Verlierer Mensch?

Intelligente Systeme als Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt

04.07.2016
Von 
Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.

Es gibt auch Optimisten

Die Zahl der Warner vor den Folgen einer zunehmenden Digitalisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen scheint momentan stark zu wachsen. Allerdings sagt Ulrich Zierahn, einer der Autoren der bereits angeführten Untersuchung des ZEW in Mannheim, die Gefahr eines Arbeitsplatzverlustes sei zumindest für Hochqualifizierte eher gering. Dem würde wohl auch Buchautor Martin Ford zustimmen, allerdings betont er, dass in den USA ein Großteil der im vergangenen Jahrzehnt geschaffenen Arbeitsplätze eher von Minderqualifizierten besetzt wurde. Arbeitsmarktzahlen belegen, dass rund 60 Prozent der amerikanischen Arbeitnehmer keinen höheren Bildungsabschluss vorweisen können.

Zu den Optimisten gehört Joachim Möller, Direktor des staatlichen Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Er meint, Berufsfelder und Tätigkeiten würden sich ständig der technischen Entwicklung anpassen. Wenn es Risiken gebe, dann lägen die eher im Bereich der Ausbildung: Es könne sein, dass sich Geringqualifizierte nicht auf die anspruchsvollen neuen Berufsfelder einstellen könnten.

Industrie 4.0 in Deutschland 2015: Die größten Herausforderungen für Industrieunternehmen in den kommenden zwei Jahren.
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Alles Verschwörungstheoretiker?

Nun könnte man der Ansicht sein, dass die Mahner nur orakeln, um sich interessant zu machen und dass sie von Entwicklungen wie der anspruchsvollen KI-Technik nicht viel verstehen. Allerdings müsste man dann auch solche Kenner wie Elon Musk von Tesla, Bill Gates von Microsoft, den Physiker Stephen Hawking oder den Apple-Mitgründer Steve Wozniak zum Kreis der Ahnungslosen zählen.

Fachleute wie Nick Bostrom, Leiter des Future Humanity Institute (FHI) in Oxford, sagen, es gebe genügend Gründe zu glauben, "dass die unregulierte und zwanglose Entwicklung im KI-Sektor eine Reihe signifikanter Gefahren mit sich bringt". Solcherlei Forschungen hätten nicht nur Auswirkungen auf die Arbeitsmärkte, sie könnten auch leicht von "bösen Buben", etwa verantwortungslosen Regierungen, genutzt werden.

Das FHI, an das Elon Musk zehn Millionen Dollar spendete, hat aus mehr als 300 Forschungsgruppen, die sich um finanzielle Unterstützungen beworben hatten, 37 Projekte herausgefiltert. Die widmen sich ganz unterschiedlichen Themen wie etwa der Frage, ob man KI-Systemen ethisches Denken und Handeln beibringen kann.

Machine Learning hoch im Kurs: Nach Prognosen von Crisp Research werden die Unternehmen ihre Ausgaben für den Einsatz von Machine-Learning-Lösungen, für Algorithmen-Design und für damit verbundene Dienstleistungen von rund 1,9 Milliarden Euro im Jahr 2016 auf rund 5,8 Milliarden Euro im Jahr 2018 verdreifachen.
Machine Learning hoch im Kurs: Nach Prognosen von Crisp Research werden die Unternehmen ihre Ausgaben für den Einsatz von Machine-Learning-Lösungen, für Algorithmen-Design und für damit verbundene Dienstleistungen von rund 1,9 Milliarden Euro im Jahr 2016 auf rund 5,8 Milliarden Euro im Jahr 2018 verdreifachen.

Einziges Produktionsmittel: Kapital

In einem "FAZ"-Artikel weist der Sprecher des Chaos Computer Clubs (CCC), Frank Rieger, auf einen weiteren bedenkenswerten Aspekt der Veränderungen hin, der sich im Zuge von Digitalisierung, Automatisierung und durch Robotik und KI ergeben könnte. Betrachte man "die Automatisierungseffekte auf gesellschaftlicher Ebene, entsteht ein Bild, das die Grundannahmen der Demokratien in Frage stellt. Das einzig verbleibende relevante Produktionsmittel ist Kapital", schreibt Rieger.

Das aber habe Folgen: "Wer in moderne Maschinen und Software investieren kann, streicht im derzeitigen System den Mehrwert aus deren Produktivität ein." Die Folgen hieraus dürften allerdings nicht im Interesse der Kapitalgeber liegen: "Je weniger Menschen an der Wertschöpfung finanziell beteiligt sind, desto weniger können sie noch die Waren kaufen, welche die Maschinen produzieren."

Wer die Roboter besitzt ...

In der Forrester-Research-Untersuchung "The Future of Jobs 2025: Working Side by Side with Robots" widerlegen die Analysten die Warner nur scheinbar, wenn sie schreiben: Automation werde Jobs ersetzen und neue kreieren. Denn dann heißt es: "Zwar wird Automation bis zum Jahr 2025 in den USA zu einem Nettoverlust von 9,1 Millionen Arbeitsplätzen führen, das aber ist bei Weitem nicht so viel wie die 69 Millionen, die einige Experten vorhersehen." Auch Forrester erwartet also von Digitalisierung und Automatisierung massive Arbeitsplatzverluste.

Wo arbeiten wie viele Roboter?: Japan ist in Sachen Roboternutzung führend. Pflegeroboter etwa gehören fast schon zum Alltag.
Wo arbeiten wie viele Roboter?: Japan ist in Sachen Roboternutzung führend. Pflegeroboter etwa gehören fast schon zum Alltag.

Was Keynes schon wusste

Man muss das alles übrigens nicht zwingend negativ sehen, man kann es auch als gesellschaftliche Aufgabe betrachten. Bereits 1930 prognostizierte der Ökonom John Maynard Keynes, dass innerhalb von 100 Jahren Technik und ihre Entwicklungen zu einer Arbeitswoche von lediglich 15 Stunden führen würden. Die übrige Zeit könne der Mensch zu seiner Freizeitgestaltung verwenden.