Satellitenkommunikation/Nicht nur zur Anbindung osteuropaeischer Niederlassungen

International taetige Firmen verbinden Standorte via Satellit

05.01.1996

Bei der Anbindung ihrer osteuropaeischen Standorte stehen international operierende Unternehmen stets vor den gleichen Problemen: Die Kommunikationsinfrastruktur ist extrem schlecht, terrestrische Leitungen sind - wenn ueberhaupt verfuegbar - zu langsam, fehleranfaellig und zu teuer, die Warte- und Lieferzeiten sind viel zu hoch.

Multinationale Firmen mit einem betraechtlichen Kommunikationsbedarf hinsichtlich Daten, Sprache, Telefax, Video und Multimedia koennen es sich jedoch nicht leisten, auf moderne Infrastrukturen und leistungsfaehige Unternehmensnetze zu verzichten. Die nach Client-Server-Konzepten verteilten Datenstrukturen und Anwendungen muessen durchgaengig bleiben. Neue osteuropaeische Standorte mit hohem Datenaufkommen und datenintensiven Applikationen muessen ihre Daten schnell und fehlerfrei in Just-in-time-Prozesse integrieren.

Dazu muss es moeglich sein, grosse Datenmengen, die in Datenbanken gespeichert und in lokalen Netzwerken mit 10 Mbit/s uebertragen werden, mit akzeptablen Geschwindigkeiten (64 Kbit/s bis 2 Mbit/s) zwischen verschiedenen Standorten zu transferieren. Darueber hinaus gilt es, zeitkritische Informationen und Daten wie etwa Boersen- und Marktdaten, Pressemeldungen oder dringende Rundschreiben verzoegerungsfrei und gleichzeitig, flaechendeckend und sicher an alle Empfaenger zu verteilen.

Fuer die osteuropaeischen Regionen mit mangelnder terrestrischer Kommunikationsinfrastruktur gibt es inzwischen kostenguenstige Loesungen. Galt die Satellitenkommunikation lange Zeit als zu teuer, ist sie mittlerweile zur Selbstverstaendlichkeit geworden - selbst in Regionen mit gutausgebauten terrestrischen Infrastrukturen wie in Westeuropa.

Was die Rundfunk- und Fernsehsender schon lange mit Satellitenstationen fuer TV- und AudioUebertragungen praktizieren, ist nun auch fuer die Standortintegration der Firmen fuer die integrierte Sprach- und Datenkommunikation State of the art. Satelliten verbinden die verschiedenen lokalen Netzwerke.

Die Zeiten sind vorbei, als die Satellitenschuesseln noch einen riesigen Umfang hatten, Spezialisten und Kraene noetig waren, um sie zu installieren. Dank hochentwickelter Satellitentechnik sind die Schuesseln heute kompakt sowie schnell zu installieren. Durch geringere Material-, Stueck- und Installationskosten sind sie entsprechend preisguenstig.

Eine Vielzahl von Satelliten - wie Eutelsat, Intelsat, Inmarsat und Orion - stehen im Orbit zur Verfuegung. Eutelsat uebertraegt europaweit, was eine Kommunikation bis weit nach Osteuropa ermoeglicht. Mit dem Satelliten Orion F1, den Orion im Fruehjahr 1995 ueber dem Atlantik auf einer geostationaeren Bahn positioniert hat, lassen sich Standorte sowohl in Europa als auch in den USA miteinander verbinden.

Service-Provider wie Orion Atlantic Services oder Romantis Telecommunications System und Ausruester - beispielsweise Nortel Dasa, Hughes, AT&T, GTE etc. - geben die Amortisationszeit mit zwei bis drei Jahren an und garantieren mit 99,5 Prozent eine hohe Leitungsverfuegbarkeit. Zum Vergleich: Eine Datendirektverbindung ist zu 95,5 Prozent verfuegbar; bei ISDN betraegt die Rate 97,5 Prozent. Dies bedeutet, dass die maximale Ausfallzeit bei Satelliten monatlich unter 3,6 Stunden, bei der Direktverbindung aber ueber 32 Stunden betraegt.

