Internes IT-Marketing/Vier Marketing-Methoden fuer DV-Abteilungen IS-Gruppen muessen produzieren, was die Anwender sich wuenschen

27.10.1995

FRAMINGHAM (IDG) - Ausgaben fuer Informationstechnologie werden heute sehr kritisch beaeugt. Daniel Klingler* sieht diese Zurueckhaltung in der Tatsache begruendet, dass der Beitrag der IT zur Wertschoepfung der Unternehmen kaum wahrgenommen wird. Der CIO raet deshalb seinen Kollegen, die Leistungen der DV-Abteilung unternehmensintern richtig zu vermarkten.

Weil IS-Abteilungen in den Augen von Unternehmensleitern und Finanzvorstaenden wenig greifbare Resultate vorweisen koennen, strukturieren sie diese Bereiche um. Outsourcing, Dezentralisierung und der Ersatz eigener Programmierer durch externe Systemintegratoren sind dabei die populaersten Massnahmen, die in der Hoffnung ergriffen werden, jemand ausserhalb des Unternehmens koenne bessere Systeme entwickeln und implementieren, als das die eigene IS-Abteilung tut. Diese fuer DV-Abteilungen bedrohlichen Phaenomene resultieren aus nichts anderem als einem eklatanten Missverhaeltnis zwischen den Beduerfnissen der IS-Kunden und der mangelnden Faehigkeit zentraler DV-Abteilungen, diese zu befriedigen. Will die zentrale DV-Organisation ueberleben, muss sie sich offensiv um die Wuensche ihrer Klientel kuemmern.

Anbindung an die Nutzer ist oft nicht stark genug

Die wichtigsten Anforderungen an IS-Abteilungen sind leicht formuliert, aber schwer zu erfuellen: Sie soll die richtigen Dinge fuer ihren Kunden (die Fachabteilungen) tun - und zwar richtig. Interessanterweise haben sich die meisten DV-Abteilungen auf den zweiten Teil der Herausforderung gestuerzt - die Dinge richtig zu machen. Projekt-Management, Systementwicklung, CASE-Tools und Total-Quality-Management-Projekte sollen allesamt dazu beitragen, IS-Aufgaben so effektiv und effizient wie moeglich zu bewaeltigen.

Allerdings kann die zentrale DV nur ueberleben und wachsen, wenn sie ihrem Kunden etwas bringt (add value) und dieser die Vorteile der IS-Leistungen auch wahrnimmt. Dieses Bewusstsein in den Fachabteilungen zu wekken stellt sich als klassisches Marketing- Problem dar, das verschaerft wird, weil die Vorteile der meisten IT-Produkte fuer DV-Laien nicht direkt erkennbar sind. Zum Beispiel Data-Warehouses: Wenn solche Projekte korrekt durchgezogen werden und alles perfekt laeuft, bemerken die Anwender gar nichts von der Existenz des Warehouse. Sie wissen lediglich, dass sie leichten Zugriff auf historische Daten haben und diese analysieren koennen.

DV-Kunden kaufen keine Informationssysteme, sie erwerben die von der IS-Abteilung versprochene Arbeitserleichterung. Die Kundenerwartungen resultieren aus einer bestimmten Einstellung, aus bisher gemachten Erfahrungen und vagen Vorstellungen darueber, was IT in einem bestimmten Umfeld leisten kann. Deshalb geht es beim internen Vermarkten von DV-Leistungen darum, das Verhalten der Fachabteilungen zu beeinflussen.

Die falscheste, wenn auch heute populaerste IS-Marketing-Methode ist der "Monopolansatz". Ihm liegt die Annahme zugrunde, dass die zentrale DV-Abteilung die einzige Anlaufstelle fuer die Fachabteilungen darstellt. Die als Technik-Idioten beschriebenen Anwender, so das Vorurteil, werden die IS-Leistungen verzweifelt brauchen und das mit der Zeit auch einsehen. Ungluecklicherweise zeigen Fachabteilungen in diesem Punkt nur eine sehr begrenzte Einsichtsfaehigkeit. Statt dessen wenden sie sich mit ihren DV- Problemen an andere Stellen und laeuten so das Ableben der eigenen IS ein.

Fuer DV-Abteilungen, die diesem Schicksal entgehen wollen, gibt es vier grundlegende Strategien.

1. IT-orientiertes Vorgehen: Hier geht es fuer die IS-Mitarbeiter schlicht darum, die vorhandenen Produkte und Services zu katalogisieren und dann Mittel und Wege zu finden, sie den Fachabteilungen schmackhaft zu machen. Die eigene Arbeit empfindet die IS-Abteilung dabei nicht als problematisch. Schliesslich besteht das Team aus Experten, die saemtlich mehr ueber Informationssysteme wissen als ihre Kunden. Es geht darum, die Leistungen besser zu verkaufen. Wenn die Kunden dann immer noch nicht anbeissen, sind sie dumm, und daran kann man nichts aendern.

