Interne Bedenken gegen Vorstandsresolution Telekom faehrt Boetsch mit sehr harscher Kritik an den Karren

27.04.1995

BONN (gh) - Die Deutsche Telekom AG lehnt die Vorschlaege von Bundespostminister Wolfgang Boetsch zur Liberalisierung des deutschen Telecom-Marktes nach 1997 entschieden ab. Dies ist die Kernaussage einer (noch) vertraulichen Resolution des Telekom- Vorstandes.

Vier Wochen lang waren die Verantwortlichen des Bonner Carriers so gut wie auf Tauchstation gewesen, bevor sie sich nun mit einer ersten offiziellen Reaktion auf das bereits Ende Maerz von Boetsch vorgestellte Eckpunktepapier an die Oeffentlichkeit wagen. Danach sieht sich die Telekom einem vorab in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) veroeffentlichten Bericht zufolge durch die Plaene des Bundespostministers in ein "enges regulatorisches Korsett gezwaengt", waehrend ihre neuen Wettbewerber

"in jeder Hinsicht groesste Freiheiten" haetten.

Das vor kurzem privatisierte ehemalige Postunternehmen wendet sich in einer 47 Seiten umfassenden Stellungnahme, die bei Redaktionsschluss vom Telekom-Vorstand allerdings noch nicht abgesegnet worden war, vor allem gegen das Vorhaben von Boetsch, nur marktbeherrschende Unternehmen zu einem flaechendeckenden Angebot von Dienstleistungen zu verpflichten.

Vorteile fuer die Konkurrenz befuerchtet

Dadurch sei, wie die "FAZ" das Telekom-Papier wiedergibt, der Rosinenpickerei Tuer und Tor geoeffnet. Woertlich soll es unter anderen heissen: "Die Konkurrenten der Telekom koennen ungehindert als wettbewerbliche Trittbrettfahrer taetig werden."

Darueber hinaus befuerchtet die Telekom schon jetzt eine Aushoehlung ihrer bis zum 31. Dezember 1997 garantierten Monopolrechte durch die von Boetsch angedeutete kuenftig grosszuegigere Genehmigungspraxis bei der Zulassung von regionalen Multimedia-Projekten und unternehmensweiten Corporate Networks sowie die Erlaubnis fuer Mobilfunknetzbetreiber, demnaechst Uebertragungswege in eigener Regie zu errichten. Die Telekom akzeptiere aber, so eine weitere Formulierung des Papiers, nur den freien Wettbewerb, wenn ungleiche Lasten und die einseitige Preisregulierung aufgehoben wuerden.

Gefordert werde daher, dass nach 1997 nicht nur der ehemalige Monopolist, sondern (nach einer Uebergangszeit) auch alle anderen Wettbewerber zu einem flaechendeckenden Mindestangebot (Universaldienst) verpflichtet werden. Das "Rosinenpicken" wuerde nach Ansicht der Telekom-Verantwortlichen auch dann gefoerdert, wenn ein Lizenznehmer nur Uebertragungswege ohne den entsprechenden Dienst anbieten koenne. Bisher ungenutzte und laengst abgeschriebene Leitungen wuerden so zu Dumping-Preisen angeboten werden, heisst es in dem Papier weiter.

Im Telekom-Vorstand umstritten war und ist Insidern zufolge allerdings die in Form und Inhalt wohl recht harsche Zurueckweisung der Plaene des Bundespostministers. Aufgrund des bei Redaktionsschluss noch "schwebenden Verfahrens" wollte ein Telekom- Sprecher gegenueber der COMPUTERWOCHE nicht einmal die Existenz eines entsprechenden Papiers bestaetigen. Offensichtlich gibt es aber einflussreiche Kreise im Management des Bonner Carriers, die eine Rolle der Telekom als ewiger Neinsager in der Liberalisierungsdebatte fuer gefaehrlich halten. Die fuer die Genehmigung der Kooperationen mit France Telecom und dem US- Carrier Sprint zustaendigen Kartellbehoerden in Bruessel und Washington hatten jedenfalls in den vergangenen Wochen keinen Zweifel daran gelassen, dass sie eine positive Entscheidung auch von einer nachhaltigen Oeffnung des deutschen Telecom-Marktes abhaengig machen.