Besonders hohe Kostenersparnisse gegenueber terrestrischen Alternativen wie Frame Relay lassen sich bei sternfoermigen und vor allem vermaschten Netzwerken mit Broadcast-Verkehr erzielen. Sie liegen bei 40 Prozent und mehr. Bei wachsendem Kommunikationsbedarf laesst sich das Netzwerk evolutionaer ausbauen, naemlich hinsichtlich der Bandbreite, Netzgroesse und Schnittstellen.

Die Produktangebote sind vielfaeltig. So stellten beispielsweise Orion Atlantic, Nortel Dasa und Matra MCN Satservice zur Telecom 1995 in Genf Multimedia-Dienste vor, die fuer international taetige Unternehmen unter dem Titel Virtual Integrated Sky Network (VISN) verfuegbar sind. Wesentlicher Vorteil ist, dass multinationale Unternehmen ihre osteuropaeischen Standorte schnell und kostenguenstig in ihre Corporate Networks integrieren koennen.

Das VISN eroeffnet vielfaeltige Anwendungsmoeglichkeiten. So realisiert etwa Pepsi Cola Europe die Remote-Qualitaetskontrolle in den osteuropaeischen Standorten mit satellitengestuetzten Datenuebertragungsstrecken. Die Daten werden zwischen der Zentrale in Wien und den Produktionsstaetten in Polen und Ungarn mit jeweils 64 Kbit/s uebertragen. Dazu nutzt das Unternehmen den VISN-Service von Orion Atlantic Services auf der Basis von ABCS-Bodenstationen (Advanced Business Communications via Satellite) von Nortel Dasa.

Auch bei der zum Unternehmensverbund der Creditanstalt Bankverein gehoerenden CA-Informations-Technologie Beratungs- und Datenverarbeitungs-Ges.m.b.H & Co KG (CAIT) sieht man im VISN Vorteile: "Jedes international taetige Unternehmen, das den Aufbau eines europaeischen Kommunikationsnetzes plant, sollte dieses Dienstangebot in Betracht ziehen", meint Gerhard Tomicek, Prokurist der CAIT. "Aufgrund der Leistungsfaehigkeit unseres VISN- Netzes haben wir bereits einige unserer terrestrischen Verbindungen durch diese Loesung ersetzt."

Festverbindungen in Daten- und Telefonnetzen haben den Nachteil, dass sie rund um die Uhr zu bezahlen sind, haeufig aber nur waehrend weniger Buerostunden genutzt werden. VISN erlaubt im Gegensatz hierzu entweder einen Pauschalpreis oder aber eine volumenabhaengige Tarifierung nach tatsaechlicher Nutzung ("pay as you drink").

Im Vergleich zu herkoemmlichen Satellitennetzen weist das VISN einige entscheidende Vorteile auf. So erlaubt das VISN eine "Any- to-any"-Kommunikation, das heisst, jeder Teilnehmer kann gleichberechtigt mit jedem anderen Teilnehmer kommunizieren. Moeglich machen das neue Sende- und Empfangsstationen, die kleiner und kostenguenstiger als die bisherige Technik sind und die keine zentrale Hub-Station mehr erfordern.

Die Sende- und Empfangsstationen sind ueber den Satelliten Orion F1 verbunden. Dieser zeichnet sich durch eine besonders hohe Sendeleistung aus und erlaubt die Verwendung relativ kleiner Parabolantennen. Je nach geografischer Lage kommt man mit einem Schuesseldurchmesser von 1,20 bis hoechstens 2,40 Meter aus. Darueber hinaus kann das VISN die Bandbreite nach Bedarf automatisch zuordnen - Stichwort "Bandwidth on demand". Somit stehen den Kunden flexible Transferraten zwischen 64 Kbit/s und 2 Mbit/s fuer die Uebertragung von Sprache, Daten oder Video zur Verfuegung.

Die Einsatzgebiete reichen von der reinen Sprach- oder Datenuebertragung bis hin zu interaktiven Applikationen wie der gemeinsamen Nutzung von Datenbanken, der Bearbeitung von CAD- Zeichnungen sowie Videokonferenzen. Den VISN-Service bieten in Europa lokale nationale Partner wie Matra MCN Satservice, DEC, Kingston Communications, G-Tronics, Retevision und Stet als Bestandteil einer schluesselfertigen Netzloesung inklusive Installation, Netz-Management und Wartung an.

