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Bubble oder nicht?

Internet-Branche zwischen Kapitalschwemme und Crash-Angst

13.07.2011
Eine pfiffige Idee, ihre gekonnte Umsetzung und der passende Trend sind zurzeit alles, was ein Internet-Unternehmen braucht, um schnell an Millionen zu kommen.

Die Investoren suchen jede Möglichkeit, ihr reichlich vorhandenes Kapital mit Hoffnung auf Gewinn anzulegen. Davon profitiert jetzt der Internet-Dienst Evernote, der in einer weiteren Finanzierungsrunde 50 Millionen Dollar einsteckt. Das von elf Millionen Menschen genutzte Angebot für Notizen in der Cloud - das heißt im Internet synchronisiert und bereitgestellt - reiht sich in die Liste der Internet-Unternehmen ein, die mit einem Börsengang liebäugeln.

"Da baut sich ein bisschen eine Blase auf", sagt Natalie Tydeman, Partnerin bei der Londoner Investmentgesellschaft GMT Communications, der Nachrichtenagentur dpa. "Eine unserer Sorgen sind die erhöhten Preise in den Branchen, in denen wir investieren, besonders Technologie und digitale Medien."

Für eine Spekulationsblase ist charakteristisch, dass eine hohe Nachfrage nach Anteilen bestimmter Unternehmen die Preise dafür hochtreibt. Wenn sich die Hoffnungen der Anleger nicht erfüllen, kann es aufgrund der weltweiten Vernetzung der Finanzmärkte zu einem Börsencrash mit weitreichenden Folgen kommen.

"Die Amerikaner sind sehr viel schneller mit größeren Summen dabei als Kapitalgeber in Europa", erklärt der Berliner Internet-Unternehmer Ole Brandenburg, der in Kalifornien das Portal pageflakes.com mitaufgebaut und danach in Deutschland den Kartendienst StepMap mitgegründet hat. "Es geht in beide Richtungen sehr schnell - sowohl nach oben als auch nach unten." Bei Pageflakes habe er erlebt: "Wenn man nicht mehr im Trend liegt, wird man schnell fallengelassen wie eine heiße Kartoffel."

Hinzu kommt die Gefahr, dass die eigene Idee nachgeahmt wird. "Die Pixel auf einer Webseite kann man einfach kopieren", sagt Brian Chesky, Mitgründer des Portals Airbnb, das Privatübernachtungen vermittelt. Airbnb sicherte sich im Mai eine Finanzierungsrunde von 100 Millionen Dollar - sieht sich aber mit der Herausforderung konfrontiert, dass die Wettbewerber Wimdu und 9flats ein ähnliches Modell entwickelt haben und gleichfalls Kapitalgeber für sich gewinnen konnten.

Eine ähnliche Situation gibt es beim Coupon-Geschäft für Rabatte im Einzelhandel - nur in größeren Dimensionen. Hier will Groupon bis zu 750 Millionen Dollar an der Börse einsammeln. Aber der Konkurrent LivingSocial plant nach Medienberichten ebenfalls diesen Schritt und will dabei eine Milliarde Dollar einnehmen. Gleichzeitig baut auch Google einen eigenen Schnäppchendienst namens "Google Offers" auf. Und das Online-Netzwerk Facebook mit seinen 750 Millionen Mitgliedern mischt mit "Facebook Deals" mit.

Die 2008 in Kalifornien gegründete Evernote Corporation will mit dem Geld der Beteiligungsgesellschaften Sequoia Capital und Morgenthaler Ventures ihre internationale Reichweite ausbauen und andere Firmen aufkaufen. Die neue Kapitalspritze solle, so erklärt das Unternehmen, "eine aggressive Wachstums- und Akquisitionspolitik ermöglichen, in deren Mittelpunkt der Ausbau des Produktangebots steht". Sequoia war auch an der letzten Finanzierungsrunde im Oktober 2010 beteiligt, die ein Volumen von 20 Millionen Dollar hatte.

Eine Börseneinführung sei nicht das Hauptziel, "aber ein Schritt, der auf dem weiteren Weg kommen wird", sagt Evernote-Chef Phil Libin im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Bei günstigen Bedingungen am Kapitalmarkt könne ein Börsengang aber sehr schnell erfolgen.

"Ich finde es gut, wenn ein Unternehmen eine Finanzierung bekommt, aber ich zweifle, ob die Höhe gerechtfertigt ist", meint StepMap-Geschäftsführer Brandenburg. "Ich fühle mich etwas erinnert an die Zeit vor zehn, elf Jahren, als die Blase dann platzte. Da wird zurzeit viel überbewertet."

Um die Jahrhundertwende verlockten neugegründete Internet-Firmen die Anleger, immer mehr Geld in Unternehmen zu stecken, die nicht viel mehr zu bieten hatten als Zukunftsvisionen. Im März 2000 brachen die Luftschlösser zusammen, die Internet-Wirtschaft wurde weit zurückgeworfen. Inzwischen können viele Unternehmen der Branche mit Umsätzen und teils auch Gewinnen aufwarten. Aber ihre hohe Bewertung müssen sie erst noch nachweisen. (dpa/tc)