist auf ein von ihm bestelltes Rechtsgutachten. Zum verfassungsmäßigen Auftrag der Sendeanstalten gehörten demnach ausschließlich die parallele Übertragung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen sowie programmbegleitende Informationen im Netz.

Der stellvertretende Präsident des BDZV Richard Rebmann kritisiert insbesondere die Kooperation zwischen dem ZDF und T-Online. Dabei handle es sich möglicherweise um rechtswidriges Sponsoring des Senders durch die Telekom-Tochter. Zu fragen sei außerdem, ob es überhaupt legitim sei, wenn ein öffentlich-rechtlicher Sender einem Großunternehmen wie T-Online am Markt "eine privilegierte Position" verschaffe.

ZDF-Intendant Dieter Stolte wies die Vorwürfe zurück. Nach dem vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrag sei das ZDF ermächtigt, Mediendienste mit vorwiegend programmbezogenem Inhalt anzubieten. Zudem habe der Fernsehrat des ZDF unter Mitwirkung von Vertretern der Zeitungsverleger die Kooperation für den Nachrichtendienst "heute.t-online.de" einmütig begrüßt.