2. Kundenorientiertes Vorgehen: Das IS-Team ermittelt in "permanenter Marktforschung" die Beduerfnisse des Kunden und setzt sie auch dann in Produkte und Serviceleistungen um, wenn es dafuer Neuland beschreiten muss.

3. Kundenorientierte Transformation: Hier ist das Objekt der Marktforschung der "visionaere Kunde". Mit seiner Hilfe gilt es, den kuenftigen IT-Bedarf zu eruieren und auf Basis dieser Ergebnisse kundenspezifische Produkte und Services zu entwickeln. Ohne ausgepraegtes IT-Wissen beim Kunden scheitert dieser Ansatz allerdings.

4. IT-orientierte Transformation: Das ist der heimliche Traum vieler Chief Information Officers (CIO). Der Trick besteht darin, zu entscheiden, welche neue Supertechnik die Kunden wirklich benoetigen, um eine bisher ausgelassene Geschaeftsmoeglichkeit wahrzunehmen. Technik und Geschaefstmoeglichkeit gilt es an die Fachabteilung zu bringen und dann Produkte und Services zu liefern - auch wenn sie weder vom Kunden spezifiziert noch gewollt werden. Wenn moeglich, sollte neueste oder noch besser im Entwicklungsstadium befindliche Technologie fuer solche Vorhaben notwendig sein.

Die Frage nach der richtigen Methode laesst sich nicht leicht beantworten. Um DV-Leistungen richtig zu vermarkten, muss die Unternehmenskultur beruecksichtigt werden. Huldigt das Management beispielsweise der unverrueckbaren Ueberzeugung, "IT produziert nur Overhead-Kosten und muss kontrolliert werden", kommen Ansatz drei und vier nicht in Frage. Sieht sich die IS-Abteilung allerdings einem IT-glaeubigen Management und einem visionaeren Unternehmer gegenueber, der die Vertriebs- und Marketing-Faehigkeiten seiner Firma erstklassig machen will, wird wohl Ansatz drei - vielleicht mit einem Spritzer von vier - der geeignete Weg sein.

Vor- und Nachteile der vier Strategien

Ansatz eins, das IT-orientierte Vorgehen, erscheint vielen DV- Abteilungen als attraktive Strategie. Sie ist komfortabel, beschaeftigt die Mitarbeiter und liefert einen Grund fuer die Weiterexistenz der Abteilung. Ihre Implementierung ist risikolos, weil sie auf bestehenden Produkten und Services aufsetzt. Schade nur, wenn niemand die vorhandenen Produkte will. Entscheidet sich eine Organisation bewusst fuer diese Variante, reduziert sich die Arbeit des IS-Teams auf den Service. Werden Outsourcing- Ueberlegungen angestellt, taugt diese Strategie nicht - oder nur kurzfristig - zur Verteidigung der internen DV-Abteilung.

In keinem Fall bewirkt dieser Ansatz etwas neues Positives - streng nach der Regel: "Wenn du nur das tust, was du schon immer getan hast, dann bekommst du auch nur das, was du schon immer bekommen hast." Ausserdem kann eine solche IS-Abteilung kuenftige Beduerfnisse nicht befriedigen. Dieser "Lass-uns-einen-Katalog- machen-Marketing-Ansatz" traegt sicher zum Wissen der Kunden ueber die heutigen Faehigkeiten der IS-Abteilung bei, stellt aber auf keinen Fall den Kunden in den Mittelpunkt der Anstrengung. Mit dieser "Verkaeufer"-zentrischen Vorgehensweise schafft sich die DV keine Basis fuer die Zukunft.

Trotzdem wird diese Strategie oft gewaehlt. IS-Abteilungen tendieren dazu, sich auf Basis ihrer eigenen Vorstellung von professioneller Vollkommenheit zu beurteilen, anstatt sich aus Sicht ihrer Kundschaft zu betrachten. Es geht darum, die Kultur der DV-Abteilung so zu veraendern, dass sie nicht mehr Technologie- oder Systemwissen anbietet, sondern ihre Faehigkeit, diese Technologien den Geschaeftsbeduerfnissen anzupassen. Das IS- zentrische Vorgehen erfuellt diese Forderung nicht. Diesen Weg sollte nur einschlagen, wer sich selbst garantiert ueberfluessig machen will.

Das kundenorientierte Vorgehen, die zweite Strategie also, koennte man auch als Just-do-it-Marketing bezeichnen. Der Kunde hat immer recht! IS-Mitarbeiter, die diesen Ansatz verfolgen, haben erkannt, dass sie zwar die IT-Experten sind, aber (meistens) nicht fuer Computerhersteller arbeiten. Daher suchen sie das Know-how der Fachabteilungen wenn es darum geht, IT in Einklang mit den Unternehmensbeduerfnissen zu bringen.

Eine funktionierende Kommunikation, vor allem Zuhoeren, ist hier der kritische Erfolgsfaktor. Das Modell laesst sich am besten mit folgenden Stichworten beschreiben: Fragen, Zuhoeren, Klaeren, Ausfuehren, Rueckkoppeln.

