Internationale Abkommen für den Datenschutz

01.10.1976

Mit Hans Peter Gassmann, Leiter der Informatics Studies Unit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Paris sprach CW-Chefredakteur Dr. Gerhard Maurer

- Sie verfolgen in Paris für die OECD die Entwicklung der Datenverarbeitung und Telekommunikation in den westlichen Industriegesellschaften. Insbesondere interessiert Sie auch die Datenschutz-Gesetzgebung in den 24 OECD-Mitgliedsländern. Wenden sich die Dinge zum Guten oder zum Bösen?

Wir beobachten die Entwicklung auf diesem Gebiet schon seit 1970. Nachdem einige Jahre relativ wenig geschah, ist seit gut zwei Jahren eine gewisse Dynamik festzustellen. Bisher hat nur Schweden als einziges Land ein Datenschutzgesetz, das den öffentlichen und den privaten Sektor umfaßt. In den USA gibt es ein Gesetz, das nur die Datenverarbeitung der Bundesregierung betrifft. Aber inzwischen haben mindestens sieben Staaten in Westeuropa konkrete Schritte unternommen, die wohl sehr bald zu entsprechenden Gesetzen führen werden.

- Zu diesen Ländern zählt auch die Bundesrepublik, in der ja ein Bundesdatenschutzgesetz zur Verabschiedung ansteht. Wie ist der Stand in den Nachbarländern?

In Frankreich gibt es seit Juli eine Regierungs-Gesetzesvorlage, die höchstwahrscheinlich im Frühjahr 1977 vom Parlament verabredet wird. In Belgien, Dänemark, Österreich und Norwegen wird auch an Gesetzesentwürfen gearbeitet, so daß wohl angenommen werden kann, daß bis Mitte 1977 diese Länder ebenfalls Datenschutzgesetze haben werden.

- In Deutschland sind seit dem ersten Regierungsentwurf bis zum heutigen Tag drei Jahre vergangen, und das Gesetz ist immer noch nicht verabschiedet. Möglicherweise gibt es in den anderen Ländern ähnliche Verzögerungen - ganz abgesehen davon, daß England und weitere Nationen noch gar keine Schritte in diese Richtung unternommen haben. Entsteht nicht auf internationaler Ebene ein Gefälle, das möglicherweise gar den privatwirtschaftlichen Wettbewerb verzerrt?

Diejenigen Länder, die noch keinen Datenschutzgesetz-Entwurf haben, waren in der Zwischenzeit nicht untätig. Die Engländer und auch die Holländer zum Beispiel haben Kommissionen, die jetzt gerade Berichte erstellen. Trotzdem kann gesagt werden, daß wohl eine Situation entsteht, die der auf dem Gebiet des Umweltschutzes ähnlich ist. Das heißt, wir müssen darauf achten, daß im Bereich Datenschutz und damit bei den damit verbundenen Kosten kein Gefälle entsteht, das zu einer unterschiedlichen Belastung der Wirtschaft in den einzelnen Ländern führt.

- Dann hätten wir Daten-Paradiese, so wie es heute auch Steuer-Oasen gibt. Gibt es dafür schon Indizien?

In diesem Zusammenhang ist interessant, daß eine deutsche Auskunftei beschlossen hat, ihre Datenbank nach Luxemburg zu verlegen. Sicherlich hat das mit der bevorstehenden Verabschiedung eines Bundesdatenschutzgesetzes zu tun.

- Schaden sich also die Länder, die vorprellen? Vermutlich wird ja die Bundesrepublik bald auch zu den Pionieren gehören?

Ich glaube nicht. Aber bezeichnenderweise drängen gerade die Länder, die schon ein Datenschutzgesetz haben, auf internationale Abkommen. Auch hier gibt es Präzedenzfälle im Umweltschutz.

- Für -internationale Abkommen bedarf es aber eines gewissen Problembewußtseins, so wie es dies Thema Umweltschutz sicherlich heute gibt. Indes, welchen Politiker interessiert ernsthaft der Datenschutz oder gar internationale Datenschutz-Regelungen?

Natürlich ist dieses Problem nicht so dringlich wie zum Beispiel die Fragen auf dem Energiegebiet. Immerhin, gerade im August war in Toronto auf der Konferenz de International Council for Computer Communication, wo der amerikanische Senator Barry Goldwater Jr. ein Rede gehalten hat, in der er auf die Notwendigkeit eines internationalen Abkommens hingewiesen hat und in der er speziell auf die Gefahr von - wie er sagte - Informations-Piraten hingewiesen hat, die sich außerhalb der Souveränitätszone eines Landes Daten-Basen aufbauen können oder internationale Datenströme anzapfen können.

- Wir haben ja in Europa die Radioschiffe der Piraten-Sender. Wird es künftig außerhalb der Drei-Meilen-Zone schwimmende Computer-Schiffe mit großen Datenbanken geben?

Diese Möglichkeit ist nicht auszuschließen. Zumal die Kommunikation leicht über Satelliten erfolgen kann.

- In der Zukunft wird man wohl auch internationale Abkommen brauchen für den grenzüberschreitenden Datenverkehr in Computer-Verbundsystemen und DFÜ-Netzen.

Was heißt hier Zukunft? Einige Netze existieren jetzt schon. Ich erinnere nur an SITA, das Netz der Fluglinien, an Cybernet und andere internationale Time-Sharing-Dienste, Im Oktober wird SWIFT den Betrieb aufnehmen, wodurch 300 Banken Westeuropa und Nordamerika elektronischer Zahlungsverkehr möglich wird.

- Aber im SWIFT-Netz sollen doch keine personenbezogenen, sondern bankgeschäftliche Daten bewegt werden?

Das ist richtig. Dennoch ist nicht auszuschließen, daß in einem späteren Stadium personenbezogene Daten über dieses Netz laufen können, etwa zur Kreditwürdigkeitsprüfung, Bezeichnenderweise hat der Schwedische Data Inspection Board im SWIFT-Hauptquartier in Brüssel einen Besuch gemacht, um sich Klarheiten darüber zu verschaffen, daß der Betrieb des SWIFT-Netzes in einer Weise erfolgt, die für die schwedischen Banken keine Verletzung der schwedischen Datenschutz-Bestimmungen mit sich bringt.

- Und wer kümmert sich um die (..)lange der Bürger anderer Nationen?

Bis jetzt wird offensichtlich in anderen Ländern diese internationale Problematik noch nicht genügend gesehen.

Die in diesem Interview von Herrn Gassmann vertretenen Ansichten sind seine private Meinung und nicht offizielle Stellungnahme der OECD.