Intel streitet mit europäischen Kartellbehörden

19.05.2009
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Die EU-Kommission hat Intel mit einem Rekordbußgeld bestraft. Dagegen will sich der Chipkonzern zur Wehr setzen.

Wir sind der Meinung, dass unsere Praktiken nicht gegen europäisches Recht verstoßen", protestierte Intel-CEO Paul Otellini nach dem Urteil der EU-Kommission. "Wir haben starke Einwände gegen diese Entscheidung und sind der Meinung, dass sie nicht richtig ist." Nach Ansicht des Intel-Managements seien Besonderheiten eines hoch wettbewerbsintensiven Marktes außer Acht gelassen worden. Die Verbraucher hätten keinerlei Schäden erlitten. Otellini bekräftigte, dass der weltgrößte Halbleiterhersteller Berufung gegen den Spruch der europäischen Kartellbehörde einlegen werde.

1,06 Milliarden Euro Strafe

Grund der heftigen Reaktionen des Intel-Chefs ist das Urteil, das die EU-Kommission nach einer jahrelangen Untersuchung am 13. Mai gefällt hatte. Demnach muss der Konzern 1,06 Milliarden Euro Strafe an die europäische Union zahlen. Intel habe seine Marktmacht zu Ungunsten des Wettbewerbs und der Verbraucher missbraucht, lautete die Begründung der Kartellwächter. Beispielsweise hätten Elektro-Großmärkte wie Saturn und Media Markt Zahlungen erhalten, damit sie ausschließlich Rechner mit Intel-Prozessoren verkauften. Darüber hinaus habe der Chiphersteller mit wettbewerbswidrigen Rabattpraktiken die Produktstrategie der Computerproduzenten zu seinen Gunsten beeinflusst.

Diese Praktiken rechtfertigten auch die Höhe der Strafe, hieß es in Brüssel. "Das ist das höchste Bußgeld, das wir jemals beschlossen haben", sagte EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes und ließ durchblicken, dass die Strafzahlung durchaus auch höher hätte ausfallen können. "Millionen Verbraucher in Europa waren über fünf Jahre hinweg betroffen", stellte Kroes klar, "die Höhe des Bußgeldes sollte deshalb keine Überraschung sein."

Für die Intel-Verantwortlichen offenbar schon. "Intel hat niemals Produkte unterhalb der Herstellungskosten verkauft", beteuerte Otellini. Der Intel-Chef warf der EU-Kommission indirekt vor, einseitig geurteilt zu haben. Die Wettbewerbshüter hätten wesentliche Beweise außer Acht gelassen oder erst gar nicht eingeholt.

Während Intel mit dem Spruch der EU-Kommission hadert, begrüßte die Konkurrenz das Urteil. "Damit wird der Monopolist in seine Schranken gewiesen", sagte Giuliano Meroni, President für die Region Emea von AMD. Das Urteil sei ein wichtiger Schritt, den regulären Wettbewerb im Markt wiederherzustellen. Vor allem die Kunden würden von dem Ende des Intel-Monopols profitieren.

Das sehen manche Experten allerdings anders. Intel sei mit dem Urteil nun gezwungen, seine Rabattstrategie zu ändern, sagten beispielsweise die IDCAnalysten Mario Morales und Shane Rau. Daher könne die Entscheidung letzten Endes zu höheren Hardwarepreisen für die europäischen Kunden führen. An den Marktverhältnissen werde sich indes kaum etwas verändern, prognostiziert Martin Reynolds, Managing Vice President von Gartner.

Das Ende ist noch offen

Das letzte Wort im Streit EU gegen Intel ist noch längst nicht gesprochen. Zunächst geht der Fall in die Berufung. Experten rechnen jedoch damit, dass sich Intel mit den Kartellbehörden außerhalb des Verfahrens auf einen Deal einigt, um die Sache möglichst schnell aus der Welt zu schaffen. Schließlich ticken noch andere Kartell-Zeitbomben. Im kommenden Jahr muss sich Intel vor einem Gericht in Delaware ähnlichen Vorwürfen der US-amerikanischen Wettbewerbsbehörde Federal Trade Commission (FTC) stellen.

Stimmen zum Urteil

Paul Otellini, Intel-CEO: "Intel hat starke Einwände gegen diese Entscheidung. Wir sind der Meinung, dass sie nicht richtig ist."

Giuliano Meroni, President Emea von AMD: "Mit dieser Entscheidung wird der Monopolist in seine Schranken gewiesen. Nun kann die Marktmacht dahin gehen, wo sie eigentlich hingehört – zu den Computerherstellern, den Händlern und den Käufern von PCs."

Neelie Kroes, Wettbewerbskommissarin der EU-Kommission: "Intel hat Millionen europäischer Verbraucher geschadet, indem es viele Jahre gezielt versucht hat, Wettbewerbern den Zugang zum Computerchipmarkt zu verwehren. "

Martin Reynolds, Managing Vice President bei Gartner: "Intel wird seine Strafe zahlen und sorgfältig seine Vertriebsbeziehungen unter die Lupe nehmen, um sich gegen weitere Risiken abzusichern."

Mario Morales (Bild), Shane Rau, IDC-Analysten: "Das Urteil gibt AMD eine zweite Chance – aber wird das nach den vergangenen Fehlern reichen?"