In der Konzentration auf die Beduerfnisse des Kunden liegt der grosse Vorteil dieses Ansatzes. Er widmet sich heutigen Anwenderproblemen, deren Loesung viel zur dringend benoetigen Glaubwuerdigkeit der DV-Abteilungen beitraegt. Doch trotz ihres Reizes bringt diese Methode wenig Ruhm und kann schwieriger umzusetzen sein, als es zunaechst scheint. So kennt der Anwender oft seine IT-Beduerfnisse gar nicht oder kann sie nicht formulieren, ein den meisten IS-Profis bekanntes Phaenomen. Erschwerend fuer die DV-Abteilung kommt der Zwang hinzu, sich wahrscheinlich neues Know-how anzueignen, weil es die Anforderungen der Anwender verlangen. Eine typische Huerde stellen ausserdem die normalerweise nur duerftig vorhandenen Marketing- Kenntnisse von IS-Abteilungen dar.

Dennoch - mit offenen Kommunikationskanaelen zu den Fachabteilungen sind die Erfolgsaussichten fuer diesen Ansatz gut. Referenzen ueber funktionierende und puenktlich gelieferte Systeme helfen, eine partnerschaftliche, von gegenseitigem Vertrauen gepraegte Zusammenarbeit zu erreichen.

Plan drei, die kundenorientierte Transformation, waere in einer perfekten Welt der beste Weg. In unserer Welt aber kann dieser Ansatz mit Suche-Nadel-im-Heuhaufen-Marketing umschrieben werden. Die zugrundeliegende Logik lautet in etwa so: Wir (die DV- Abteilung) sind nicht das Problem; wir sind die Loesung, die auf ihren Einsatz wartet. Wir muessen lediglich einen Archimedes finden, der fuer uns "Heureka!" ruft. Das klingt phantastisch und ist Balsam fuer das Ego eines jedes DV-Mitarbeiters.

Die Methode scheint vielversprechend, weil sie sich auf die Beduerfnisse der Organisation konzentriert, langfristig orientiert ist und grossen Einfluss haben kann. Dagegen spricht, dass sie in der Regel Unterbrechungen der laufenden Arbeit riskiert, in der DV viel Sinn fuer das Geschaeft voraussetzt und grosses Vertrauen bei den Anwendern braucht. Ausserdem funktioniert sie nur, wenn man es mit "visionaeren" Anwendern mit Durchsetzungsvermoegen zu tun hat, die darueber hinaus noch zu Projekt-Champions, also zu besagten Nadeln im Heuhaufen, taugen. Da nicht jedes Jahrtausend einen Messias hervorbringt, ist der Ansatz nicht zu empfehlen.

Strategie vier, die IT-orientierte Transformation, funktioniert folgendermassen: Wir (DV) kennen die Anwort, die sicher in der Technologie liegt, wir muessen nur noch das zugehoerige Problem finden. Anders ausgedrueckt, sucht die IS-Abteilung ein Problem, das den Einsatz der neuesten Technologie rechtfertigen wuerde. Dieser vierte Ansatz staerkt das Selbstbewusstsein und bereitet den DV-Mitarbeitern Spass, birgt aber ein enormes Risiko. Er kann das ganze organisatorische Gefuege eines Unternehmens zerstoeren.

Orientierung an den Anwenderbeduerfnissen

Den Koenigsweg unter den vier hier dargestellten Marketing- Strategien stellt Methode zwei dar. Der erste Ansatz ist kurzsichtig und spricht nicht wirklich die Probleme der Anwender an. Er bringt bestenfalls die Erkenntnis, mit welcher der ohnehin vorhandenen Loesungen der Anwender am liebsten arbeitet. Die Moeglichkeiten drei und vier setzen zuviel voraus. Die IS-Truppe muss ihren Job absolut exzellent erledigen und bereits eine Referenzliste vorweisen koennen, bevor sie realistischerweise annehmen kann, mit diesen "Leading-edge-Ansaetzen" zum Ziel zu gelangen.

Die zweite Methode ist die einzige - obwohl zugegebenermassen nicht sehr glamouroes -, die den Anwender in den Mittelpunkt stellt und mit Total-Quality-Management, kontinuierlichen Verbesserungen sowie mit einer Partnerschaft zwischen IT und Fachabteilungen in Einklang gebracht werden kann. Am wichtigsten ist dabei der Versuch, den Anforderungen des Managements an die IT gerecht zu werden. Wenn die richtigen Beziehungen zu ausgewaehlten Anwendern aufgebaut werden, kann diese Methode sehr viel bringen. Kurz gesagt: IS-Abteilungen muessen das herstellen, was sie verkaufen koennen, und nicht das verkaufen, was sie herstellen koennen.

* Daniel Klingler ist Vice-President der R&D Information Systems von Hoffmann-La Roche Inc. in Nutley, New York.