Service-Provider (XSP)/Probleme und Chancen von Inhouse Lösungen

Interne Service-Provider vermieten Software

01.11.2002
Im Zuge der Neuausrichtung vieler IT-Abteilungen besinnen sich die Verantwortlichen auf das Model der Application-Service-Provider (ASP). Doch nicht an deren Angebote sind sie interessiert, sondern die technischen Lösungen sind gefragt. Als interner Service-Provider stellen die IT-Verantwortlichen den Fachabteilungen Applikationen auf Mietbasis zur Verfügung und übernehmen damit die Rolle eines hauseigenen ASPs. Von Frank Roth*

Kosten und Komplexität senken, aber gleichzeitig Funktionalität und Flexibilität steigern - mit dieser gegensätzlichen Aufgabenstellung sehen sich IT-Entscheider in der aktuellen wirtschaftlichen Lage zunehmend konfrontiert. Dabei führen die steigende Komplexität der vielerorts vorhandenen dezentralen Server- und Netzstrukturen sowie der steigende Aufwand für PC-Service und -Support das IT-Personal häufig vor zeitliche und fachliche Probleme. Die Einbindung von Heimarbeitsplätzen und mobilen Anwendern, die schnelle IT-Integration übernommener Firmen sowie die Verbesserung der Service-Levels tun ein Übriges für die Überlastung der internen IT.

Gerade die Reduzierung der IT-Kosten stellt sich in dieser Situation jedoch als zweischneidiges Schwert dar, denn Kostensenkung heißt letztlich Investitionsstopp und Stellenabbau. Die Infrastruktur verharrt im aktuellen Zustand und entwickelt sich nicht. Das ist fatal - wachsen doch die Anforderungen an die IT fast täglich, will und muss man doch seine Wettbewerbsfähigkeit halten und ausbauen. Eine nicht einfache Situation für die Unternehmenslenker und IT-Strategen. Neue Konzepte sind deshalb gefragter denn je. Ein Blick auf die IT-Kosten und deren Verursacher macht klar, wo angesetzt werden muss: Standardisierung, Konsolidierung und Zentralisierung sind die Schlüsselworte, will man die IT-Systeme auf mehr Funktionalität und Flexibilität trimmen und gleichzeitig sparen.

In dieser Situation besinnen sich viele interne wie auch ausgegründete IT-Abteilungen auf die technischen Entwicklungen des ASP-Modells, um die Anwender mit Software und Services zu versorgen. Dieses Mietsoftware-Verfahren im Inhouse-Betrieb erfüllt die Anforderungen nach Standardisierung, Konsolidierung und Zentralisierung der IT-Strukturen. Außerdem reduziert es die Kosten nachhaltig und nachweisbar. Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der Daten, mit denen externe ASPs meistens zu kämpfen hatten, sind obsolet, denn sämtliche kritischen Informationen verbleiben im eigenen Haus.

Deutliche Einsparungen möglich

Themen wie Sicherheit, Abrechnung, Multimandantenfähigkeit, Customizing, offene Fragen zur Softwarelizenz und Bandbreitenverfügbarkeit entpuppen sich bei einer Inhouse-ASP-Lösung nicht mehr als Hindernis, wie es noch im externen ASP-Modell oftmals der Fall war. Gemeinsamkeiten der internen und externen ASP-Angebote finden sich in der Informations- und Applikationsbereitstellung, der Personalisierung, dem Single Logon, sowie der Vereinbarung von Service-Levels mit den Kunden wieder. Da sich die IT-Abteilungen mit ASP-Lösung als interne ASPs verstehen, ist die Vereinbarung von Qualitätsgarantien mit den eigenen Fachabteilungen unter gleichen Bedingungen erforderlich, wie sie auch zwischen externen Dienstleistern und ihren Abnehmern herrschen.

Umfangreiche Analysen hinsichtlich der Total Cost of Ownership (TCO) und des Return on Investment (RoI) belegen, dass sich die Einführung einer Inhouse-ASP-Lösung nach 18 bis 30 Monaten bezahlt macht. Im Vergleich zu traditionellen Client-Server-Lösungen fallen die einzelnen Kostenblöcke im Verlauf eines Einführungsprojekts jedoch früher an. So sind beispielsweise die notwendigen Erstinvestments gleich, wenn nicht sogar höher als bei traditionellen Client-Server-Installationen. Die Einsparung der ASP-Variante resultiert letztlich aus den geringeren Betriebskosten des Systems über die gesamte Laufzeit hinweg.

