IT in der Medienbranche/3Sat kombiniert TV-Sendung mit Subsite seiner Homepage

Interaktives Technik-Magazin kreiert: Via Internet zum Fernseh-Set

13.10.2000
Eine Live-Sendung verbunden mit einem Internet-Event: Bei 3Sat können Web-User neuerdings an Fernsehdikussionen teilnehmen. Sie verfolgen das Magazin "di@lneues" am Computer, klicken sich in die Übertragung ein und kommunizieren mit Fachleuten. Vor und nach der Ausstrahlung können sie darüber hinaus das Geschehen auf dem Set mit ihren Rechnern verfolgen oder rekapitulieren. Christian Thielmann* beschreibt das Verfahren.

Ende Juni ging das auf den Telekommunikationsmarkt zielende TV-Magazin für Technik-Freaks, speziell Web-User, erstmals auf Sendung. Seither wird es alle zwei Wochen live aus dem Lichthof des Ludwig-Erhard-Hauses in Berlin gesendet, im Wechsel mit dem im Hinblick auf die Zielgruppe ähnlich konzipierten 3Sat-Produkt "Neues... die Computershow". Die beiden Moderatoren Anja Bergerhoff und Kena Amoa sowie ihre Gäste widmen sich den aktuellen Entwicklungen der Branche.

Bereits in der Zusammensetzung des Teams unterscheidet sich das 3Sat-Magazin von einem herkömmlichen Fernsehmagazin: Von den durchschnittlich 70 Personen, die am Sendetag mit der Produktion beschäftigt sind, kümmern sich gut zehn ausschließlich um den IT-Bereich.

Die technischen Voraussetzungen für die interaktive Teilnahme der User schuf die Berliner Agentur Plenum New Media. Sie gestaltete und produzierte im Auftrag des Fernsehsenders sowie der Produktionsfirma Aphelion eine Subsite der 3Sat-Homepage, so dass das Magazin ins Web übertragen werden kann. Zentrales Modul der Site ist das Diskussionsforum. Die Internet-Nutzer können sich dort mit Experten austauschen, die in der Sendung auftreten. Zudem haben sie die Möglichkeit, sich über einen kleinen Floater neben der Sendung auch das Geschehen auf dem Set anzusehen. Dieser Backstagestream beginnt schon eine halbe Stunde vor der Sendung - sie startet um 21.30 Uhr - und endet um 23 Uhr.

Täglich aktualisieren Online-Redakteure die News auf der Site. Die bei Aphelion ansässige Redaktion arbeitet mit einem datenbankgestützten Content-Management-System, dem modifizierten "Content Manager", ebenfalls von Plenum New Media. Die zentral liegende Datenbank ermöglicht es, ortsunabhängig, auch direkt am Set, Content einzugeben und zu verändern - auf die Datenbank wird über das Protokoll "Open Database Connectivity"(ODBC) zugegriffen, ein Anfang der 90er Jahre entwickeltes standardisiertes Verfahren. Der Content kann lokal oder gleich auf den Test-Server generiert werden. Nach redaktioneller Freigabe wird der Inhalt schließlich auf den Live-Server gespielt, der sich im Data Broadcast Center (DBC) in Mainz befindet.

Die Meinungen der Experten aus der Live-Sendung werden mit Hilfe eines bis zu sieben Rechner umfassenden 100-Mbit-Netzwerks ins World Wide Web transportiert. Es wird zu jeder Sendung installiert. Verbunden ist damit auch viel Abklebe-Arbeit. Denn etwa 90 Meter Netzwerkkabel müssen "unsichtbar" gemacht werden.

Über eine vor Ort verlegte ISDN-Leitung wählt sich der mobile Router in den Server von Plenum New Media in der Torstrasse in Berlin-Mitte ein. So kann die 2-Mbit-Internet-Anbindung der Agentur genutzt werden. Eine weitere ISDN-Leitung wird für das Streaming der Backstage-Kamera verwendet. Das vor Ort decodierte Videosignal wird direkt in den Streaming-Server des ZDF gespielt und ist auf der Website abrufbar. Während der Sendung ist die Backstage-Kamera fest positioniert, davor und danach jedoch frei beweglich: Sie zeigt den Internet-Nutzern das komplette Set. Zusätzlich wird der Ton übertragen, so dass die User sich mitten im Geschehen befinden.

InternationaleVanity-NummernDoch nicht nur über das Internet können Interessierte teilnehmen. Informationen sind auch telefonisch und per Fax abrufbar. Dabei bietet die Sendung als Neuheit internationale Vanity-Nummern an. Das heißt: Statt Ziffern werden Buchstaben verwendet, die Worte ergeben. Aus der Telefonnumer 00800-3425 63837 wird so 00800-dialneues. Das gleiche gilt für den Faxabruf, der permanent geschaltet ist: 00800-faxneues (00800-329 63837). Die 00800-freecall-Nummer der Telekom - sie funktioniert in ganz Europa - ist auf mehrere Anschlüsse im Ludwig-Erhard-Haus verteilt. Sie wird dort von einem Team an die vier Experten weitergeleitet, die zu jeder Sendung anwesend sind. Vier Anrufer können in der Warteschleife jeweils direkt zu den Fachleuten geschaltet werden.

Die Moderatoren gehen während der Sendung immer wieder auf die Beiträge in den Diskussionsforen ein. Fragen von Usern auf der Site werden über einen Scan-Konverter vom Rechner direkt auf den Fernsehbildschirm gebracht. Nach der Übertragung sind dann die Experten in den Foren anzutreffen.

Das Magazin wird nach seiner Ausstrahlung für das Web aufbereitet. Hierfür wird das Format "Synchronized Multimedia Integration Language" (Smil) eingesetzt. Dieser Multimedia-Standard für das Internet, der vom W3C beschlossen wurde, machte es möglich, Audio- und Videosequenzen verschiedener Quellen simultan abzuspielen. Im Urzustand liegt die Sendung als decodiertes File vor. Bei seiner Sichtung wird die Sendung dann in verschiedene thematische Blöcke unterteilt, wie Studiodiskussion, Anmoderation und Beitrag. Der dazugehörige Timecode wird protokolliert und mit den jeweiligen Bezeichnungen versehen.

Um das Streaming-Fenster herum wird ein Frameset gebaut, mit dem Logo der Sendung und einer Navigationsleiste. Der User kann sich so später entweder die komplette Sendung auf seinem Rechner anschauen oder über die Navigation einzelne Teile aufrufen.

Das Angebot soll demnächst ausgebaut werden. Geplant ist, in einem Smil-Fenster alle bisher gelaufenen Sendungen verfügbar zu machen. Da Smil aber noch keine Scrollbars in Frames verarbeiten kann, soll hierfür Flash eingesetzt werden. Der User könnte dann, ohne seinen Player zu verlassen, sämtliche archivierten Sendungen verfolgen. Auch sollen in Zukunft auf der Seite neben Klingeltönen und Handy-Logos auch WAP-Angebote bereitgestellt werden.

*Christian Thielmann ist Mitglied der Redaktion "Neues ... die Computershow" von 3Sat in Berlin.