Interaktive Programmiersysteme: Spielzeug für Codierer?

04.05.1979

Attraktion auf dem IBM-Messe-Stand in Hannover war heuer die Demo der "interactive Computing and Control Facility"-(ICCF) auf dem neuen Rechner 4341. Drei EDV-Spezialisten waren in dem dichten Gedränge um den Konsol-Bildschirm bereit, CW-Redakteurin Nora Hörmann ihre Meinung zur Dialogprogrammierung generell und speziell zum neuen IBM-Paket mitzuteilen: Dieter Schmidtsdorff, Leiter Datenverarbeitung und Organisation, Günter Bode, Leiter Systementwicklung, und Uwe Schaper, Data Base Manager, alle B. Sprengel & Co (Hannover).

D. Schmidtsdorff:

Wir sind hier zum IBM-Stand auf der Hannover-Messe gekommen, um uns die Demonstration des neuen Dialog-Programmiersystems ICCF auf dem IBM-Rechner 4341 anzusehen. Daß die interaktive Programmierung wesentliche Vorteile bringt, wissen wir bereits seit zwei Jahren. Zu diesem Zeitpunkt wurde SPMO bei uns eingeführt. Diese Art Programme zu entwickeln, ist also nichts Neues. Die Frage "Ja" oder "Nein" halten wir für gelöst: Ein Programmierer kann am Bildschirm effektiver arbeiten. Der wesentlichste Vorteil der Dialogprogrammierung ist meiner Ansicht nach, hierbei keine Wartezeiten auf freie Maschinenkapazität entstehen und ein strenger Closed Shop-Betrieb durchgeführt werden kann.

Trotz dieser gravierenden Vorteile hat sich die interaktive Programmierung bei den Anwendern noch immer nicht durchgesetzt. Hier am IBM-Stand gibt es sicherlich viele, die das erste Mal sehen, wie Programme am Bildschirm entwickelt werden. Allerdings stellt sich die Frage, ob der Programmierer die Erstentwicklung gleich am Terminal durchfuhrt oder erst einmal sein Konzept am Schreibtisch entwirft und diese erste Programmfassung von einer Datenerfasserin eingeben läßt. In unserem Haus verfahren wir so. Die Datenerfasserin startet sogar den Umwandlungslauf und korrigiert die aufgetretenen Formfehler und kann so den "teuren" Programmierer wesentlich entlasten, der dann das fast formfreie Programm am Bildschirm weiterkorrigieren und beenden kann. Durch diese Verfahrensweise wurde die Dialogprogrammierung in unserem Unternehmen sehr schnell akzeptiert. Man kann sogar sagen, die Mitarbeiter sind begeistert.

G. Bode:

Nur in der ersten Zeit der Einführung traten kleine Probleme auf, damit diesem Programmierinstrument eine bessere Kontrolle und Überwachung der Programmiertätigkeit möglich ist. Allerdings waren unsere Leute darauf schon eingerichtet: Ein bereits vorher realisiertes System für Accounting-Auswertungen machte die Programmierung auch im Batch-Betrieb transparent. Wir konnten beobachten, wie viele Umwandlungen im Laufe eines Tages oder Monats durchgeführt wurden.

U. Schaper:

Bei der Anwendung der interaktiven Programmierung wird heute am Schreibtisch gearbeitet. Früher mußte der Programmierer - bedingt durch den Closed Shop-Betrieb - den Programmtest von seinem Arbeitsplatz aus durchführen. Heute kann dies per Bildschirm geschehen, wodurch natürlich eine höhere Rechnerbelastung entsteht.

G. Bode:

Gerade in der Einführungsphase des SPMO nahm bei uns die Rechnerbelastung rapide zu. Wir konnten beobachten daß der Programmierer teilweise gar keine Ergebnisse am Bildschirm mehr abwartete, sondern Fehlerkorrekturen einfach "losschickte", ohne abzuwarten und zu überprüfen, ob vielleicht noch mehrere Fehler aufgetreten sind. Meiner Erfahrung nach verleitet die interaktive Programmierung - zumindest in der Anfangsphase - zur "Spielerei".

U. Schaper:

Ich würde es nicht unbedingt als Spielerei bezeichnen, sondern eher sagen, daß man verantwortungsloser mit Maschinenzeiten umgeht.

D. Schmidtsdorff:

Da die Hardware heute eine untergeordnete Rolle spielt, sollte man das Denken ruhig dem Computer überlassen und dennoch produktiver arbeiten als vorher - und vor allem preiswerter. Daher ist meine Meinung: Lieber sofort in das System gehen, anstatt stundenlang am Schreibtisch vorzutesten. Bisher war die Schreibtischarbeit unumgänglich, da einfach zu wenig Computerzeit für Umwandlungsläufe zur Verfügung stand.

G. Bode:

Mit der Freigabe des neuen IBM-Dialogprogrammier-Systems werden gleichzeitig mehr Testpartitions zur Verfügung gestellt.

D. Schmidtsdorff:

Bei nur drei bis vier Programmierern reicht eine Partition aus. Bei zwölf Mitarbeitern - wie in unserem Hause - ist es jedoch sinnvoll, mindestens eine zweite Testpartition einzurichten, da sonst Wartezeiten entstehen können. Wir haben unter anderem auch deshalb die 4341 bestellt. Derzeit arbeiten wir noch mit einer /148 mit 1 MB ab Mai mit 2 MB. Um kostengünstig arbeiten zu können, werden wir das gemietete System so schnell als möglich leasen und so die Wartezeit auf das neue System überbrücken.

U. Schaper:

Die Dialogprogrammierung ist in erster Linie für die Anwendungsprogrammierung gedacht. Ich nutze es für meine Tätigkeit stark systemorientiert und schicke Jobs zur Datenbank- und Systempflege, also Job Control, über dieses System ab. Allerdings kann mir bis heute die Biegungen am Schreibtisch keiner abnehmen. Entscheidende Erleichterungen werden dem Anwendungsprogrammierer zuteil, der seine Programme am Bildschirm pflegen, verändern und testen kann.

D. Schmidtsdorff:

Interessant in diesem Zusammenhang ist vielleicht auch, daß man

das ICCF auch für die Arbeitsvorbereitung einsetzen kann, wie wir es jetzt bereits mit dem SPMO tun: Die Arbeitsvorbereitung, also Vorbereitung und Änderung der Job Karten läuft bei uns über SPMO. Auch hier sehen wir eine wesentliche Vereinfachung, da es für die AV-Mitarbeiter wesentlich einfacher ist, bei einer Hardwareumstellung zum Beispiel nur noch die Vorlaufkarten oder Plattenperipherie-Namen zu ändern.

G. Bode:

Was fehlt an dem IBM-Dialogsystem, ist eine ausreichende Dokumentation im Sinne des Datenschutzes. Wir können lediglich erkennen, wer wann an welchem Programm gearbeitet hat, jedoch nicht, welches Statement geändert wurde.

D. Schmidtsdorff:

Hier auf der Messe wurde uns allerdings von IBM versprochen, daß dies künftig möglich sein soll. Leider war eine Demonstration nicht möglich. Im Release 2 soll eine solche Auswertungsmöglichkeit vorhanden sein.

G. Bode:

Wir hatten zum Beispiel früher mit einem Fremdpaket eine wesentlich bessere Batch-Dokumentation, bei der die gesamten Veränderungen aufgezeigt werden konnten. Als wir dann auf Online umstellten, war die entsprechende Alternative des Fremdanbieters noch in der Entwicklung, so daß wir SPMO einsetzen mußten. Jetzt wollen dafür auf das ICCF warten, weil sich das unserer Meinung nach rentiert.