Dennoch kämpft die hauseigene ASP-Alternative mit Akzeptanzproblemen, denn trotz Einsparmöglichkeiten von bis zu 30 Prozent entscheiden sich Unternehmen nicht selten für das langfristig ungünstigere System, weil sie sich von den Erstinvestionen abschrecken lassen. Außerdem resultieren abschlägige Entscheidungen häufig aus der Tatsache, dass für Anschaffung und Betrieb unterschiedliche Kostenstellen zuständig sind.

Unter technischen Gesichtspunkten fügt sich eine Inhouse-ASP-Lösung sehr gut und einfach in die bestehende IT-Infrastruktur eines Unternehmens ein. So ist eine sanfte Migration und Überführung der vorhandenen Client-Server-Strukturen in eine zentralisierte IT-Umgebung mit umfangreichen Backend-Ressourcen und schlanken Frontends machbar. Vorhandene Hard- und Software ist weiterhin nutzbar, so dass die getätigten Investitionen geschützt sind. Dennoch verändern sich einige Funktionsbereiche grundlegend. Eine neu definierte Arbeits- und Vorgehensweise ist unumgänglich.

Im ASP-Modus gliedert sich die IT-Umgebung in vier funktionale Ebenen (siehe Abbildung "Architektur der internen ASP-Lösung"). Der Backend-Bereich umfasst alle zentralen Daten-Server (File, Print, SQL, Backup usw.), und die nativen Anwendungs-Server. Diese Landschaft gilt es im Rahmen eines Inhouse-ASP-Projektes zu konsolidieren. Zudem steigen die Anforderungen an die Funktionalität und Verfügbarkeit, so dass eine Standardisierung und Zentralisierung erfolgen muss.

Im Plattformbereich finden sich die Applikations-Server (Windows Terminal Server in Kombination mit Citrix Metaframe) und die Web-Server wieder. Aufgabe dieses Funktionsblocks ist es, die vom Backend zur Verfügung gestellten Daten und Anwendungen in ein Portal-, also Browser-fähiges Format zu wandeln. In der Praxis hat sich gezeigt, dass der Plattformbereich die meisten Server für den Inhouse-ASP-Betrieb erfordert. Nicht Web-fähige Applikationen lassen sich nämlich nur mit Hilfe des Windows Terminal Servers (WTS) und von Citrix Metaframe im Browser darstellen. In aktuellen Projekten versorgen Server-Farmen mit bis zu 200 WTS-Citrix-Rechnern mehrere tausend Anwender. Hardwarseitig haben sich für diese Aufgaben ein Zoll hohe Slimline-Server sowie die seit kurzem verfügbaren Blade-Server bewährt.

Der Portal-Access-Bereich stellt einerseits die Portaldienste, andererseits auch die Netz- und Sicherheitsservices bereit. Hier wird dem Anwender im Sinne eines Single Point of Access eine durchgängige Anwendungs- und Sicherheitsstruktur mit Funktionen wie Single-Sign-on, Verschlüsselung sowie einer starken Authentisierungskomponente zur Verfügung gestellt. Die redundante Auslegung dieser Systeme ist bei hohen Verfügbarkeitsanforderungen unumgänglich. Fällt im Portal-Access-Bereich ein System aus (etwa der Portal-Server), ist die gesamte Umgebung nicht mehr erreichbar, selbst wenn alle Plattform- und Backend-Systeme problemlos laufen. Die doppelte Bestückung dient dabei nicht allein der Redundanz, sondern lässt sich zugleich als dynamisches Load Balancing zur Lastverteilung nutzen.

Schließlich gibt es den eigentlichen Portalbereich als Schnittstelle zum Anwender. Hier erfolgt die durchgängige Standardisierung durch den Browser, der als ausschließliches Applikations-Interface zur Verfügung steht. Existierende PC-Arbeitsplätze lassen sich bei Bedarf ohne Aufwand entsprechend erweitern, so dass sich sämtlichen Anwendern der Portalzugriff einräumen lässt. Sonstige Client-seitig installierte Programme können entfernt werden, sobald vom Anwender benötigte Software über das Portal bereitgestellt wird. Damit lassen sich alsbald die Supportkosten reduzieren.

