Feuerwehreinsatz in der New Economy: Vom schnellen Aufbau zur Reorganisation

Interims-Manager: Erste Hilfe und letzte Hoffnung

02.10.2001
Von in Alexandra
Am Anfang steht die Krise. Ob Unternehmen aufgezogen oder reorganisiert werden - für schwierige Aufgaben holen sich Firmen oft einen Interims-Manager ins Haus, der soviel Erfahrung besitzt, dass er binnen kürzester Zeit eingreifen kann.

Ihre Schläfen sind ergraut, ihre grauen Zellen funktionieren aber noch bestens. Interims-Manager sind nicht mehr auf ein regelmäßiges Einkommen angewiesen, weil sie ihre Karriere schon hinter sich haben. Der Wunsch nach Profilierung ist ihnen fremd, sie packen unvoreingenommen die Probleme unverzüglich an, scheuen sich nicht vor unangenehmen Aufgaben und verlassen ihren Einsatzort spätestens nach einigen Monaten wieder.

Dieses bisherige Bild von Interims-Managern erhält durch die New Economy neue Konturen. Denn nicht nur die Firmenchefs in den Startups sind erheblich jünger als die in der Old Economy, sondern vielfach auch die von ihnen geholten Manager auf Zeit. Achim Reinhardt ist 35 und bereits seit zweieinhalb Jahren als solcher in diversen Startups tätig. Vorher sammelte der Diplombetriebswirt unter anderem bei bei der Berliner Bank und Global One, dem ehemaligen Joint-Venture der Deutschen Telekom, der France Télécom und des US-Carriers Sprint, Management-Erfahrung im Controlling und Marketing. Auch Venturix.com, ein Marktplatz für IT-Startups in der Schweiz, unterhält einen Pool von etwa 50 freiberuflichen Interims-Manager im Alter zwischen 35 und 40 Jahren, die ihre in der New Economy gesammelten Erfahrungen je nach Bedarf als Finanzchef, Chief Executive Officer (CEO) oder Vertriebsvorstand für einige Monate einbringen.

„Nach unseren Erfahrungen kommen ältere Manager nicht immer mit der Arbeitskultur in Startups klar“, begründet Urs Rechsteiner, als Managing Partner bei Venturix für Geschäftsentwicklung und Human Resources zuständig. Selbst die „gefallenen Engel“ der New Economy kann Rechsteiner als Interims-Manager vermitteln: „Wenn sie aus ihren Fehlern gelernt haben, können sie dem Kunden helfen, die gleichen zu begehen.“ Auch Reinhardt, der vor knapp zwei Jahren mit zwei Partnern die Interims-Management-Beratung Ark Executives gründete, hat beobachtet, dass sich verstärkt ehemalige Gründer als Interims-Manager versuchen. Allerdings zeigt er sich skeptisch, ob gescheiterte Führungskräfte den hohen Anforderungen, die an Interims-Manager gestellt werden, gerecht werden können.

In den Augen von Reinhardt müssen Manager auf Abruf nicht nur erstklassige Führungsqualitäten haben, sondern in Krisensituationen binnen kurzer Zeit – die Einsätze dauern oft nur drei Monate - eine Lösung finden. „Eine Einarbeitungszeit gibt es praktisch nicht. Man muss gleich operativ tätig werden“, bestätigt auch Kerstin Karuschka, die in Hamburg die 3K Personalberatung betreibt und im Personalbereich als Interims-Managerin einspringt. Ein Anspruch, der sich in manchen Bereichen auch verwirklichen lässt. So veranschlagt Karuschka etwa vier Wochen, um einen Rekrutierungsprozess neu aufzusetzen und den ersten Erfolg, sprich die ersten neuen Mitarbeiter an Bord zu haben. Auch ein Finanzchef könne laut Venturix-Mann Rechsteiner sofort aktiv werden und beispielsweise ein Reporting für Investoren und Controlling einzuführen. Zeitraubender sei es da schon, eine Vertriebsstrategie zu entwickeln und die richtigen Mitarbeiter dafür zu gewinnen. Damit der Kurzeinsatz gelingt, muss sich der Interims-Manager in dieser Zeit ganz und gar mit der Firma identifizieren, zugleich aber bereits „beim Einstieg an den Ausstieg denken“, wie es Reinhardt formuliert, und einen geeigneten Nachfolger suchen.