Beim Service wird auf modernste Uebertragungsprotokolle wie Frame Relay zurueckgegriffen, das gegenueber X.25 beispielsweise wesentlich geringere Overheads im Protokoll besitzt. Im Vergleich zu Mietleitungen hat die Satellitenkommunikation den Vorteil, dass sie flexible Uebertragungsraten zulaesst und damit ein Cost-sharing auf der Datenautobahn ermoeglicht. Aufgrund der Leistungsfaehigkeit und der guenstigen Kostenstruktur des Dienstes ist er eine ernstzunehmende Alternative zu terrestrischen Loesungen sowohl fuer den innereuropaeischen als auch den transatlantischen Einsatz.

Grundsaetzlich muss sich ein Unternehmen bei der satellitengestuetzten Standortintegration entscheiden, ob die Realisierung und der Betrieb durch einen externen Dienstleister oder mit eigenem Personal erfolgen sollen. In jedem Fall ist es wichtig, das momentane und das zu erwartende Kommunikationsprofil beispielsweise hinsichtlich Netztopologie, Anwendungen und Datendurchsaetzen zu beschreiben.

Erst wenn klar ist, zwischen welchen Standorten welche Bandbreite erforderlich ist, koennen das Netzwerkdesign und die Bandbreitendimensionierung beginnen. Je nach Bandbreitenbedarf sind dann die passenden Bodenstationen zu konfigurieren.

Moderne Satellitensysteme muessen Frame Relay, LAN-Schnittstellen und Protokolle (TCP/IP, Novell, Decnet) oder SNA/SDLC unterstuetzen und sich in vorhandene Management-Umgebungen fuer Netzwerke wie HPs Openview, Suns Net-Manager, DECs Polycenter oder IBMs Netview integrieren lassen. Ausserdem wollen Firmen die Systeme aus Kostengruenden nicht nur fuer die Daten-, sondern auch fuer die Sprachuebertragung nutzen.

In der Regel wendet sich der Kunde an einen Service-Provider wie Orion Atlantic Services (Abdeckung: USA und Europa bis zur Ukraine) oder Romantis (Abdeckung: Osteuropa sowie GUS-Staaten oestlich der Ukraine). Diese bieten komplette Leistungspakete an, von der Beratung, ueber Netzdesign bis hin zu Installation und Betrieb.

Normalerweise werden Mietvertraege fuer die Dauer von zirka drei Jahren abgeschlossen. Grosse Carrier wie beispielsweise Deutsche Telekom (DeTeSystem), AT&T oder MCI arbeiten oft Hand in Hand mit solchen Service-Providern, um ihren Grosskunden komplette Vernetzungsloesungen anbieten zu koennen.

Will eine Firma das installierte Satellitennetzwerk selbst betreiben (Management, Service, Wartung), kann das erforderliche Know-how durch entsprechende Schulung vermittelt werden.

Kurz & buendig

Eine grosse Zahl von Satelliten auf geostationaeren Positionen im Orbit gestattet eine direkte Kommunikation zwischen Unternehmensteilen, ohne von terrestrischen Verbindungen abhaengig zu sein. Dies ist vor allem in Laendern mit schwach entwickelter Kommunikationsinfrastruktur wie in den einstigen Ostblockstaaten interessant. Die Verbindungen sind wesentlich ausfallsicherer als alle bodengebundenen Alternativen, und sie eignen sich nicht nur fuer die Daten-, sondern auch fuer die Telefon-, Fax- und Videokommunikation. Seit Mitte letzten Jahres gibt es unter dem Titel Virtual Integrated Sky Network (VISN) mehrere Dienste, die deutlich preisguenstiger angeboten werden als Standleitungen. *Rainer Kurz ist Vertriebsleiter Satellitenkommunikation bei der kuerzlich aus Nortel und der Dasa (Dornier Systeme) entstandenen Nortel Dasa in Friedichshafen.