Wege der Integration

Dass derzeit nur zirka 20 Prozent der eingesetzten Anwendungen Web-fähig sind, stellt zwar eine besondere Herausforderung, jedoch kein Hindernis dar. Mittels der Adaptionstechniken WTS und Citrix Metaframe können die problematischen Applikationen in ein Browser-Fenster integriert und somit über das Portal angeboten werden. Zu beachten ist jedoch, dass sich nicht jede Anwendung mit grafischem User-Interface uneingeschränkt in eine WTS-Citrix-Installation einsetzen lässt. Anwendungstests innerhalb der Projekte sind also ratsam. Alternativ lassen sich die Tests auch extern betreiben und an Institutionen wie das WTS-Center vergeben. Auf der Web-Seite www.wts-center.de ist zudem eine Liste aller bereits geprüften Anwendungen zu finden.

Aufgabe der Portalservices ist es, sämtliche benötigten Anwendungen in das Portal zu integrieren (dazu gehören sowohl die Web-fähigen als auch nicht-Web-fähige Applikationen") und die Single-Sign-on-Funktionen umzusetzen. Problematisch und leider nicht machbar ist der Client-seitige Datenaustausch zwischen reinen Web-Anwendungen und solchen Applikationen, die mittels WTS zur Verfügung gestellt werden.

Die Projektpraxis zeigt sehr deutlich, dass gerade bei Server-Farmen mit mehr als fünf Plattform-Servern Installation und Konfiguration der Rechnersoftware frühzeitig weitgehend automatisiert werden sollten. Der Einsatz spezieller Softwareverteilsysteme ist hierbei ein geeigneter Weg, um Fehler in den Installations- und Konfigurationsarbeiten auszuschließen. Neben dem hohen Automatisierungsgrad erzielt man mit der remoten Softwareinstallation eine gute Homogenität und somit Stabilität der Plattform-Server-Systeme.

Aktuell sind bei diversen mittleren und großen Unternehmen Inhouse-ASP-Lösungen erfolgreich im produktiven Einsatz. In fast allen Projekten hat sich gezeigt, dass ein umfangreiches Austesten der gesamten Systemumgebung bei mehr als 1000 Nutzern unumgänglich ist. Dabei konnten bisherige Projektbetreiber nur bedingt auf praktische Erfahrungswerte anderer Vorhaben in ähnlicher Größenordnung zurückgreifen, weil es nur wenige Referenzen gibt.

So gilt es bei Lasttests insbesondere die Zugriffsspitzen, die beispielsweise zu bestimmten Uhrzeiten oder zum Monatsende bei umfangreichen Buchungen entstehen, bei der Dimensionierung der Systeme entsprechend zu berücksichtigen. Oft wird gerade diesen Lastspitzen bei der Planung und Konzeption nicht genügend Beachtung geschenkt. Ein zeitweise instabiles Gesamtsystem mit entsprechend sinkender Akzeptanz der Anwender ist die Folge.

Die Realisierung einer Inhouse-ASP-Lösung ist in jedem Fall eine lohnende Sache, spart sie doch über einen Betrachtungszeitraum von drei Jahren bis zu 30 Prozent der Kosten. Das hat die Erfahrung mit etlichen Inhouse-Projekten gezeigt. (jha)

*Frank Roth ist Vice President Marketing bei der Asp4you GmbH, Karlsruhe.

Inhouse-ASP

- Interne IT-Abteilungen besinnen sich auf die technischen Ansätze von externen ASPs.

- Mit der Einführung geht die Zentralisierung, Standardisierung und Konsolidierung der IT einher.

- Kostenersparnisse von bis zu 30 Prozent sind erzielbar.

- Ein vierstufiges Technikkonzept hat sich bewährt.

- Die Einbindung nicht Web-fähiger Applikationen erfolgt über WTS und Citrix. Sie ist kein Hindernis, aber eine Herausforderung.

Abb: Architektur der internen ASP-Lösung

Beim Aufbau von Inhouse-Lösungen hat sich eine Gliederung in vier funktionale Ebenen bewährt. Quelle: asp4you