Die hohen Anforderungen haben auch ihren Preis. In der Regel bewegen sich die Tagessätze von Interims-Managern zwischen 2000 und 5000 Mark pro Tag. Ein Grund, warum ihr Engagement nur ein zeitlich befristetes sein kann. „Etablierte Firmen sind solche Sätze von Unternehmensberatern gewöhnt, bei Startups wird die Sache schon schwieriger, vor allem dann, wenn das Geld knapp wird“, schildert Reinhardt. Manchmal müssen darum auch Führungskräfte auf Zeit ein Stück unternehmerisches Risiko auf sich nehmen und eine teilweise Bezahlung in Firmenanteilen akzeptieren. Eine Rechnung, die nicht aufgeht, wenn die Startups letztlich scheitern.

Reinhardt erlebte diesen Fall beim Hamburger IT-Startup Curry Communication, das im Juli Insolvenz beantragte (CW 33/2001, Seite 11). Von August vergangenen Jahres bis zum Januar 2001 kam er dort als Chief Operating Officer (COO) zum Einsatz, als das Führungsteam auseinandergebrochen war. Reinhardt konnte während dieser Zeit zwar neue Manager gewinnen, die Führungsaufgaben auf die verschiedenen Köpfe verteilen und die 30 ausländischen IT-Experten integrieren, die dank Green Card zu Curry gekommen waren. Zugleich musste er aber die Grenzen seiner Möglichkeiten erkennen: „Als Interims-Manager kann man zum Beispiel kein neues Kapital gewinnen, da die Geldgeber wissen wollen, wer langfristig das Unternehmen führt.“

Angewiesen sind Interims-Manager auch auf die Rückendeckung ihrer Auftraggeber. Meist von Gesellschaftern, Geschäftsführern oder Venture-Kapitalisten ins Boot geholt, müssen sie oft unangenehme Jobs erledigen. „Vor allem der Einsatz als Interims-CEO ist oft heikel, wenn man beispielsweise eine neue Strategie durchsetzen muss, weil die alte des Vorgängers nicht erfolgreich war“, so Rechsteiner von Venturix. „Unser Erfolg hängt davon ab, wieviel Kompetenzen wir bekommen. Je mehr, desto besser.“ Dazu muss aber auch die Akzeptanz im Unternehmen kommen. Interims-Manager Reinhardt sollte bei einem Einsatz im Auftrag des Aufsichtsrates die Gründer kontrollieren. Eine Mission, die nicht gelingen konnte, weil der externe Manager gegen die Gründer hätte arbeiten müssen.

Den Kontakt zu den Beschäftigten sieht auch Personalberaterin Karuschka als wesentlichen Teil ihrer Aufgabe als Managerin auf Zeit an. „Im Grunde genommen muss man erst das Problem erkennen, dann eine Strategie entwickeln und schließlich diese mit den Mitarbeitern gemeinsam umsetzen.“ Letzteres ist leichter, solange der Interims-Manager Aufbauarbeit leistet. So hat Karuschka für die Accenture-Tochter Unamite binnen vier Monate 150 Programmierer angeworben. Diese Aufgaben gehören allerdings der Vergangenheit an: „Im Personalbereich findet momentan kein Aufbau statt. Die wenigen Firmen, die noch einstellen, schaffen es auch ohne externe Hilfe“, so die Personal-Managerin.

Statt dessen springt sie als Outplacement-Beraterin bei strauchelnden Startups ein und hilft den gekündigten Mitarbeitern wieder neu Fuß zu fassen. Ein Job, der im Vergleich zu den anderen Einsätzen erheblich schlechter vergütet ist und der an die Nieren gehen kann: Bei Curry Communication stand Karuschka 30 verzweifelten Green-Card-Inhabern gegenüber, die vor lauter Angst, wieder abgeschoben zu werden, zum Teil nicht in der Lage waren, mit ihr zu sprechen und zuerst einmal beruhigt werden mussten.