Kolumne

"Interessante Zeiten"

14.03.2003
Christoph Witte Chefredakteur CW

Wenn ein Chinese jemanden wirklich nicht leiden kann, dann wünscht er ihm: "Mögest du in interessanten Zeiten leben." Ob es uns jemand gewünscht hat oder nicht - fest steht, die Zeiten, in denen wir leben, sind interessant. Dabei stellen sich zumindest in der IT-Szene vor allem zwei spannende Fragen: Wann endet die Rezession? Und was passiert danach? Auf die erste traut sich niemand mehr öffentlich zu antworten, weil sich schon zu viele Prognosen als falsch herausgestellt haben. Die Antwort auf die zweite Frage ist zwar auch selten konkret, aber es gibt ein paar interessante Spekulationen.

Eine davon stammt von George Colony, dem Chef und Gründer von Forrester Research. Er glaubt, dass die Zeiten vorbei sind, in denen Anwender "nackte Technolgie" gekauft haben. Demnach haben sich CEOs und CIOs wohl endgültig von der Vorstellung verabschiedet, dass sich allein durch den Einsatz von IT irgendein Prozess verändern ließe, gleichgültig ob es sich um Kunden-, Lieferketten-Management oder kleinere Prozesse handelt. Immer komme es auf das Ineinandergreifen von Technik und Management an, wenn Veränderung funktionieren soll. So weit wenig Neues, verblüffend ist allerdings die vorgebliche Lösung des Problems. Ebenjene Hersteller, die bisher nichts anderes getan haben, als den Anwendern Technologie zu verkaufen, könnten langfristig nur überleben, wenn sie auch dafür sorgen, dass IT nicht nur eingesetzt wird, sondern damit auch tatsächlich die betroffenen Prozesse verbessert werden. Bestes Beispiel für diese neue Art des IT-Anbieters sei die IBM.

Ob das den Anwendern nützen würde, ist allerdings fraglich. Noch bildet es keine ausreichende Qualifikation für das Beratungsgeschäft, wenn man in seinem angestammten Geschäft - gleichgültig ob Hard- oder Software - nicht mehr genug verdient. Das Interesse von IT-Herstellern bleibt es, ihre Produkte zu verkaufen. An Beratung, die kein Produktgeschäft (dazu zählt auch Outsourcing) nach sich zieht, sind sie nicht interessiert.

Wenn Colonys These zutrifft, dass Technologie ohne Prozessberatung zum Ladenhüter wird, lässt sich nur hoffen, dass Anwender sich nicht komplett ihren bisherigen Technologielieferanten ausliefern, sondern einer neuen Spielart von Beratern eine Chance geben, die IT und Prozesse gleichermaßen beherrschen.

Mit einer These behält der Forrester-Mann jedoch sicher Recht: Nach der Rezession, sagt er, sei die IT ein "anderes Tier" als vorher.