Internationaler Technologietransfer: Verwestlichung ist nicht unbedingt die Folge

29.07.1983

Technologietransfer von westlichen Industrieländern in nicht-westliche Länder geschieht nicht so, daß man eine bestimmte Ware von einer Hand zu einer anderen Hand weitergibt, sondern der Technologietransfer setzt das Vorhandensein geeigneter sozio-kultureller, also nichttechnischer und nichtwirtschaftlicher, sondern, eher gesellschaftlicher, sogar kultureller Infrastruktur voraus. Denn der Technologietransfer des Westens in ein nichtwestliches Land ist ja zunächst nur eine Information. Man kann damit noch nicht ein Geschäft anfangen. Diese Information muß in dem bestimmten Land so ausgewertet, so entwickelt werden, daß man dort eine industriemäßige Produktion ausgewertet, so entwickelt werden, daß man dort eine industriemäßige Produktion aus dieser Technologie realisieren

kann. Man muß also aus der großen Information eine praktische Industrieproduktion herausholen. Dabei muß man mit einer Kreativität des betreffenden Landes rechnen.

Das betreffende Land wird es nötig haben, dafür eine geeignete sozio-kulturelle Infrastruktur aufzubauen. Aber dies bringt ein erhebliches Problem: Denn wenn ein nichtwestliches Land die Technologie von westlichen Industrieländern übernehmen will, muß es in seinem Innern die dazu notwendige sozio-kulturelle Infrastruktur bereitstellen, die wieder westlich sein wird. Das ist genau das Anfangsstadium der Modernisierung eines Landes, wo auch zum Beispiel Japan vor einem Jahrhundert gestanden hat.

So hat man in Japan unter der ersten Regierung des modernen Japans, also der Mehdi-Zeit, ein völlig neuartiges Bildungs- und Erziehungssystem eingeführt, das aus der vorhandenen sozialen Struktur, also der traditionellen Form, völlig herausgelöst war, so daß dieses Schulsystem offenstand für die Pflege der westlichen Wissenschaft, Bildung und Ausbildung der jungen Menschen nach dem westlichen Modell der Intellektualität und der Technik. Dabei ist man so vorgegangen, daß man nicht nur die konkret nutzbare Militärtechnologie, die Naturwissenschaft, die Industrietechnik oder die Medizin erforschte und darin unterrichtete, sondern daß man auch die europäische Philosophie, Musik und bildende Kunst mit in das Programm übernahm.

Diese Anstrengungen der ersten modernen japanischen Regierung in der Mehdi-Zeit, also vor etwa einhundert Jahren, brachte natürlich eine gewisse Erscheinung mit sich, die man eine Verwestlichung oder Europäisierung nennen könnte.

Viele japanische Firmen meinten damals auch ganz ehrlich und mit Begeisterung, Japan müsse genau den gleichen Weg der Entwicklung der Industrie und von politischen und wirtschaftlichen Innovationen gehen, den die westlichen entwickelten Länder vor Japan schon beschnitten haben. Dies meinten auch die westlichen Sozialwissenschaftler. Nach der Vorstellung der repräsentativen, großen, zum Teil klassischen europäischen Sozialwissenschaftler mußte die Modernisierung für die nichteuropäischen Entwicklungsländer gleichbedeutend sein mit der faktischen Verwestlichung oder Europäisierung.

Das würde bedeuten, daß ein nichtwestliches Land mit dem Fortschreiten der Modernisierung des Landes, das heißt mit dem erfolgreichen Technologietransfer, mit der erfolgreichen Ausarbeitung dieser gelieferten Technologie, immer westlicher wird - mit dem Effekt, daß man von Europa aus ein nichtwestliches Land eines Tages besser durchschauen, besser verstehen und ohne Schwierigkeiten mit dem Land kommunizieren kann.

Kopie des europäischen Vorbilds

Im Falle Japans ist es so gewesen, daß sich das Land von sich aus entschloß, die europäische Kultur, Zivilisation und Technologie zu übernehmen. Selbst in diesem Fall muß sich das Land sogar zwangsweise in eine von mir als "intellektueller Kolonialismus" bezeichnete Situation hineinmanövrieren lassen. Wie war, als Japan sich in dieser Periode befand, die Technologieauswirkung in dem Land? - Da zeichnete sich die japanische Produktion vor allem dadurch aus, daß sie dem europäischen Vorbild abs(...) nachgeahmt war; man stellte Kopien europäischer Produkte her. Die japanischen Produkte waren, wenn sie auf dem Weltmarkt Oberhaupt konkurrenzfähig waren, wegen des niedrigen Preises konkurrenzfähig.

Yasusada Yawata ist Associate Professor an der Nihon Universität, Tokura. Der Kommentar ist ein Auszug eines Vortrages, den auf dem Kongreß "Zukunftschancen eines Industrielandes" am 14./15. Dezember 1982 in Stuttgart gehalten hat.